Finale einer Jahreszeit Das Hohelied des Winters
24.02.2013, 07:48 Uhr
Schneeflocken wie Kunstwerke.
(Foto: picture alliance / dpa)
Er hat die gemütlichsten Abende, die längsten Nächte, die tiefsten Temperaturen. Unzählige weiße Kristallsterne schweben zur Erde, legen sich auf die Landschaft und auf die Menschen. Es ist grimmig und kalt. Zeit, Geschichten und Gedichte zu lesen - vom Winter.
Es ist Winter, die Schneeflocken fallen, Pfützen frieren zu und Teiche. Die Kinder holen die Schlitten raus, die Väter die dicken Stiefel und die Mütter die fette Handcreme, Erwachsene versuchen sich im Schlittschuhlaufen. Es ist noch immer ziemlich dunkel und ganz schön kalt. Wann, wenn nicht jetzt, ist es Zeit, das "Winterlesebuch" zur Hand zu nehmen, sich vor den Kamin zu kuscheln und die Schönheit der weißen Jahreszeit literarisch zu genießen.
Herrliche Wintergeschichten sind in diesem Band versammelt, wie die von Herbert Rosendorfer über eine etwas chaotische Kutschfahrt mit seinen Großeltern. Rosendorfer beschreibt die Ahnung der Alten, dass die Winter der Kindheit verlorenes Land sind. Der Ausflug beginnt mit dem Anziehen vieler Mäntel, wird begleitet von fröhlichem Schlittenglockengeklingel und der herrlichen Freiheit, einmal selbst die Zügel halten zu dürfen.
Es gibt fettes Essen, Bohnenkaffee und am Ende einen scharfen, schwarz gebrannten Schnaps. In der Dämmerung zieht der Schlitten schließlich über schweigende, verschneite Felder. "Nur die unendliche, eisige, glasharte und spröde Ruhe des mächtigen Winters schien um uns in dem jetzt eiligeren Schlitten - eingehüllt in Decken, satt und warm." Am Ende stellt der Großvater die Frage, warum es nicht immer so friedlich sein kann. "Muss der Hitler den Chaos anzetteln?"
Eisige Todesahnung
Die Schlitten, der Wintersport, die erstarrte Landschaft und die erfrorenen Pflanzen-Reste, es ist die Unerbittlichkeit dieser Jahreszeit, ihre Todesnähe, die viele Autorinnen und Autoren beschreiben. Nicht nur Bogumil Goltz philosophiert über die symbolische Natur dieser Jahreszeit, in der der Tod "matt und müde, Leben ausläutend und Scheideblicke werfend" heranschleicht.
Aber der Winter ist so viel mehr: die Zeit der Heißgetränke und der knisternden Öfen, der Holzdiebstähle mit allen sozialen Konsequenzen. Die Zeit des Hungers und der nagenden Kälte und die der Wärmflaschen. Klabund singt die Ode auf den Wärmespender, gefüllt, um die ewig kalten Füße wieder zu beleben. Im Einschlafen begriffen, steigt die Hitze an ihm langsam empor, schleicht sich in seine Träume, die ihn bis in die Wüste Arabiens tragen, bevor die Wärmflasche ausläuft und er "halb schon wieder in sanftem Schlaf" beginnt, vom Eismeer zu träumen.
Festtagsstress und Neubeginn
Es ist Nikolaus, Advent und Weihnachten im Winter. Jeder dieser Tage voller Erwartung ist so viel schöner im Schneegestöber. Aber auch so anstrengend mit dem ganzen Bohei, den vielen Vorbereitungen, der Schenkerei und all dem Stress. Kein Wunder, dass da nicht nur die Postleute durchdrehen, wie bei Alois Brandstetter: "Der Weihnachtspostverkehr ist wie ein kleiner Krieg, der Weihnachtspostverkehr ist wie ein mittlerer Zusammenbruch, und nach Weihnachten beginnt der Wiederaufbau."
Doch irgendwann endet auch der kälteste Winter. Am Anfang ist der Frühling "noch ein wenig roh", wie es Alfred Polgar beschreibt. Die Februar-Sonne fährt den Geschöpfen ins Gemüt, obwohl ihnen der Frost noch in den Gliedern sitzt. Die ersten Knospen brechen auf und mit ihnen eine Freude, die sich bei Robert Walser in einem Seufzer entlädt: "Wie schön ist's, dass dem Winter jedesmal der Frühling folgt."
Quelle: ntv.de