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Landvermesser in der Stadt Berlin als Buch

Sommer in Berlin bedeutet Kultur, Lifestyle und jede Menge Sehenswürdigkeiten. Wer die Stadt abseits der alten und neuen Touristenpfade erleben möchte und sich für Berliner Gegenwartsliteratur interessiert, der sollte sich mal auf die Spuren der Landvermesser begeben.

Literatur und Großstadt, Fiktion und Realität verschmelzen lassen, das ist das Ziel des Berliner Kulturprojektes Landvermesser.tv. Zehn Berliner Autoren, u.a. Marc Buhl, Jens Sparschuh und Ulrich Peltzer, zeigen die Orte in Berlin, die sie inspiriert haben und mit Hilfe moderner Kommunikationstechnik nehmen sie jeden mit auf ihren Spaziergang, der die Stadt aus einem neuen Blickwinkel erleben möchte. Denn Landvermesser.tv hat diese Spaziergänge audiovisuell aufgezeichnet, geobasiert verortet und auf verschiedenen Ausspielwegen zugänglich gemacht.

„Wir haben uns alle mit Literatur, Websites und Geotags beschäftigt und wollten das verschmelzen“, erklärt Tatjana Brode, die neben Jens Krisinger und Mathias Ott zu den Initiatoren des Projektes gehört. Kartenbasiertes Erzählen bedeute bislang meist, zweckorientierte oder historische Informationen zu verorten, so Brode weiter. „Uns war es wichtig, die Eindrücke der Stadt um eine fiktionale Komponente zu erweitern und ihnen eine literarische Bedeutung zu geben. Deshalb haben wir auf den Spaziergängen versucht, den Autoren ihre Geschichten zu entlocken und die Stadt als Buch zu öffnen.“

Die Technik

GPS-basiert, Geotags, audiovisuell – das alles klingt zunächst kompliziert. "Ist es aber nicht", versichert das Landvermesser-Team, das sich seinen Namen als Hommage an die berühmte Romanfigur von Franz Kafka, dem Landvermesser K., gegeben hat. Für Interessierte gebe es einfach verschiedene Zugänge zu den bisher unveröffentlichten „Stadtansichten“ der Schriftsteller, erzählt Jens Krisinger. Im Internet seien die Spaziergänge auf einer Karte den entsprechenden Orten zugeordnet und unter www.landvermesser.tv ab Mitte Juli als Audio- und Videosequenzen abrufbar. „Besucher können sich die Audioversionen kostenlos auf ihren MP3-Player oder iPod runterladen. Darüber hinaus kann man sich die Textversionen und ein Stadtplan ausdrucken.“

Dank einer Kooperation könnten Interessierte die literarische Stadtbegehung zudem mit Cruso-Navigationsgeräte vornehmen, freuen sich die Initiatoren. Das Gerät, das für Touristen konzipiert wurde, könne kostenpflichtig an verschiedenen Orten in Berlin ausgeliehen werden, beispielsweise am Holocaust-Mahnmal.

Als letztes Element haben die Landvermesser schließlich die Videotrailer in die Straßen von Berlin gebracht: In Beton einzementierte Monitore werden im Präsentationszeitraum vom 18. Juli bis zum 10. Oktober 2008 an wechselnden Stationen der Erzählstrecken installiert. „Wir wollten hier ein Überraschungselement einbauen“, erklärt Mathias Ott. Mit diesen „Stolpersteinen“ setze man wieder einen Fuß in die Realität.

Die Autoren

Während des Landvermesser-Sommers steht jede Woche ein anderer Autor im Mittelpunkt – und die Monitore wandern zu den Stationen seines Spazierganges. Die Stadt vermessen haben Marc Buhl ("Drei Sieben Fünf"), Gerard Falkner ("Gegensprechstadt – ground zero"), Tanja Langer ("Der Morphist"); Ulrich Peltzer ("Teil der Lösung"), Tanja Dückers ("Spielzone"), Michal Hvorecky ("City. Der unwahrscheinlichste aller Orte"), Kathrin Röggla ("Irres Wetter"), Tina Schimansky ("ABC") und Jens Sparschuh ("Schwarze Dame").

Doch was hat die Autoren bewegt, sich nicht nur auf den Weg zu machen, sondern auch eigene Texte zur Verfügung zu stellen? Ihm habe besonders gereizt, ein neues, breiteres Publikum anzusprechen, erklärt der Lyriker Gerhard Falkner, der aktuell für den Kranichsteiner Literaturpreis vorgeschlagen ist.

Die Geschichten

Insgesamt gingen die Schriftsteller sehr unterschiedlich an die Aufgabe heran. "Einige Autoren haben frei erzählt, während andere Bücher, alte Stadtansichten und Texte zum Spaziergang mitgebracht haben", erzählt Tatjana Brode. Auch inhaltlich gibt es Unterschiede: Während beispielsweise Tanja Langer und Jens Sparschuh erklären, wie die ausgewählten Orte in ihre Romane gelangten, erzählt Marc Buhl direkt aus seinem Roman "Drei Sieben Fünf", der fiktive Ort wird so real. Gerhard Falkner wollte bei seinem Spaziergang wiederum kein anekdotisches Verhältnis zu den Orten herstellen, sondern die Stadt als Selbsterfahrungsraum darstellen.

Durch die Erzählungen der Autoren, zusammen mit den in die Audios und Videos eingebauten Textstellen aus den Romanen und Gedichtbänden, ergibt sich für die Spaziergänger ein neuer Blickwinkel auf die bekannten Berliner Straßen. "Wenn man nicht eine ständig wechselnde Wahrnehmung für eine Stadt entwickelt, wird sie sehr schnell tautologisch", findet Gerhard Falkner. "Die Menschen gehen bestimmte Wege, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen und die Stadt antwortet eigentlich immer mit den gleichen Bildern und Situationen." Mit den Landvermessern sollte das nicht passieren.

Eröffnungsveranstaltung und Website-Launch: 18.7., 20h, Ballhaus Ost, Pappelallee 15, 10437 Berlin. Es lesen: Marc Buhl, Ulrich Peltzer und Tanja Langer.

Quelle: ntv.de

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