Innenansichten des Krieges Post aus Afghanistan
24.04.2011, 07:16 Uhr
Jeden Tag schreiben Soldaten aus dem Feld.
(Foto: picture alliance / dpa)
Feldpostbriefe, das klingt nach muffigen Bündeln in den Nachttischschubladen unserer Großmütter. Doch längst verschicken deutsche Soldaten wieder Post aus dem Feld, nur dass sie inzwischen auch per Email und SMS kommen. Jeden Monat transportiert die Feldpost 130.000 Briefe. Einige Reporter der Süddeutschen Zeitung waren der Ansicht, dass es gut sein könnte, diese Briefe zu lesen, um mehr von dem zu erfahren, was die Soldatinnen und Soldaten erleben, wenn sie für Deutschland in der Welt im Einsatz sind. Die Bundeswehr unterstützte das Projekt zunächst, kam dann allerdings zu der Einschätzung, dass so viel Offenheit vielleicht doch des Guten zuviel ist. Sie tat alles, um das Projekt zu verhindern.
Was aber bewegt die Soldaten, was schreiben sie nach Hause? Wie sehen sie ihren Einsatz, was bereitet ihnen Sorgen? Die Fragen ließen die Reporter nicht mehr los. Sie sammelten Briefe, die auf ganz verschiedenen Wegen zu ihnen kamen. Daraus entstanden ist das Buch "Feldpost. Briefe deutscher Soldaten aus Afghanistan".
In den Briefen schildern Oberstleutnants, Hauptgefreite, Hauptfeldwebel, Oberstabsgefreite und Hauptmänner schreckliche Anschläge, quälende Langeweile, und gefährliche Einsätze. "Eine Detonation erschüttert die fragliche Stille im Headquarter Kabul. Nur 500 Meter entfernt eine gewaltige Explosion. Im Deckungsbunker lackiert sich eine US-Journalistin die Fingernägel. Dann gibt es eine Schweigeminute für gefallene Amerikaner."
Sie beschreiben die Menschen, denen sie beistehen sollen, berichten von Wut, Angst, Zweifeln und Sehnsucht. "Dies ist mein erster Brief und wird wohl auf lange Zeit auch der einzige bleiben, ich bin hier ziemlich gelähmt. Ich frage mich tatsächlich, ob ich dieses Abenteuer wirklich brauche."
Und sie erzählen davon, was sie von den deutschen Politikern halten, die sie in den Krieg in Afghanistan geschickt haben. "Was den Angriff auf die Tanklaster angeht: In Deutschland ist die Lage ziemlich seltsam, wie ich finde, die Politiker waschen ihre Weste rein und schieben die Schuld dem armen Oberst Klein zu. Ohne deren Mandat wären wir nicht hier und Oberst Klein hätten nicht so eine Entscheidung treffen müssen. So stehen wir Soldaten als schießgeile Rambos da, und unser Ansehen leidet in Deutschland noch mehr. Das ist übrigens auch ein Grund für mich, die Bundeswehr zu verlassen - mir fehlt einfach der Rückhalt für unseren Beruf in der Gesellschaft."
Gelegentlich zeigt der Krieg seine hässliche Fratze und wirft jeden Einzelnen auf sich selbst zurück. "Tot. Das Unerwartete ist geschehen, bisher ging doch immer alles gut. In meinem und sicher nicht nur in meinem Bauch breitet sich eine lähmende Leere aus."
Die Herausgeber haben viele Namen geändert, weil die Bundeswehr in Rundmails verboten hatte, Briefe für das Projekt zur Verfügung zu stellen. Aber die Briefe sind echt. Die Herausgeber bewerten nichts, erklären lediglich militärische Begriffe und die parallel getroffenen politischen Entscheidungen. Daraus entsteht eine Collage, die beim Lesen eine eindringliche Kraft entfaltet. Und hinter den kurzen Auszügen werden die Menschen sichtbar, die Deutschland in die "kriegsähnlichen Zustände" nach Afghanistan entsandt hat. Was das wirklich bedeutet, hat man selten klarer gelesen.
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Quelle: ntv.de