Neues aus der Anstalt "Größte Verbrechen aus Liebe begangen"
26.10.2016, 13:19 Uhr
Fitzeks neuer Triller spielt im Berliner Grunewald.
(Foto: picture alliance / dpa)
2006 veröffentlichte der Jurist und Ex-Hörfunk-Chefredakteur Sebastian Fitzek sein Debüt "Die Therapie". Zu den ersten Lesungen kamen 5 Leute, dann 15, später 50 - und irgendwann 500. Mittlerweile tritt der 45-Jährige in großen Hallen auf, begleitet von der Band Buffer Underrun. Seine Thriller ("Amokspiel", "Das Kind", "Der Seelenbrecher", "Passagier 23") verkauften sich mehr als sechs Millionen Mal, wurden in 20 Sprachen übersetzt, verfilmt und jüngst auf die Theaterbühne gebracht. In seinem neuen Buch "Das Paket" verlässt die vergewaltigte Psychiaterin Emma Stein aus Angst vor dem "Friseur", der sie in einem Hotelzimmer skalpierte, nicht mehr das Haus – bis der Postbote ein mysteriöses Paket für einen unbekannten Nachbarn bei ihr abgibt. Über die reale Vorgeschichte der Story und sein Faible für Psychologen-Figuren sprach n-tv.de mit dem Autor in Berlin.
n-tv.de: Psychiater und Therapien kommen bei Ihnen in fast jedem Buch vor. Warum?
Sebastian Fitzek: Wir Autoren suchen immer nach Geheimnissen und neuen Orten, die wir schildern können. Dem Menschen fehlt zum Beispiel der Einblick in die Tiefsee. Diese Tiefsee tragen wir auch in uns: die Psyche. Es gibt noch so viele Rätsel, die ans Übernatürliche grenzen – multiple Personen, Hypnose, Schlafwandeln. Oder Schlafen: Wir verlieren jeden Tag mehrere Stunden das Bewusstsein. Eine Fundgrube für Thriller-Autoren.
Recherchieren Sie viel im Umfeld von Psychologen?
Mein Bruder ist Neuroradiologe und Chefarzt in einer psychiatrischen Klinik, seine Frau ist Neurologin und Chefärztin dort. Da habe ich kurze Wege. Die Inspiration habe ich aber eher aus dem Alltag. Ich verfolge auch Kriminalfälle. Es gibt vieles, das einen nicht so schnell loslässt. Ich habe schon immer geschrieben, um etwas zu strukturieren.
Was verarbeiten Sie in "Das Paket"?
Ein Thema ist die Urangst, dass wir nicht mehr zwischen Realität und Fiktion unterscheiden können. Oder dass wir erkennen, dass das, was wir für Jahre als real wahrgenommen haben, falsch ist. Das andere Thema ist: Was passiert, wenn Liebe krankhaft wird? Die größten Verbrechen werden aus Liebe begangen, Kriege wurden geführt, weil Menschen Liebe in Form von Anerkennung wollten.
Können Sie sich in Verbrechen aus Liebe gut reinversetzen?
Likes auf Facebook, Umfragen für Politiker, Anerkennung vom Chef – was unser Tun bestimmt, ist häufig ein verzweifelter Schrei nach Liebe. Das ist etwas, was ich zumindest gut nachvollziehen kann. Mir geht es in meinen Büchern weniger um Blutzoll, sondern um die Sichtweise der Protagonisten. Wie reagieren Menschen unter Stress? Gewalt und Schicksal reißen die Maske herunter, die jeder von uns trägt.
Sie denken jahrelang über einen Roman nach. Hat Ihr neues Buch eine Vorgeschichte?
Auch bei mir wurde ein Paket für einen Nachbarn abgegeben. Ich wohne in einer kleinen Straße und denke, dass ich jeden dort kenne. Als mir der Name auf dem Paket nichts sagte, war ich in einer Geschichte: Ist das ein besonderes Paket, ein besonderer Nachbar? Dann geschahen ein paar merkwürdige Dinge: DHL informierte mich, jemand aus meinem Haus habe in meinem Namen ein Paket für mich angenommen. Und eine gute Freundin rief mich an, weil sie im Urlaub aus der Badewanne stieg und im Wasserdampf auf dem Spiegel "Help me" geschrieben sah. Da hatte ich meine Hauptfigur, der das auch passiert.
Der Hilferuf war aber ein doofer Witz?
Ja, das scheint ein verbreiteter Scherz in Hotels zu sein. Ich habe das bei Lesungen erzählt und später von Lesern Bilder geschickt bekommen - von einem Smiley oder einem Herz mit Fettfingern an den Spiegel gemalt, was im Wasserdampf sichtbar wurde.
Ab wann dürfen Ihre drei Kinder Ihre Bücher lesen?
Eine starre Altersgrenze würde ich nicht ziehen, aber ich glaube, dass es vor 14 Jahren wenig Sinn ergibt. Ich fürchte, dass sie dann sagen: Das haben die Leute mal für spannend gehalten? Unsere Kinder werden ganz anders mit Sex und Gewalt umgehen als wir früher – schon weil sie von den grauenhaftesten Gewaltdarstellungen immer nur einen Mausklick entfernt sind.
Die Lesungen Ihrer Jubiläumstour sind multimedial, mit eigenem Soundtrack und Bildern. Einfach nur lesen ist nichts für Sie?
Ich gehe zu einer Lesung, um den Autor kennenzulernen. Also erzähle ich auch Geschichten: von Menschen, die mich inspiriert haben, von skurrilen Erlebnissen. Vor allem in einer großen Halle finde ich es absurd, auf der Bühne zu sitzen und nur vorzulesen. Ich habe lange gebettelt, um zwei Fotos meiner Frau zeigen zu dürfen, die recht unvorteilhaft sind. Aber an denen ich wunderbar deutlich machen kann, dass das, was wir sehen und was wirklich ist, oft zwei völlig verschiedene Dinge sind: Ihr Handy wurde nach einer langen Nacht im Club geklaut. Ich konnte das Gerät tracken, aber die letzte Spur verlief sich im Treptower Park. Ich habe meine Frau fotografiert, wie sie weinend den Park durchsuchte. Hätte uns jemand gefilmt, hätte er auch denken können, er würde eine Ehekrise dokumentieren.
Mit Sebastian Fitzek sprach Nadine Emmerich.
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Quelle: ntv.de