Kino

Anders - aber schön "Das Löwenmädchen" kämpft sich frei

Eva weiß: "Beim Reisen scheint alle Last abzufallen, und man wird zu dem, der man sein könnte."

Eva weiß: "Beim Reisen scheint alle Last abzufallen, und man wird zu dem, der man sein könnte."

(Foto: STILLS PHOTOGRAPHER _TOM TRAMBOW)

Ein kleiner feiner Film kommt da aus dem hohen Norden in die deutschen Kinos. Erzählt wird die Geschichte von Eva, einem Mädchen, das anders ist als die anderen und das dennoch alles schafft, was es sich vorgenommen hat.

Winnie Harlow - inzwischen selbstbewusst und erfolgreich.

Winnie Harlow - inzwischen selbstbewusst und erfolgreich.

Stark wie ein Löwe - diese Eigenschaft adelt eine Person. Behaart wie ein Löwe - diese Eigenschaft kann einer Person das Leben zur Hölle machen. Vor allem wahrscheinlich, wenn es ein Mädchen ist. Dabei dürfte die Epoche - am Anfang des 20. Jahrhunderts -, in der "Das Löwenmädchen" spielt, fast egal sein. Denn heutzutage wird mit "Andersartigkeit" zwar besser umgegangen, aber den Freak-Stempel kriegen die Betroffenen sicher dennoch von unzähligen Seiten aufgedrückt. Heute ist es gut individuell zu sein, das ist richtig, und manchmal macht man damit sogar Karriere. Wie das Model Chantelle Brown-Young, besser bekannt unter dem Namen Winnie Harlow.

Sie hatte sich vor ein paar Jahren bei "America's Top Model" angemeldet, um zu beweisen, dass auch Menschen mit der Hautkrankheit Vitiligo, die großflächige Pigmentstörungen zur Folge hat, ihr Träume verwirklichen können. Winnie hat seitdem mit ihren zwei Hautfarben sehr viele Jobs an Land gezogen. Hoffentlich ist das nicht nur ein kurzlebiger Hype, ein Hingucker, damit der Fokus auf die Klamotten, den Nagellack, das Parfum fällt, das das Model gerade trägt. Denn Winnie hat eine harte Geschichte hinter sich, und selbst Models, die dem gängigen Schönheitsideal entsprechen, werden oft schnell wieder aussortiert.

Da macht Eva Arctander es nachhaltig sicher besser: Sie ist ein Mathematik-Genie, wie sich herausstellt, und statt mit einem Kuriositätenkabinett durch die Lande zu tingeln und begafft zu werden, will sie dann doch lieber studieren. Aber von vorne: In einer kleinen Provinzstadt in Norwegen kommt im Winter 1912 ein Mädchen zur Welt, dessen ganzer Körper von feinen blonden Härchen bedeckt ist. Für die damalige Wissenschaft ein kurioser, interessanter Fall.

Werden bald Eltern: Der Bahnhofsvorsteher und seine junge schöne Frau.

Werden bald Eltern: Der Bahnhofsvorsteher und seine junge schöne Frau.

Evas Mutter stirbt bei der Geburt und ihr Vater, der Stationsmeister Arctander, will zunächst nichts von seiner Tochter wissen. Doch die kleine Eva wächst heran. Abgeschottet und versteckt vor der Neugier der Außenwelt, erschafft sie sich ihre eigene Welt, bis sie eines Tages den Mut findet, der Enge ihres Lebens zu entfliehen. Der schwedische Schauspieler Rolf Lassgård spielt den wortkargen und in sich gekehrten Stationsmeister Gustav Arctander.

Schönheit hat viele Facetten

Anders sein - nicht so einfach.

Anders sein - nicht so einfach.

Ken Duken spielt Andrej  Bòr, den "Echsenmann", der wie Eva ebenfalls an einem genetischen Defekt leidet. Durch ihn lernt Eva Johannes Joachim, gespielt von Burghart Klaußner, kennen. Der extravagante Direktor tingelt mit einem "menschlichen Kuriositätenkabinett" durch Europa und wird Evas Leben - unbeabsichtigt - eine völlig neue Richtung geben. Denn durch ihre Arbeit in seinem "Zirkus" spart sie genug Geld, um sich ihre eigenen Träume zu verwirklichen.

Nicht minder wichtig für die junge Eva ist eine Begegnung mit einer gewissen, wunderschönen Mrs. Grjothornet, gespielt von der dänischen Schauspielerin Connie Nielsen - einer Frau von Welt, die sich zwar selbst dem Diktat des Schönheitswahns unterwirft, aber Eva lehrt, dass Schönheit viele Facetten haben kann.

Haare Haare Haare

Alles für die Schönheit?

Alles für die Schönheit?

Eva Arctander wird dargestellt von Aurora Lindseth Løkka (als 7-Jährige), Mathilde Thomine Storm (als 14-Jährige) und Ida Ursin-Holm (als junge Frau). Alle drei sind äußerst beeindruckend und lassen den Zuschauer fühlen, wie sich das kleine Mädchen, das junge Mädchen und die Frau fühlen muss, die auf viel Ablehnung, auf fasziniertes Staunen, aber auch auf Liebe und Mitgefühl stößt.

Denn mit den Haaren verhält es sich ähnlich wie mit der Haut: An der richtigen Stelle sollen es viele Haare sein, an anderen gar keine. An manchen Stellen wartet "Das Löwenmädchen" mit ein bisschen zu vielen Klischees auf (älterer Mann liebt junge Frau, junge Frau stirbt bei Geburt, Vater lehnt Kind ab, der Journalist ist ein Schmierfink, die Kinder sind überwiegend grausam der gleichaltrigen Eva gegenüber, der Wissenschaftler tatscht sein "Objekt der Begierde" völlig unwissenschaftlich an), ansonsten ist der Film aber einer von der ganz feinen Sorte. Über die Maske braucht man gar nicht zu reden - fantastisch, wie Eva mit Haaren übersät wird.

Hart zu beobachten ist, dass Eva an sich ein durch und durch selbstbewusstes Mädchen ist, das weiß, was es kann - ihre "Makel" und "Unzulänglichkeiten" werden ihr allein von der Umwelt aufgedrückt.

Basierend auf dem gleichnamigen Erfolgsroman des norwegischen Autors Erik Fosnes Hansen erzählt "Das Löwenmächen" eine Geschichte, die allen Mut macht, die sich nicht passend fühlen. Als Eva die Lilliputanerin im Kuriositätenkabinett fragt: "Wann gewöhnt man sich daran?" antwortet diese: "Man gewöhnt sich nie daran." Aber man kann lernen, damit zu leben.

"Das Löwenmächen" läuft in den deutschen Kinos

Quelle: ntv.de

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