Eine musikalische Revolution Jugendorchester Simon Bolivar
14.08.2008, 10:03 Uhr
Das Simon Bolivar Youth Orchestra bei einem Konzert in Caracas
Wenn weltweit dem Jugendorchester mit dem Namen des "libertador", des Befreiers, Simon Bolivar zugejubelt wird, denken die meisten wohl nicht daran, dass die Formation auf Initiative eines Mannes zustande kam, dem manch einer, so bei der "BBC Night Of The Proms", nicht uneingeschränkt Beifall zollen würde: Venezuelas Staatschef Hugo Chvez Fras.
Das Orchester vereint vorrangig Jugendliche, die aus armen und ärmsten Verhältnissen kommen und mit staatlicher Unterstützung eine musikalische Ausbildung erhalten. Es ist nicht das einzige seiner Art: Im "Sistema de Orquestas Juveniles de Venezuela?, der Organisation der Jugendorchester Venezuelas, existieren weitere Klangkörper dieser Art. Sicher: Damit sind die immensen Probleme des lateinamerikanischen Landes nicht gelöst. Aber das "Sistema" und namentlich das Orquesta Juvenil Simn Bolivar stehen symbolisch für den Versuch, Ausbeutung und Elend in Venezuela zu überwinden, jungen Menschen eine Perspektive zu geben.
Ein Orchester tobt sich aus
Nach den meisterhaften Einspielungen von Mahlers Fünfter Sinfonie sowie der Fünften und Sechsten von Beethoven liegt nun mit "Fiesta" eine Scheibe vor, auf der sich die Orchestermitglieder so richtig austoben können. Das ist durchaus wörtlich gemeint und gilt sowohl für die dargebotene Musik als auch für die Auftritte, an deren Ende die Mädchen und Jungen mit den Instrumenten über dem Kopf über die Bühne tanzen, hopsen, ihrer Freude in einer Weise Ausdruck geben, wie man sie von sinfonischen Orchestern bislang nicht kannte. Zu danken ist dies vor allem dem ? gleichfalls noch fast jugendlichen ? Dirigenten. Der Mittzwanziger Gustavo Dudamel versteht es, seine Liebe zur Musik auf die Orchestermitglieder zu übertragen. So etwas gibt es selten. Stardirigenten wie Claudio Abbado, Daniel Barenboim und Simon Rattle sind?s begeistert. Und auch vielleicht ein klein wenig neidisch.
"Fiesta" gestattet dem Nicht-Lateinamerikaner einen Blick in das beeindruckende Schaffen lateinamerikanischer Komponisten wie dem Venezolaner Inocente Carreo oder dem Argentinier Alberto Ginestera. Wenig bekannt sein hierzulande dürfte auch der 1950 im mexikanischen lamos geborene Arturo Mrquez , dessen "Danzn No. 2" einheimische und europäisch-klassische Elemente verbindet, dass es einem schier den Atem verschlägt. Dies gilt auch für den Mambo aus Leonard Bersteins unvergänglicher "West Side Story", dem letzten der insgesamt elf Titel auf der Scheibe. Der Altmeister hätte seine Freude an der Einspielung gehabt.
Ausweg aus Not und Elend
Bei Dudamels Mannschaft verliert das Wort von der "ernsten Musik" im positiven Sinne seine Bedeutung. Die Freude am Musizieren, das Glück, einen Ausweg gefunden zu haben aus Not und Elend, das Gefühl, vielleicht auch anderen mit seinem Spiel einen Ausweg zu weisen, all das macht das Besondere aus und unterscheidet das "orquesta juvenil" von anderen. Wenn Hugo Chvez seine "bolivarianische Revolution" auch noch nicht ganz geschafft hat, dem Orquesta Juvenil Simn Bolvar ist eine Revolution gelungen. Eine musikalische. Und das ist doch auch schon etwas.
Simn Bolvar Youth Orchestra of Venezuela, Dirigent Gustavo Dudamel: "Fiesta, CD, Deutsche Grammophon Universal
Quelle: ntv.de