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Die Angst vor dem Ende Philip Roth wird 75

Philip Roth im Jahr 1970.

Philip Roth im Jahr 1970.

(Foto: picture-alliance / dpa)

Philip Roth hat sein Leben lang über Ängste geschrieben. In den etwa 30 Büchern des US-Schriftstellers geht es um die Scheinmoral der amerikanischen Gesellschaft, die jüdische Familie als Zuchtstätte von Neurotikern und Suche nach Glück durch sexuelle Befriedigung. Spätestens seit "Jedermann" (2006), Roths vorletzten Roman, aber stehen Krankheit, körperlicher Verfall und Tod im Mittelpunkt seiner literarischen Reflexionen. "Das Alter ist kein Kampf; Alter ist ein Massaker", heißt es in "Jedermann". Roth wird an diesem Mittwoch (19. März) 75 Jahre alt.

"Es gibt nur ein Rezept gegen das Altern: Die Verluste hinnehmen und das Beste aus dem machen, was uns noch bleibt", verriet der Autor kürzlich in einem Interview des US-Senders NPR. Roth lebt seit mehr als drei Jahrzehnten auf seiner Farm im ländlichen Connecticut und spinnt dort aus autobiografischem und fiktivem Garn die Fäden seiner brillanten Geschichten. An diesem Platz "gibt es wenig anderes zu tun als zu schreiben", sagt er.

Langjähriger Held Nathan Zuckerman

Seinen langjährigen Helden Nathan Zuckerman lässt Roth in "Exit Ghost" (2008) aus der Einöde Neu-Englands ein letztes Mal ins brodelnde New York ziehen - und kläglich scheitern. Zuckerman ist inzwischen 71 und als Schriftsteller ebenfalls zu Erfolg gekommen. Doch eine Prostata-Operation hat ihn der Potenz beraubt hat und zwingt ihn zum Tragen von Windeln. In der Stadt verspürt Zuckerman erneut die sexuellen Triebe, die er in elfjähriger Einsamkeit unter Kontrolle gebracht zu haben glaubte. Das Verlangen, "dessen Früchte er nicht mehr genießen kann", lassen ihn die "bittere Hilflosigkeit eines verspotteten alten Mannes" empfinden.

Die "New York Times" hatte Roth schon viel früher einen "dämonischen Geist" und die Fähigkeit bescheinigt, "eine unerschöpfliche Bitterkeit in dauerhafte Kunst verwandeln zu können". Er gilt seit Jahren als Favorit für den Literaturnobelpreis. Roth ist der Sohn osteuropäischer Juden, die in die USA auswanderten - ebenso wie die Familien seiner Kollegen Isaac Bashevis Singer, Paul Bellow, Norman Mailer, Arthur Miller und Jerome D. Salinger.

Sarkastisch und melancholisch

Roths Geschichten sind witzig, beißend ironisch, sarkastisch, gleichzeitig melancholisch und bedrückend. Schon der erste Erzählband "Goodbye, Columbus!" (1959) wurde mit dem National Book Award gewürdigt, einem der höchsten amerikanischen Literaturpreise. 1969 gelangte Roth mit dem Bestseller "Portnoys Beschwerden" zu Weltruhm. Das Buch handelt von der Beichte eines sexbesessenen jüdischen Intellektuellen auf der Couch seines Psychoanalytikers.

In der satirischen Erzählung "Die Brust" (1962) lehnt sich Roth an sein Vorbild Kafka an. Statt in ein Insekt ("Die Verwandlung") verwandelt er seinen Literaturwissenschaftler David Kepesh in eine riesige weibliche Brust. In dem Roman "Das sterbende Tier" taucht Kepesh wieder auf und verfällt in eine sexuelle Abhängigkeit; er ist besessen von einer Studentin, die vom Alter her seine Enkelin sein könnte.

Zu den größten Werken von Philip Roth gehört die Roman-Trilogie "Der Ghost Writer", "Zuckermans Befreiung" und "Die Anatomiestunde" von 1979 bis 1983. Mit der als Epilog geschriebenen Erzählung "The Prague Orgy" vollendete er den Zyklus 1985. "Die Tatsachen" (1988) sind der Auftakt autobiografischer Fiktionen. Für "Sabbath's Theater", die Geschichte eines Puppenspielers, dessen Leben sich nur um Sex dreht, erhält Roth 1995 seinen zweiten National Book Award.

Viele Auszeichnungen

Der renommierte Pulitzerpreis wird ihm zwei Jahre später für "Amerikanisches Idyll" verliehen, die Geschichte von der Integration emigrierter Juden in der amerikanischen Gesellschaft. Mit seinem autobiografischen Roman "Mein Mann, der Kommunist" setzt Roth einen furiosen Schlusspunkt unter die Ehe mit der britischen Schauspielerin Claire Bloom. "Der menschliche Makel" schließt seine zweite Trilogie ab. Sie beleuchtet den Zustand der US-Gesellschaft in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

2002 bekommt Roth die höchste Auszeichnung der American Academy of Arts and Letters, die Gold Medal. Mit ihr wurden unter anderem auch John Dos Passos, William Faulkner und Saul Bellow ausgezeichnet. Zuletzt konnte sich Roth über den PEN/Faulkner-Preis und den PEN/Saul-Bellow-Preis freuen, beide 2007 verliehen.

Von Gisela Ostwald, dpa

Quelle: ntv.de

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