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Die alte Frau und das Meer Das verrückte Leben der Elisabeth Mann Borgese

EMB 1998 mit einem alten Familienfoto im Lübecker Buddenbrookhaus.

EMB 1998 mit einem alten Familienfoto im Lübecker Buddenbrookhaus.

(Foto: picture-alliance / dpa/dpaweb)

Ihre erste Begegnung mit dem Meer hat Elisabeth Mann Borgese mit fünf Jahren an der Hand des Vaters, Thomas Mann. Das Kind ist benommen vom Anblick, der Farbe, dem Plätschern der Wellen, dem Salzgeruch. Ein Mensch hat sein Lebensthema gefunden. Eine Begegnung mit der "Lady of the Oceans".

Elisabeth Mann Borgese ist die jüngste Tochter von Thomas Mann. Am 24. April 1918 wird sie als fünftes Kind der Manns geboren, der weltberühmte Schriftsteller wird Zeit seines Lebens zu dieser Tochter eine besonders innige Beziehung haben. "Und dann standen wir auf einmal am Meer und schauten ganz benommen in die Ferne.'Das ist der Horizont', erklärte mein Vater. – 'Und was ist hinter dem Horizont?' fragte ich." Die Verzauberung, die das Kind Elisabeth erlebte, führt in den 1960er Jahren dazu, dass es sich mit ganzer Kraft der Erforschung der Ozeane zuwendet.

Das Buddenbrookhaus in Lübeck widmete "Medi", wie sie in ihrer Familie genannt wurde, eine umfassende Ausstellung, die nun durch die Republik reist. Im Juli und August ist sie in der Vertretung Schleswig-Holsteins in Berlin zu sehen. Sie zeigt eine hoch- und vielbegabte Frau, eine Kämpferin mit Idealen, dabei höchst politisch denkend. Für alle, die es nicht in die diese spannende Ausstellung schaffen, haben Holger Pils und Karolina Kühn zahlreiche Texte und Fotos daraus in "Elisabeth Mann Borgese und Das Drama der Meere" zusammengefasst.

Das im Mare-Verlag erschienene Buch ist ein beeindruckender Streifzug durch das Leben von Elisabeth Mann Borgese. Die Autoren folgen der Gliederung der Ausstellung und zeigen die beeindruckende Persönlichkeit in den Bereichen: Familie und Literatur, Politik und die Weltmeere sowie Persönliche und literarische Erinnerungen. Auf 260 Seiten schildern 21 Autoren, unter ihnen auch weltberühmte Autoren wie John Irving, welche Erinnerungen und Gedanken Mann Borgese mehr als zehn Jahre nach ihrem Tod in ihnen weckt. Selten sind sich Menschen in ihrer Begeisterung für einen anderen so einig gewesen. "Elisabeth war vollkommen unkonventionell, auf die vergnügteste und eleganteste Weise, die sich denken lässt", schreibt beispielsweise Kerstin Holzer über Mann Borgese.

Viel mehr als eine Mann-Tochter

Mit Talenten scheinbar überreich gesegnet, führt Mann Borgese zeitgleich und nacheinander mehrere Leben, die unterschiedlicher kaum sein können und sich dennoch immer wieder ergänzen. Als gelernte Konzertpianistin, die selbst ihren Hunden das Klavierspielen beibringt, Politologin und Professorin, Autorin düster-fantastischer Novellen, Mutter, Großmutter und engagierte Meeresschützerin. Dabei zeigt sie sich seltsam unbeeindruckt vom langen Schatten der Berühmtheit des Vaters.

Als sie das letzte überlebende Mann-Kind ist, das Auskuft geben kann, schickt sie sich drein, aber macht deutlich: "Ich habe mich immer gewehrt, mich über die Familie auszulassen. Oder gar einen Beruf daraus zu machen. So etwas war mir immer fremd." Die Liebe zu ihren Eltern war ebenso wie die komplexen Beziehungen zu ihren Geschwistern etwas, dass sie als gegeben hinnahm, ohne sich allzusehr darüber verrückt zu machen. Gleiches gilt auch für ihre Ehe mit Guiseppe Antonio Borgese.

Mann Borgese suchte sich lieber ihre eigenen Lebensthemen. Zunächst ist das die Musik, später die Gleichstellung der Frau, dann die Idee einer Weltbürgerschaft, bis sie sich schließlich der Rettung der Weltmeere zuwendet. Sie kümmerte sich schon um ökologisches Bewusstsein, Nachhaltigkeit und globale Verantwortung, als das noch kaum jemand auf der politischen Agenda hatte. Ihre Studenten im kanadischen Halifax nannten sie gleichermaßen liebe- wie respektvoll "Lady of the Oceans".

Die Welt vom Meer aus gesehen

Das Buch ist im Mare-Verlag erschienen und kostet 32,00 Euro.

Das Buch ist im Mare-Verlag erschienen und kostet 32,00 Euro.

Ihre Idee einer gerechten Nutzung der Meere basiert auf der tiefen Überzeugung, dass der Ozean das Eigentliche ist. Die Kontinente dagegen sind nur Inseln, "die auf dem Weltmeer treiben", schrieb sie 1998 ihrem Buch "Mit den Meeren leben". Darin betonte sie das Verbindende und Vereinigende des Ozeans und stellte die gerechte Verteilung der maritimen Ressourcen und den Schutz der Meere ins Zentrum ihrer Bemühungen. Der Meeresboden außerhalb der Territorialgewässer wurde nicht zuletzt dank ihrer Initiative zum gemeinsamen Erbe der Menschheit erklärt.

Sie selbst hat dazu gesagt, wenn man über die Meere arbeite, müsse man umdenken lernen. "In den Meeren sind alle Probleme sehr eng miteinander verbunden. Man kann sich nicht mit der Fischerei abgeben, ohne an die Ölförderung zu denken oder an den Tourismus oder an die Schifferei." In den Meeren fließe alles und gehe ineinander über.

So verstand Mann Borgese interdisziplinäres Arbeiten, das ist ihr Erbe, das Vermächtnis ihres engagierten Lebens im Dienst der Umwelt und der Internationalen Gemeinschaft. So vielseitig Elisabeth Mann Borgese war, so vielfältig ist dieses Buch. Es enthält ebenso Beiträge zur Familienbiografie der Manns, Aufsätze aus der Literaturwissenschaft, Rechtswissenschaft und Meeresforschung, sowie persönliche Erinnerungen, literarische Porträts und zahlreiche Fotos. Eine spannende Reise durch ein reiches Leben und eine wunderbare Gelegenheit, Zeit mit einer beeindruckenden Frau zu verbringen.

"Elisabeth Mann Borgese und Das Drama der Meere" bei Amazon bestellen.

Quelle: ntv.de

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