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Thees Uhlmann im Interview "Eine gute Weihnachtssingle ist Widerstand"

Thees Uhlmann, ganz ohne Sonnenbrille .

Thees Uhlmann, ganz ohne Sonnenbrille .

(Foto: picture alliance / dpa)

Thees Uhlmann berührt seine Fans mit deutschen Texten und fast klassischem Rock. Seine Single "Zum Laichen und Sterben ziehen die Lachse den Fluss hinauf" lief vor zwei Jahren im Radio rauf und runter. Sein erstes selbst betiteltes Album erreichte Platz vier der Album-Charts, der Nachfolger "#2" stieg passenderweise auf Platz zwei ein. Tausende Fans strömten in die Konzerte seiner Tour, die der bekennende Norddeutsche mit Wohnsitz in Berlin gerade beendet hat. In seinen Texten möchte er die "großen Momente im Kleinen" festhalten, wie er sagt. Dazu gehört auch, "mit Freunden gegen Zäune zu pissen", wie es in dem Song "Lat: 53.7 Lon 9.11667" (inoffiziell: "Hier komm ich her") heißt. Da dürfen ruhig Erinnerungen an sein großes Vorbild Bruce Springsteen aufkommen. Bekannt wurde er als Sänger der Hamburger Band Tomte, mit der er bis 2008 fünf Alben aufnahm. Im Interview mit n-tv.de erzählt der 39-Jährige, welche die einzig wahre Weihnachtssingle ist, wieso er niemals eine Sonnenbrille auf der Bühne tragen würde und warum er es doch einmal getan hat.

n-tv.de: Wann hast du das letzte Mal mit Freunden gegen Zäune gepisst?

Thees Uhlmann: Es geht ja um den Elektrozaun! Den Zaun, gegen den man mit Freunden pisst, um so seine Grenzen auszutesten, das habe ich lange nicht gemacht. Aber so mit 16 haben wir das ab und zu gemacht.

Echt? Das tut doch weh!

Wir waren halt auch kleine Kaputtniks. Wir sagten: Egal, das machen wir jetzt. Man kriegt dann so einen Stoß, genau wie wenn man mit einem feuchten Tuch über einen Wasserkocher wischt, wie ich neulich festgestellt habe. Es brezelt im Gehirn und man muss so ganz hysterisch lachen. Gleichzeitig hat man auch ein bisschen Angst, weil man das Gefühl hat, man ist am Tod vorbeigeschrammt.

Deine Tour geht just zu Ende, auf Facebook schwärmst du geradezu von den Konzerten. Was hat dich denn da so begeistert?

Das Cover des zweiten Thees-Uhlmann-Albums.

Das Cover des zweiten Thees-Uhlmann-Albums.

(Foto: picture alliance / dpa)

Das ist diese ursprüngliche, animalische Schönheit, wenn man sich was ausgedacht hat und Leute singen das mit. Das Schöne ist, dass ich keine Kompromisse machen muss. Wir machen alles so, weil es uns genauso gefällt. Ich muss mich auf der Bühne nicht verstellen. Ich kann sabbeln, die Leute hauen sich beim Pogo nicht auf die Schnauze, ich mach' Musik für normale Leute und das begeistert mich.

Auf der Bühne gibst du dich ganz klassisch: schwarze Lederjacke, Blue Jeans, fast immer weißes T-Shirt. Warum nicht gleich auch eine schwarze Sonnenbrille?

Ich würde nie mit einer Sonnenbrille auftreten! Mögen die Augenringe so groß sein, wie sie wollen, aber irgendwie finde ich das unhöflich Leuten gegenüber. Ein einziges Mal habe ich eine Sonnenbrille auf der Bühne getragen, das war bei "Rock im Park" vor zweieinhalb Jahren. Vor der Bühne war wahnsinnig wenig los und da waren so weiße Kiesel. Die haben so geblendet, dass ich eine Sonnenbrille getragen hab. Ich hab' mich aber sehr geschämt: Oh mein Gott, Norddeutsche sollten nicht versuchen, cool zu sein. Das geht auf jeden Fall schief. Aber das war das einzige Mal.

Andere vergleichen dich oft mit Bruce Springsteen. In Bielefeld hast du dem Publikum zugerufen: Wenn Casper euer Jay-Z ist, darf ich dann euer Bruce Springsteen sein? Was findest du so toll an Springsteen?

In aller erster Linie ist er vom Songwriting her ein Vorbild. Und er ist echt nochmal einen guten Schlag älter als ich. Außerdem macht er das immer noch mit so einer großen Würde und einer großen Hingabe - das ist eine Sache, an der ich mich orientiere.

Du wirfst auch die Gitarren wie er.

Ja, das habe ich geklaut. (lacht) Und manchmal werfe ich sogar weiter als er! Aber ich habe auch schon auf der zweiten Tomte-Platte eins zu eins eine Springsteen-Zeile geklaut.

Welche denn?

Sage ich nicht!

Welche Platte von ihm gefällt dir am besten?

Ganz vorne ist für mich die Live-Box '75-'85. Es ist einfach cool, dass man so eine Retrospektive selber mit dem Publikum macht, mit der Ansage zu "The River" und so was. Das war schon als ich 14 war total ikonisch, und das ist jetzt noch total ikonisch. Er sagt einfach: Jetzt gibt’s hier eine Geschichte über mich und meinen Vater und wir machen das jetzt alle zusammen! In Deutschland wäre das hochnotpeinlich, wenn jemand so eine Story erzählen würde, und der Ami zieht's einfach durch.

Du hast mehrmals vom Ruhrgebiet geschwärmt und erzählt, dass ihr eine Opel-Familie wart - versuchst du Springsteen auf Deutschland zu übertragen und ein bisschen der Working-Class-Hero zu werden?

Nee, das ist das nicht. Dazu sage ich ja auch viel zu häufig, dass ich doppeltes Lehrerkind bin und wenn du doppeltes Lehrerkind bist, dann bist du nicht aus der Arbeiterklasse und das kann man nicht faken, und das will ich auch gar nicht faken. Ich meine das so: Die VW-Familie, sie ist liberal, die Audi-Familie ist liberal und reich, die Volvo-Familie eher links-liberal, und ich komm' halt aus einer Opel-Familie. Über Opel-Familien könntest du wahrscheinlich zweieinhalb Seiten volley wegschreiben, was das bedeutet, vor allem wenn du in den 80ern Opel gefahren bist.

Wie würdest du anfangen?

Tja, (überlegt) wie heiß diese Kunstledersitze waren, wenn man ohne Kindersitz, vielleicht sogar ohne Anschnallgurt - aber das weiß ich gar nicht mehr - einfach 14 Stunden nach Südtirol gefahren ist.

Gibt es auch deutsche Musiker, die dich inspirieren?

Mein Manager, bester Freund und Mentor Rainer (Ott, d. Red.) hat mir mal BAP empfohlen, und ich so: Hast du sie noch alle? Und er so: Ja, du hörst jetzt BAP. Und dann hat es wirklich in einer Sekunde Zoom gemacht.

Es hat Zoom gemacht?

Wirklich, ganz toll, super. Ich finde einfach, dass Wolfgang Niedecken ein toller Lyriker ist. So ein Song wie "Im Bahnhofskino", das ist einfach Musik, so wie ich sie liebe. Das ist melancholische, aufgeladene Musik. Ich finde BAP aus dem gleichen Grund geil, warum ich Arcade Fire geil finde. Weil die einfach tolle Songs schreiben mit tollen Texten.

Würdest du auch mal eine Weihnachtssingle machen? Und gibt es eine, die dir gefällt?

Ja, warum nicht? Wenn es mal eine gute Weihnachtssingle gibt, ist das ja Widerstand genug. Das ist natürlich die absolute Königsdisziplin. Es ist wahnsinnig schwierig, aber ich mein', welcher Song auf der ganzen Welt ist besser als "FairyTale of New York" von den Pogues? Diese Tristesse, die Millionen von Menschen jedes Jahr immer wieder an Weihnachten spüren und spüren und spüren, das ist einer der Songs, die das am besten auffängt. Beste Melodie, bester Text, bestes Duett, das ist einfach gigantisch. Das ist eine der schönsten Seiten an Weihnachten, die ich kenne, zusammen mit Sudoku-Rätsel lösen mit meiner Mutter.

Mit Thees Uhlmann sprach Volker Petersen

Quelle: ntv.de

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