Heilpflanze, Gewürz und Gemüse Ein Kraut fürs ganze Leben
28.02.2015, 08:39 Uhr
Am Mittelmeer wie hier in der Türkei wächst Fenchel auch wild.
(Foto: imago stock&people)
Die heilige Hildegard ist des Lobes voll: "Wie auch immer er gegessen wird, macht er den Menschen fröhlich und vermittelt ihm angenehme Wärme und guten Schweiß und eine gute Verdauung."
Wir werden mit Fenchel erwachsen: Als wir Babys waren, bekämpften unsere Mütter unser Bauchweh mit Fencheltee, später lutschten wir Bonbons oder tranken Likör mit den gleichen Bestandteilen, liebten Fenchel als gratiniertes Gemüse, füllten damit Fische oder würzten mit den Samen unser Brot. Oder wir hassten ihn, weil wir schon damals den Kinderberuhigungstee nicht mochten. Man muss ihn schon lieben, den anisähnlichen Duft und Geschmack des Fenchels!
Auch wer nicht gerade ein Fenchel-Fan ist (so wie ich), muss anerkennen, dass das Gewürz den Wohlgeschmack mancher Speisen hebt. Italienische Fenchel-Salami zum Beispiel ist ausgesprochen lecker (finde sogar ich) und mit Fenchel marinierte Oliven schmecken sehr delikat. Das wussten schon die Römer im 1. Jahrhundert. "Beim Einmachen der Oliven dient Fenchelsamen als Gewürz", schrieb Lucius Columella in einem seiner landwirtschaftlichen Bücher. Aber nicht nur dazu: Schon damals wurde wilder Fenchel sehr gern in der römischen Küche verwendet. Das tun die heutigen Italiener ebenso gerne, denn bis heute ist wilder Fenchel eine Hauptzutat für die sizilianische "Pasta con le sarde" (Nudeln mit Sardinen).
Schon in Mesopotamien, wo sich 3000 v. Chr. zwischen Euphrat und Tigris die erste Hochkultur der Menschheitsgeschichte entwickelte, stand Fenchel hoch im Kurs. Der älteste erhaltene Text menschlicher Heilkunst - in eine Tontafel geritzte Gewürzrezepturen - gibt Auskunft unter anderem darüber, dass Lungenentzündungen mit heißen Fenchelumschlägen behandelt wurden. Doch auch kultivierter Fenchel hat in der Mittelmeerregion eine lange Geschichte. Während er von den Ägyptern ebenso wie von den Mesopotamiern noch in seiner Urform und zu Heilzwecken genutzt wurde, begannen bereits die antiken Römer und Griechen, Fenchel zu kultivieren. Die Griechen waren der Meinung, Fenchel verleihe den olympischen Kämpfern Kraft und Mut und müsse deshalb immer stets zur Hand sein. Die Römer entwickelten sogar durch züchterische Auslese verschiedene Varietäten.
Ein Wunder der Vielfalt
Fenchel kann zwar vieles, aber natürlich nicht alles. Antike Römer und Griechen kauten Fenchelsamen zur Vorbeugung von Fettleibigkeit, vermutlich ein sinnloses Unterfangen. Es sei denn, man verzichtete gleichzeitig auf die Völlerei... Doch ein bisschen Wahrheit ist wohl dran, denn Fenchelsamen wirken tatsächlich verdauungsfördernd. So kaut man heute noch in Indien geröstete Fenchelsaat nach dem Essen, um die Verdauung anzutreiben, und in Italien wird gerne am Ende eines Menüs aus demselben Grund roher Fenchel geknabbert. Willkommener Nebeneffekt in beiden Fällen: Schlechter Atem wird ebenfalls besser.
Die guten Eigenschaften des Fenchels gerieten nicht in Vergessenheit. Ähnlich wie das Mantra der alten Ägypter "Wirksam ist der Zauber zusammen mit dem Heilmittel; wirksam ist das Heilmittel zusammen mit dem Zauber", musste auch im Mittelalter ein bisschen Magie helfen, damit die "übernatürlichen" Kräfte des Fenchels so richtig wirken und mit der Krankheit vor allem die daran schuldigen bösen Geister vertrieben werden konnten.
Die deutsche Äbtissin und Heilerin Hildegard von Bingen schrieb in ihrem Kräuterbuch über die geschätzte Wirkung von Fenchel: "Wie auch immer er gegessen wird, macht er den Menschen fröhlich und vermittelt ihm angenehme Wärme und guten Schweiß und eine gute Verdauung." Auch der Apotheker Tabernaemontanus beschreibt in seinem Kräuterbuch den Fenchel und widmet ihm immerhin über 14 Seiten: "Der gemeine Mann brauchet den Fenchelsamen wie er gewachsen ist/ aber den reichen Leuthen muss man den mit Zucker uberziehen/ damit er desto besser und lieblicher werde/ den nennen sie Fenchelzucker oder Fenchelconfect." Noch heute sind Fenchelbonbons oder Fenchelhonig und -sirup, oft in Kombination mit Anis und Kümmel, die eine ähnliche Wirkung haben wie Fenchel, recht beliebt und probate Mittel bei Erkältungen, denn auch in den Bronchien entfaltet Fenchelöl seine Wirkung. Bei trockenem Husten hilft es, den zähen Schleim zu verdünnen. Zusätzlich steigert es die Bewegung der Flimmerhärchen in den Atemwegen. So kann der Schleim besser abgehustet werden. Bei Sängern gilt Honig, der mit Fenchel versetzt ist, als Geheimtipp gegen Heiserkeit.
Unser erster Tee
Fenchel begleitet uns unser Leben lang, und zwar vom ersten Tag an. Trinken stillende Mütter Fencheltee, schlagen sie zwei Fliegen mit einer Klappe: Einerseits regen sie damit die Milchbildung an, andererseits wirken sich Bestandteile des Fencheltees, die über die Muttermilch aufgenommen werden, beruhigend auf die Verdauung des Säuglings aus. Schon seit dem altgriechischen Arzt Hippokrates, der vor mehr als 2000 Jahren lebte, empfehlen naturheilkundige Ärzte stillenden Müttern Fencheltee. Allerdings nur 1 Tasse pro Tag, denn auch hier ist allzu viel ungesund. Zu große Mengen des ätherischen Fenchel-Öls können nämlich die Heilwirkung umkehren: Sie könnten Bauchkrämpfe verursachen und das Nervensystem stören. Deshalb verabreicht man Babys und Kleinkindern zur Beruhigung lieber "dünnen" Fencheltee.
Richtig dosiert aber lindern die ätherischen Öle in den Samen tatsächlich Blähungen und Koliken. Besonders reich sind die Samen an Anethol, es bewirkt den anisartigen Duft und Geschmack des Fenchels (befindet sich auch in Anis). Anethol steigert die Bewegung der Muskulatur in Magen und Darm und wirkt zusätzlich krampflösend. Beides zusammen hilft bei Völlegefühl, Blähungen und krampfartigen Bauchbeschwerden. Es regt außerdem den Appetit an und fördert die Verdauung. Schon Sebastian Kneipp wusste Bauchschmerzen mit Fenchel zu vertreiben. Er empfahl, 1 Esslöffel Fenchelsamen mit 150 Milliliter Milch aufzukochen und möglichst heiß in kleinen Schlucken zu trinken.
Das Fenchon im Fenchel dagegen schmeckt bitter und kampferartig. Diesem ätherischen Öl wird eine entzündungshemmende Wirkung zugeschrieben, so dass Fenchel auch dazu beitragen kann, Bakterien und Pilze im Wachstum zu hindern.
Verwendung als Gemüse und Gewürz
Als Gemüse hat sich Fenchel hierzulande erst seit einigen Jahren durchgesetzt. In der italienischen Küche ist "Finocchio" schon seit Jahrhunderten unverzichtbarer Bestandteil. Er wird roh gegessen, gedünstet, gekocht, frittiert oder geschmort. Mit Fisch und Meeresfrüchten geht frischer Fenchel, auch die zarten Blätter, eine besondere Liaison ein; er passt aber auch zu Kartoffeln und Bohnen, Lauch, Linsen und Gurken, zu Schweinefleisch, Lamm oder Kaninchen. Fenchelknollen sind ein knackiges Gemüse, das ein unverwechselbares Eigenaroma hat, dennoch mild schmeckt. Fenchel enthält die Vitamin-A-Vorstufe Betacarotin sowie Folsäure, Vitamin C, Kalium, Kalzium und Magnesium und ist mit 12 kcal/100 g eine sehr energiearme Salatzutat. Leider weist der Kulturfenchel, den wir im Supermarkt zu kaufen bekommen, oft hohe Nitratrückstände auf. Das kann vor allem Kindern gefährlich werden.
Der Fenchel in unseren Supermärkten stammt zumeist aus dem Mittelmeerraum. Die Knollen sollten fest und von weiß-grünlicher Farbe sein. Braune Außenblätter und ein holziger Anschnitt sind Indizien für zu lange Lagerung. Im Kühlschrank hält er sich bis zu zwei Wochen. Bei der Verarbeitung wird nach dem gründlichen Waschen der Boden abgeschnitten und der Strunk keilförmig herausgeschnitten, am besten mit einem scharfen Messer, da die Fenchelfasern ziemlich widerspenstig sind. Die äußere Blattschicht wird entfernt. Die Stiele werden bis auf etwa 2 Zentimeter weggeschnitten; das Grün nicht wegwerfen, es wird zum Schluss gehackt über das Gericht gestreut oder zur Dekoration verwendet. Die Knollen werden meistens geviertelt und dann weiterverarbeitet.
Nicht nur zu Heilzwecken als Tee aufgebrüht entfaltet Fenchel seine Wirkung. Fenchelsamen wird auch hierzulande zum Würzen von Brot oder Fleisch- und Wurstwaren verwendet, in manchen Gegenden ist das durchaus üblich. Gut machen sich die Samen auch beim Einlegen von Gurken und bei der Sauerkrautherstellung. Die süßliche Note kommt so richtig zur Geltung, wenn die Samen ohne Fettzugabe in einer Pfanne geröstet werden. Am besten ist es auch, die Samen kurz vor der Verwendung leicht zu quetschen, so können sich die ätherischen Öle viel besser entfalten. Falls es in dem Gewürzregal Ihres Supermarkts keinen Fenchel zu kaufen gibt: Apotheken haben ihn immer. Nicht verwendete Fenchelsamen sollten lichtgeschützt, kühl und trocken aufbewahrt werden. So hält sich das Aroma bis zu 2 Jahre.
Fenchel-Krustenbraten à la Italia
ca. 1,5 kg Schweinebraten (Schulter) mit Schwarte, ohne Knochen
2 EL Fenchelsamen
2 TL schwarze Pfefferkörner
3 TL Meersalz (gehäuft)
2 Lorbeerblätter
4 Knoblauchzehen
2 frische Zweige Rosmarin
1 Biozitrone
1 große Zwiebel
1 Möhre
400 ml trockener Weißwein
400 ml Brühe oder Fond (Glas)
Olivenöl
Zubereitung:
Die Schale der unbehandelten Zitrone abreiben. Fenchelsamen und 1 TL Pfefferkörner trocken in einer Pfanne kurz rösten, dann gemeinsam mörsern. Zum Schluss 2 TL Meersalzflocken hinzufügen und nochmals alles zerstoßen. Mit dem Zitronenabrieb vermengen. Beim gesäuberten Bratenstück die Schwarte im Abstand von 5 mm quer einschneiden. (In diesen Einschnitten wird der fertige Braten in Scheiben geschnitten.) Das Fleischstück mit der Gewürzmischung kräftig einreiben, dabei die Gewürze gut in die Einschnitte einbringen, nicht so sehr auf die Schwarte selbst. Mit Haushaltsfolie dicht einwickeln und über Nacht im Kühlschrank ziehen lassen.
Am nächsten Tag Knoblauch schälen und grob hacken. Die gesäuberte Möhre in 4 bis 6 Stücke teilen. Zwiebel pellen und vierteln. Das Bratenstück von der Folie befreien und evtl. Gewürzrückstände von der Schwartenoberseite abwischen. Dann die Schwarte mit dem restlichen 1 TL Meersalz gut einreiben.
Den Herd auf 240 Grad vorheizen. Etwas Olivenöl in einer Bratpfanne erhitzen und das Bratenstück auf der Fleischunterseite und gegebenenfalls auf den Seiten, aber nicht auf der Schwartenseite, gut anbraten. Die Hitze auf 180 Grad reduzieren. Möhren- und Zwiebelstücke zugeben und noch etwas weiterbräunen. Mit dem Weißwein ablöschen, dabei aber nicht die Schwarte begießen. Nun die restlichen Gewürze - 1 TL Pfefferkörner, Knoblauch, Lorbeer und Rosmarinzweige - in die Flüssigkeit geben. Wenn die Flüssigkeit wieder siedet, die Temperatur weiter auf etwa 150 Grad reduzieren und alles im Herd (ohne Deckel) etwa 1,5 Stunden sanft braten lassen. Dabei nach und nach von der Brühe bzw. dem Fond zugeben, erneut nicht über das Fleisch gießen.
Am Ende der Bratzeit das Fleisch aus der Pfanne nehmen und warmgestellt mindestens 10 Minuten ruhen lassen. Für die Soße Bratenrückstände in der Pfanne ablösen, den Fond durch ein Sieb in einen Topf geben, aufkochen und auf kleiner Flamme reduzieren. Mit etwas Zitronensaft (oder nochmals Weißwein) und, falls nötig, erneut mit Salz und gemahlenem Pfeffer abschmecken. Bei Bedarf binden.
Dazu schmecken Salzkartoffeln oder Kartoffelpüree und als Gemüsebeilage natürlich Fenchel. Dazu die vorbereiteten und geviertelten Fenchelknollen blanchieren, gut abtropfen lassen, in eine Auflaufform legen, großzügig mit Butterflöckchen und Parmesan (frisch gerieben!) bestreuen und goldbraun überbacken.
Tipp: Kaufen Sie das Fleischstück ruhig etwas größer ein. Der Braten schmeckt nämlich auch als kalter Aufschnitt vorzüglich.
Viel Erfolg wünscht Ihnen Heidi Driesner.
Quelle: ntv.de