Kino

Die Revolution hat jetzt Kinder Robert Redfords "The Company You Keep"

Jim Grant (Redford) - das ist nur ein Tarnname.

Jim Grant (Redford) - das ist nur ein Tarnname.

(Foto: dpa)

Die Bürger werden totalüberwacht - aber die Aufregung darüber hält sich in Grenzen. Wo bleibt der Aufschrei, wo die Massenproteste? War das in den 60er-Jahren nicht ganz anders? Robert Redford, das linke Gewissen Amerikas, hat darüber einen Film gemacht. Er fühlt sich wie ein Vermächtnis an.

Robert Redford hat sich rar gemacht. Nur sechs Mal stand er im neuen Jahrtausend vor der Kamera, viermal führte er Regie. Verwunderlich ist das nicht, schließlich ist Redford - man mag es kaum glauben - 76 Jahre alt. Ohnehin hat er sich schon vor Jahren zurückgezogen, die Hollywood-Schickeria war ja noch nie seine Bühne. Stattdessen fördert er als Gründer des Sundance Institute und als langjähriger Chef des gleichnamigen Filmfestivals junge Talente und engagiert sich für Politik und Umweltschutz - er gilt als linksliberale Stimme der USA.

Shia LaBeouf spielt den Journalisten Ben Shepard.

Shia LaBeouf spielt den Journalisten Ben Shepard.

(Foto: Concorde Film)

Dieser politische Aspekt zieht sich durch Redfords gesamtes Werk, sei es als "Bill McKay - Der Kandidat", als verfolgter CIA-Agent in "Die drei Tage des Condor", vor allem aber als Reporter in der Watergate-Affäre in "Die Unbestechlichen". Zuletzt hat sich Redfords Blick auf die Politik jedoch gewandelt. Er ist nicht mehr der Akteur im Zentrum der Handlung, sondern nimmt vielmehr die Rolle eines Beraters ein, jemand, der eine neue Generation auf ihre gesellschaftliche Verantwortung hinweist. Das hat er zuletzt in seiner Regiearbeit "Von Löwen und Lämmern" gezeigt, in der es um den Krieg in Afghanistan, die zynischen Parolen der Politik und die Instrumentalisierung der Medien geht. Redford spielt hier einen Professor, der einen Studenten davon überzeugen will, sich politisch zu engagieren, statt sich ins Privatleben zurückzuziehen.

Rückschau und Reflexion

Dieses Thema scheint Redford zu faszinieren, denn in seinem neuen Film, "The Company You Keep - Die Akte Grant" nimmt er es erneut auf, um es zu vertiefen. Der Film, für den Redford Regie und Hauptrolle übernahm, spielt auf zwei Ebenen. Einerseits ist er Rückschau und Aufarbeitung der teils gewaltbereiten Proteste gegen den Vietnamkrieg, handelt also von einer Zeit, in der Redford selbst politisiert wurde. Andererseits ist er aber auch eine Reflexion über die heutige Medienwelt und die Frage nach der gesellschaftlichen Verantwortung, die sich jede Generation neu stellen muss.

Angesichts dieses Brückenschlages ist es kein Wunder, dass Redford ein junger Schauspieler zur Seite steht: Shia LaBeouf ("Transformers", "Lawless") spielt den Reporter Ben Shepard. Der arbeitet bei einer Lokalzeitung, die ums Überleben kämpft. Aufgerüttelt wird er, als in der Nähe die lange gesuchte Terroristin Sharon Solarz (Susan Sarandon, "Cloud Atlas") verhaftet wird. Sie gehörte den sogenannten Weathermen (auch: Weather People, Weather Underground) an, einer linksextremen US-Untergrundbewegung, die im Zuge der Proteste gegen den Vietnamkrieg und der Bürgerrechtsbewegung teils mit Gewalt gegen den Staat vorging.

Sharon Solarz (Sarandon) stellt sich und bringt damit eine Kette von Enthüllungen in Gang.

Sharon Solarz (Sarandon) stellt sich und bringt damit eine Kette von Enthüllungen in Gang.

(Foto: Concorde Film)

Shepard recherchiert weiter und kommt über eine Quelle beim FBI (Anna Kendrick, "Up in the Air") dem Anwalt Jim Grant (Redford) auf die Spur, der mit seiner kleinen Tochter seit Jahren unter falschem Namen lebt und arbeitet. Auch er gehörte einst den Weathermen an und wird wegen eines Bankraubs in den 70er Jahren, bei dem ein Mensch starb, gesucht. Durch Shepards Enthüllungen erfährt auch das FBI von Grants Tarnidentität. Der Anwalt muss untertauchen und seine Tochter zurücklassen. Grant sucht nach einstigen Verbündeten, vor allem aber nach Mimi (Julie Christie, Lara aus "Doktor Schiwago"), mit der ihn weit mehr verbindet als die gemeinsame Zeit im Untergrund. Doch auch Shepard lässt nicht locker und deckt noch einige Verbindungen auf - bis er schließlich Grant gegenübersteht und die Wahrheit ans Licht kommt. Fragt sich nur, ob Shepard sein Wissen ausnutzt und damit das Leben mehrerer Menschen zerstört.

"Journalismus ist tot"

Eins sei vorausgeschickt: Der Film lohnt sich schon wegen der bis in die Nebenrollen hervorragenden Besetzung. Neben Redford, LaBeouf, Sarandon und Christie gibt es ein Wiedersehen mit etlichen hervorragenden Schauspielern: Sam Elliott, Brendan Gleeson, Richard Jenkins, Stanley Tucci, Chris Cooper, Terrence Howard und Nick Nolte. Es scheint fast so, als wolle Redford noch einmal alte Wegbegleiter vor der Kamera vereinen.

Der Film bietet ein Wiedersehen mit alten Bekannten, hier Nick Nolte.

Der Film bietet ein Wiedersehen mit alten Bekannten, hier Nick Nolte.

(Foto: Concorde Film)

Dieses leicht nostalgische Gefühl durchzieht aber auch den Streifen selbst. Er erinnert an die stark politisierten 60er und 70er Jahre mit ihren Protesten, Diskussionen, aber auch extremistischen Abwegen wie den Weathermen. Doch inzwischen sind die Revolutionäre älter geworden, sie haben Kinder und leben - unter falschen Namen - ein bürgerliches Leben. "Jetzt sind wir eine Geschichte, die Kindern erzählt wird", heißt es an einer Stelle. "Ich bin froh, dass sie noch erzählt wird", lautet die Antwort. Doch da hat sie die Vergangenheit bereits eingeholt. Noch immer treiben die USA die Erinnerungen an diese Zeit um. In diese Wunde legt Redford den Finger: Was haben die Proteste damals gebracht? Wie wirken sie nach? Kann man damalige Taten im Nachhinein rechtfertigen? Schließlich waren es nicht nur die Weathermen, die damals gegen Recht verstießen. "Unsere Regierung mordete damals Millionen Menschen", heißt es im Film über den Vietnamkrieg.

Mimi (Christie) wird zur Schlüsselfigur des Films.

Mimi (Christie) wird zur Schlüsselfigur des Films.

In einer Schlüsselszene wird dann die Brücke zur Gegenwart geschlagen. Da sitzt der Reporter Shepard, der so jung ist wie die Ermittler des FBI, Sharon Solarz gegenüber, die sich gestellt hat. Er versucht zu ergründen, warum sie den extremen Weg einschlug. Wirklich schlau wird er daraus aber nicht. Überhaupt ist Shepard ein unangenehmer Typ - und LaBeouf kann das auch so darstellen. Er erhofft sich von den Enthüllungen um Grant vor allem einen Karriereschub, ihm geht es nicht um die Suche nach der Wahrheit, schon gar nicht um eine differenzierte Darstellung der damaligen Ereignisse. Gleichzeitig wirkt der Journalist wie aus der Zeit gefallen - nur mit Schreibblock und Aufnahmegerät jagt er der Story hinterher, er twittert und mailt nicht. Es ist wohl auch Redfords Kritik an Sensationsgier, Hast und gleichzeitiger Machtlosigkeit heutiger Medien. "Journalismus ist tot", lautet Grants bitteres Fazit im Film.

Aber er liest Shepard auch persönlich die Leviten: "Jemand kluges wie du wäre vor 30 Jahren in einer Bewegung aktiv geworden", sagt er bei einem ersten Treffen. Es ist die zentrale Aussage des Films. Doch auch das weiß Grant: Für das Engagement muss man Stellung beziehen, Risiken eingehen, man muss etwas aufs Spiel setzen. Einige der ehemaligen Revolutionäre glaubten, diese Risiken hinter sich gelassen zu haben. Sie wollten ein ruhiges Leben führen. Andere werfen denen Verrat vor, die sich ergeben, die das Versteckspiel nicht mehr mitmachen wollen. Der Film stellt die Frage, wie weit man gehen kann, um seine Ideale zu verteidigen, für sie einzustehen.

"The Company You Keep" seziert das Verhältnis von gesellschaftlicher Verantwortung und Privatleben, von Engagement und Zurückgezogenheit. Gerade angesichts des NSA-Skandals, mit dem Eindringen der Politik in die Intimsphäre, gewinnt dieses Thema an großer Aktualität. Redford kleidet es in einen packenden Thriller, der zwar immer wieder moralisch wird und in seiner Inszenierung eher bedächtig wirkt, der aber äußerst kluge Fragen stellt und ohne Zweifel zum Nachdenken anregt - über das eigene Engagement.

"The Company You Keep" startete am 25. Juli in den deutschen Kinos.

Quelle: ntv.de

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