Kino

Nowitzki - Filmstar wider Willen Der verrückte Professor und seine Schöpfung

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Wie dreht man einen Dokumentarfilm über einen Helden, der keiner sein will? "Der perfekte Wurf" kommt dem Weltstar Dirk Nowitzki trotz schöner Einblicke in sein Leben nicht wirklich näher. Eine besondere Geschichte erzählt der Film trotzdem.

Wenn es nach Altkanzler Helmut Schmidt geht, sollte Dirk Nowitzki nochmal etwas Ordentliches machen. "Sie sollten vielleicht anfangen zu studieren." Das ist der Rat, den der 95-Jährige diesem netten jungen Mann neben ihm gibt. Helmut Schmidt hat keinen blassen Schimmer, dass er gerade mit einem der größten deutschen Sportler redet. Mit einem wie Max Schmeling, Franz Beckenbauer, Steffi Graf, Michael Schumacher. Helmut Schmidt ahnt auch nicht, dass dieser 2,13-Meter-Riese mit den wuscheligen blonden Haaren nicht nur sehr viel gewonnen, sondern auch Hunderte Millionen Dollar verdient hat.

Diese Szene aus "Nowitzki - Der perfekte Wurf" sagt viel darüber aus, wie die deutsche Öffentlichkeit den Basketball-Superstar wahrnimmt: Nämlich kaum. Der Film, der heute in den deutschen Kinos anläuft, will das ändern. Dass es gelingt, muss allerdings bezweifelt werden - das ist aber nicht die Schuld des Films. Auch wenn Regisseur Sebastian Dehnhardt eine gute Chance vergibt. Dem bis zur Geheimniskrämerei verschlossenen Nowitzki wirklich nahezukommen, das war ohnehin ein vergebliches Unterfangen. Aber "Der perfekte Wurf" verpasst es vor allem, Nicht-Basketballfans verständlich zu machen, wie revolutionär Nowitzki für diese Sportart war und immer noch ist.

Keine Skandale, keine Aufmerksamkeit

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(Foto: NFP Broadview)

Helmut Schmidt zum Beispiel müsste man das auch noch einmal erklären. Die Reaktion des Basketball-Weltstars auf den gutgemeinten Rat des Altkanzlers sagt viel über den Menschen Nowitzki: Er bringt es nicht über das Herz, Schmidt darüber aufzuklären, wen er vor sich hat. Stattdessen behilft er sich mit einer kleinen Notlüge: "Ja, BWL vielleicht." Und lächelt nett. Das ist sein Ruf, den er im Laufe der Jahre nicht kultiviert, sondern einfach bei jeder sich bietenden Gelegenheit bestätigt hat. "Dirk ist der Typ von nebenan", sagt eine, die es wissen muss - die Sekretärin der Dallas Mavericks. "Und jeder meint, ihn zu kennen." Das aber tun nur wenige wirklich. Denn Nowitzki ist ein sehr privater Mann.

Sein Leben hält er seit dem Beginn seiner Karriere aus den Klatschspalten heraus. Einige Bilder, die "Der perfekte Wurf" bietet, muten deswegen schon fast sensationell an. Die Zuschauer sehen Nowitzki im Urlaub, bei einer Halloween-Party - als Martina Navratilova verkleidet - und bei seiner Hochzeit mit Jessica Olsson. Der Preis für die Diskretion: Obwohl er einer der wenigen deutschen Weltstars ist, verfolgen hierzulande fast nur Sportfans die Karriere des langen Blonden aufmerksam.

Der Schlaks und der verrückte Professor

Was sie für eine sagenhafte Geschichte hinter dem Erfolg Nowitzkis steckt, zeichnet der Film mit einigen Archivaufnahmen, alten Fotos und Interviews mit Weggefährten nach. Aufgewachsen in Würzburg als Sohn eines Handballers und einer Basketballerin, schießt er bereits in jungen Jahren in die Höhe. Zunächst spielt er auch noch Tennis und Handball, entscheidet sich aber zum Leidwesen seines Vaters für das Spiel mit dem orangenen Leder.

Der Höhepunkt einer langen Reise: Nowitzki präsentiert die NBA-Meistertrophäe.

Der Höhepunkt einer langen Reise: Nowitzki präsentiert die NBA-Meistertrophäe.

(Foto: NFP Broadview)

1995 entdeckt ein ehemaliger Nationalspieler zufällig einen dürren Schlaks, der offensichtlich keine Ausbildung hatte, aber auf dem Parkett vieles instinktiv richtig machte. Holger Geschwindner fragte Nowitzki, wer ihn trainiere. "Niemand", sagte der damals 16-Jährige. Der Beginn einer der bemerkenswertesten Schüler-Lehrmeister-Beziehungen in der Sportgeschichte. Geschwindner, ein studierter Physiker und Freigeist, ließ Nowitzki zu Jazz dribbeln und tüftelte mit mathematischen Berechnungen am richtigen Winkel für die Arme, am perfekten Wurf.

Als "mad scientist", als "verrückten Professor", bezeichnen zwei ehemalige Teamkameraden Nowitzkis den Mentor. Dabei beruht sein wichtigster Kniff auf einer rationalen Überlegung: "Wenn er in die NBA will, muss er etwas können, was die NBA von ihm will", erinnert sich Geschwindner im Film. "Und es gab keinen, der 2,10 Meter groß war und werfen konnte." Man muss das begreifen, um ermessen zu können, welchen Einfluss Nowitzki und Geschwindner auf den Basketball hatten. Bevor der Deutsche in die NBA kam, wurden Spieler seiner Größe ganz vorne geparkt, wo sie mit dem Rücken zum Gegner versuchten, möglichst nah an den Korb heranzukommen. Nowitzki kann von der Dreierlinie schießen, in jungen Jahren konnte er auch noch schnell mit dem Gesicht nach vorn zum Korb ziehen. Es veränderte das Spiel, es machte das Feld breiter. Es war: eine Revolution. Heute müssen alle Spieler auf Nowitzkis Position das können, was er kann.

Das alles erfährt der Zuschauer leider nur aus den Erzählungen der Weggefährten. Das ist die große Schwäche des Films. Denn woher sollen das deutsche Publikum auch wissen, wie gut Nowitzki wirklich war und ist? Die NBA wird hierzulande nicht mehr im Fernsehen übertragen, nur Nerds verfolgen sie im Netz. Aber: Auch im Nationalteam hat Nowitzki große Erfolge gefeiert, was "Der perfekte Wurf" fast komplett ausblendet. Es fehlt Platz drei bei der Weltmeisterschaft 2002, es fehlt die Qualifikation für Olympia 2008 in Peking, wo Nowitzki die deutsche Fahne trug - und es fehlt Belgrad. Am 25. September 2005 steht das DBB-Team nach einem überragenden Turnier im Finale der EM. Doch gegen Griechenland findet das deutsche Team keine Mittel. Trainer Dirk Bauermann wechselt seinen Superstar vorzeitig aus - und 18.000 Zuschauer in der Belgrader Arena erheben sich und feiern Nowitzki, der nach dem Spiel die Trophäe für den besten Spieler des Turniers entgegennimmt.

Reden ist Silber

Ihm selbst war die Auszeichnung wahrscheinlich unangenehm. "Öffentliche Ehrungen sind mir eher peinlich", sagt er im Film, und man nimmt es ihm ab. Leider sagt er aber generell ziemlich wenig in "Der perfekte Wurf". Es dauert 12 Minuten, bis er das erste Mal länger spricht. Dann allerdings Bände: Auf seine legendäre Arbeitsmoral angesprochen, redet Nowitzki nicht über sich - er lobt seinen Konkurrenten Kobe Bryant für dessen besessene Trainingsarbeit.

Als es um die beiden einzigen Skandale geht, die je mit dem Namen Nowitzki verbunden sind, hält dieser sich sehr bedeckt. 2005 wurde sein Mentor festgenommen, der Vorwurf lautete auf Steuerhinterziehung. Der Film lässt es dem nett lächelnden Geschwindner als Schusseligkeit durchgehen, das Hofer Amtsgericht entschied 2006 dagegen auf vorsätzliche Steuerhinterziehung von drei Millionen Euro, und verurteilte ihn zu einem Jahr Haft auf Bewährung. Nowitzki sagt, er habe Geschwindner damals nicht hängenlassen, in einer der albernen Animations-Sequenzen legt ein Comic-Dirk ein paar Scheine auf eine Waage und katapultiert Comic-Holger damit aus dem Gefängnis. In Wahrheit legte Nowitzki 15 Millionen Euro Kaution auf den Tisch. Das wäre schon eine Nachfrage wert gewesen.

Im Mai 2009 wurde Nowitzkis damalige Verlobte Cristal Taylor in seiner Villa verhaftet. Sie wurde mit Haftbefehl gesucht, wegen Betrugs und Dokumentenfälschung. Eine Heiratsschwindlerin. In "Der perfekte Wurf" sagt er dazu nichts, es gibt nur ein vages Statement aus Archivmaterial. In diesen Momenten fragt man sich regelrecht, weshalb er bei "Der perfekte Wurf" überhaupt mitgemacht hat. "Ich find' es schon Wahnsinn", sinniert Nowitzki am Schluss. "Ich kann relativ gut einen Ball in einen Korb werfen, weil ich 2,80 Meter groß bin. Ich find es auch noch surreal, dass Leute von mir Autogramme wollen." Jetzt hat er sogar einen eigenen Film.

Quelle: ntv.de

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