Kino

Keine Grenzen, keine Regeln Girls, Girls, Girls: Katzenjammer

Geballte Frauenpower: Katzenjammer.

Geballte Frauenpower: Katzenjammer.

(Foto: Erik Weiss / Universal Music)

Nein, sie sind nicht die "Spice Girls" aus Norwegen. Aber ordentlich Pfeffer im Hintern haben die Mädels von "Katzenjammer" allemal. Mit Dutzenden Instrumenten, einem wilden Stil-Mix und jetzt schon nahezu legendären Live-Shows mischt das aus Turid Jorgensen, Marianne Sveen, Anne Marit Bergheim und Solveig Heilo bestehende Quartett die Musikwelt auf. Nun erscheint mit "A Kiss Before You Go" das zweite Album der Truppe aus dem hohen Norden. n-tv.de ging im Interview mit Turid Jorgensen und Marianne Sveen dem "geplanten Chaos" auf den Grund.

n-tv.de: Dass euch - speziell in Deutschland - jeder auf euren Bandnamen anspricht, liegt auf der Hand. Er basiert ja auf einer Comic-Serie namens "The Katzenjammer Kids". Warum habt ihr euch danach benannt?

Turid Jorgensen: Diese Comic-Serie ist in Norwegen sehr bekannt. Aber bei uns heißt sie "Knoll og Tott". (lacht)

Da muss ich erst mal nachsehen, wie das geschrieben wird …

Turid: Ja, den norwegischen Namen zu benutzen, wäre wohl nicht so gut gewesen. Aber wir haben diese Comic-Serie als Kinder gelesen und mögen sie sehr gerne. Wir mögen die Charaktere darin. Und wir mögen das Wort - Katzenjammer!

Was ja eigentlich ein deutsches Wort ist, auch wenn es ähnlich wie "Kindergarten" seinen Weg ins Englische gefunden hat …

Turid: Ja, stimmt. Das wussten wir auch.

Dann kennt ihr sicher auch die Bedeutung des Wortes im Deutschen, oder?

Marianne Sveen: Ja, klar. Als wir mit der Musik angefangen haben, kannten wir uns nicht mit allen Instrumenten wirklich so gut aus. Von daher klang es damals tatsächlich auch ein wenig wie Katzenjammer. Das ist heute komplett anders. Ein Bezug aber ist vielleicht geblieben: Es kann sein, dass man nach einem Katzenjammer-Konzert einen Kater hat. (lacht)

Mit "A Kiss Before You Go" legt die Gruppe ihr zweites Album vor.

Mit "A Kiss Before You Go" legt die Gruppe ihr zweites Album vor.

(Foto: Universal Music)

Turid: Natürlich werden wir gerade in Deutschland immer wieder gefragt: Warum habt ihr diesen Namen gewählt? Das klingt doch negativ … Aber ich denke, viele hier stolpern genau deswegen über uns und hören deshalb in unsere Musik rein. Ich glaube, in Deutschland ist das ganz gute Werbung für uns. (lacht)

Die Comic-Serie "The Katzenjammer Kids" hat eine alte deutsche Bildergeschichte zum Vorbild: "Max und Moritz". Kennt ihr die?

Beide: Nein.

Turid: Das muss ich mir mal ansehen. (Sie schreibt auf eine Zeitschrift vor sich die Worte "Maxim Morits" und korrigiert sie, nachdem wir ihr die richtige Schreibweise erklärt haben.)

Ihr scheint insgesamt ein Faible für Katzen zu haben. Ihr habt ja auf der Bühne auch immer diesen großen Kontrabass mit einem Katzengesicht darauf …

Turid: Ah, das ist eher Zufall. Als wir angefangen haben, hatten wir einen E-Bass. Nachdem wir rund ein halbes Jahr zusammen gespielt hatten, traten wir in einem norwegischen Club auf, in dem der Bass mit dem Katzengesicht im Backstage-Bereich herumstand. Als wir ein weiteres halbes Jahr später dort erneut auftraten, stand der Bass immer noch an der genau gleichen Stelle. Da war klar, dass ihn keiner benutzt. Also haben wir gefragt, ob wir ihn kaufen können.

Man sollte eure Beziehung zu Katzen also nicht überschätzen …

Marianne: Na ja, der Bass war jedenfalls schon so bemalt. Es scheint, dass die Katzen eher zu uns finden als wir zu den Katzen.

Turid: Ich glaube sogar, wir sind eher Hunde-Typen. Auch wenn ich zwei Katzen habe. (lacht)

Ihr kommt aus Norwegen. Für euch muss es in Deutschland ja toll sein, weil alles hier so billig für euch ist …

Turid: Ja, ja. Das Essen hier ist viel billiger als in Norwegen. Ich glaube, ich gebe hier im Restaurant weniger aus als im Supermarkt in Norwegen.

Wenn man Leute aus Skandinavien hier trifft, sind sie oft betrunken, weil auch der Alkohol für sie hier so günstig ist …

Sie machen Rattle-Folk-Pop-Rock-Bluegrass-on-Circus-with-Cowboy-and-Indian-Music - was sonst?

Sie machen Rattle-Folk-Pop-Rock-Bluegrass-on-Circus-with-Cowboy-and-Indian-Music - was sonst?

(Foto: Erik Weiss / Universal Music)

Turid: (lacht) Ja, wenn wir nicht arbeiten müssten, wären wir wahrscheinlich auch betrunken.

Apropos Arbeit - wir sollten natürlich auch mal über eure Musik sprechen. Die zu charakterisieren fällt ziemlich schwer, weil ihr so viele Stile und Genres miteinander mischt. Wie würdet ihr selbst eure Musik beschreiben?

Marianne: Wir haben da diese Umschreibung, die wir benutzen: "Rattle-Folk …" (Sie reiht blitzschnell mehrere mehr schlecht als recht verständliche Worte aneinander.)

Oh, Mann, kannst du das bitte noch einmal langsam wiederholen …

Marianne: Ja: "Rattle-Folk-Pop-Rock-Bluegrass-on-Circus-with-Cowboy-and-Indian-Music".

Turid: Yeah, das war zweimal das Gleiche.

Marianne: Bei unserer Plattenfirma auf der Webseite heißt es dagegen: "No Genre". (lacht)

Wenn man Artikel über euch liest, werden zum Vergleich oft diese vier Bands herangezogen: The B-52s, Gogol Bordello, Dixie Chicks und Leningrad Cowboys. Könnt ihr euch damit identifizieren?

Marianne: Ich persönlich nicht, nein. Aber, was die Musik angeht, sind wir vier sehr verschiedene Charaktere in der Band. Du, Turid, kannst dich wahrscheinlich schon sehr mit Gogol Bordello identifizieren …

Turid: Ja, ich mag sehr gerne Balkan-Musik.

Marianne: Und ich habe mit dieser Art von Musik eigentlich gar nichts am Hut. Ich stehe mehr auf Soul, Rock und Elektro-Sachen. Anne Marit steht auf Bluegrass und Solveig eher auf klassische Musik. Wir tragen alle mit unseren unterschiedlichen Stilen zum Sound von Katzenjammer bei. Gemeinsam haben wir, glaube ich, nur die Vorliebe für Tom Waits und alte Disney-Musik.

Es heißt, ihr könnt mehr als 30 Instrumente spielen - oder 40 oder 50 …

Turid: Ja, wir wissen auch nicht genau, wie viele es wirklich sind. (lacht) Auf der neuen Platte benutzen wir auf jeden Fall wirklich viele.

Marianne: Ja, da sind es echt fast 30.

Also hat es mehr Sinn, danach zu fragen, welche Instrumente ihr nicht beherrscht, als danach, welche ihr alles drauf habt …

Turid: (lacht) Ja, das stimmt. Ich kann nicht Geige spielen, würde es aber sehr gerne. Genauso geht es mir mit dem Saxophon. Und mit der Tuba. Ach, da gibt es schon noch einige …

Von der Ukulele bis zum Kontrabass, von der Mundharmonika bis zur Blechbüchse - die vier Bandmitglieder musizieren mit fast allem.

Von der Ukulele bis zum Kontrabass, von der Mundharmonika bis zur Blechbüchse - die vier Bandmitglieder musizieren mit fast allem.

(Foto: Erik Weiss / Universal Music)

Marianne: Aber es ist schon richtig: Jede von uns in der Band spielt fast alles - außer Trompete vielleicht, die spielt nur Solveig. Gib mir zum Beispiel eine Mandoline. Ich spiele sie zwar nicht auf der Bühne, aber wenn ich eine Stunde oder so zum Üben hätte, könnte ich schon mit ihr umgehen - sie ist ja ein Saiteninstrument. Das ist keine große Sache, wenn man schon Gitarre oder Ukulele spielen kann. Bei der Trompete bräuchte ich aber sicher länger als eine Stunde, damit es gut klingt. (lacht) Aber das ist die große Idee hinter Katzenjammer: Es gibt keine Grenzen und keine Regeln. Niemand kann dir sagen, dass du dieses oder jenes Instrument nicht spielen kannst oder darfst. Es geht mehr darum, sich zu trauen, und weniger darum, dass es perfekt klingt.

Auch auf der Bühne gibt es bei euch keine Grenzen …

Marianne: Ja, und was noch wichtiger ist: Es gibt keine Grenzen zwischen der Bühne und dem Publikum. Das Publikum ist fast mit uns auf der Bühne. Das macht es so besonders - auch für uns und bei jedem Auftritt aufs Neue.

Was euch angeht, ist es ja so, dass ihr auf der Bühne scheinbar wild umherrennt und die Instrumente quer untereinander tauscht. Ist das Chaos oder habt ihr dabei einen Plan?

Turid: Inzwischen gibt es dahinter einen Plan …

Marianne: Geplantes Chaos!

Turid: Ja, das ist die richtige Bezeichnung. Früher dagegen war es nur Chaos. (lacht) Überall Kabel – um die Instrumente und um uns herum …

Wo habt ihr das eigentlich alles gelernt? An der Musikhochschule in Oslo, an der ihr studiert habt, oder stammt ihr aus außergewöhnlich talentierten Familien?

Turid: Wir sind Autodidakten. Wir haben uns alle Instrumente eigentlich selbst beigebracht.

Marianne: Ja, ich habe zwar mal ein paar Stunden genommen, aber ich glaube nicht, dass die von großer Bedeutung waren.

Turid: Keine von uns hat jahrelang Unterricht genommen.

Durch eines eurer Konzert ist ja auch der frühere Talking-Heads-Frontmann David Byrne auf euch aufmerksam geworden …

"Keine Grenzen" lautet das Motto der vier Mädels - nicht zuletzt auch bei ihren Live-Auftritten (im Bild: Anne Marit Bergheim).

"Keine Grenzen" lautet das Motto der vier Mädels - nicht zuletzt auch bei ihren Live-Auftritten (im Bild: Anne Marit Bergheim).

(Foto: ASSOCIATED PRESS)

Marianne: Eigentlich mehr durch einen Straßenauftritt. Wir waren bei "South by Southwest" (ein Musikfestival in Austin/Texas, Anm. d. Red.). Dort sind wir auch auf der Straße aufgetreten - überall, wo es nur irgendwie ging. Er oder sein Agent kam an uns vorbei und fand uns offenbar gut. Deshalb haben sie uns in die USA eingeladen. Wir haben auch mit den Counting Crows und Elvis Costello dort gespielt. Es lief für uns also auch in den USA rund - wegen "South by Southwest". Auch da gilt wieder: Keine Grenzen, keine Regeln. Gehe einfach raus und spiele, hab' keine Angst, sondern lächele - dann können auch große Dinge passieren.

Euer neues Album heißt "A Kiss Before You Go". Zumindest die männlichen Leser würden sicher gern wissen: Wer bekommt da von euch einen Abschiedskuss?

Turid: (lacht) Die Seeleute …

Marianne: Auf dem Cover unserer Single ("I Will Dance (When I Walk Away)", Anm.d. Red.) ist jemand im Taucheranzug abgebildet. Das ist die geheime Person. Man kann sein Gesicht nicht sehen, aber wir wissen, wer er ist. Und ihn küssen wir die ganze Zeit.

Vielleicht ist es ja auch Frank Zappas Sohn, Dweezil Zappa. Jedenfalls spielt er bei einem Song auf dem Album Gitarre. Wie kam es dazu?

Marianne: Unser Co-Produzent und Soundengineer Mike Hartung kennt ihn. Er stammt aus L.A., und die beiden sind wohl zusammen aufgewachsen. Dweezil besuchte ihn in Norwegen. Mike spielte ihm Sachen von uns vor und scherzte, ob Dweezil nicht auf einem der Songs Gitarre spielen wolle. Dweezil sagte ja. Obwohl er den Song nur vielleicht zur Hälfte gehört hatte, nahm er die Gitarre, marschierte ins Studio und spielte nach dem Intro des Songs drauf los. Das machte er genau einmal, packte zusammen, sagte Tschüss und flog zurück nach Amerika. (lacht) So kommt es, dass er bei uns auf dem Album ist.

Mit "Land Of Confusion" von Genesis befindet sich auf dem Album auch eine Coverversion. Ich weiß nicht, ob ihr schon geboren wart, als das Original erschienen ist …

Marianne: Oh doch, da waren wir schon geboren.

Warum habt ihr euch für diesen Song entschieden?

Der große Unbekannte? Das Cover der Single "I Will Dance (When I Walk Away)".

Der große Unbekannte? Das Cover der Single "I Will Dance (When I Walk Away)".

(Foto: Universal Music)

Marianne: Das geht auf meine Kappe. Ich bin ein großer Genesis-Fan. Und ich glaube, dieser Song ist einer der Gründe, weshalb ich zur Musik gekommen bin. Ich war ungefähr vier Jahre alt, als ich das Video dazu zum ersten Mal gesehen habe. Ich erinnere mich daran, dass mich das damals schon fasziniert hat. Der Song ist echt catchy. Und das Video ist verdammt gruselig. Das Traurige ist, dass es von seiner Bedeutung bis heute nichts eingebüßt hat. Nicht mit Blick auf den Hauptcharakter Ronald Reagan, aber hinsichtlich der Probleme auf der Welt. Ich finde Genesis und speziell diesen Song einfach fantastisch. Er funktioniert sehr gut live. Und er ist wahrscheinlich nicht der erste Song, bei dem man an eine Coverversion denkt. Gerade das machte ihn dafür interessant.

Als Genesis-Fan muss ich dich natürlich fragen: Bist du eher der Phil-Collins- oder der Peter-Gabriel-Typ?

Marianne: Ich bin so froh, dass du mich das fragst. Das habe ich echt gehofft. Denn: Gerade im Musikgeschäft wird von dir erwartet, dass du darauf Peter Gabriel antwortest. Aber mich kotzt das echt an. Das sind einfach zwei unterschiedliche Bands. Und es ist tatsächlich auch möglich, beide zu mögen. Ich liebe das Album "The Lamb Lies Down On Broadway" mit Peter Gabriel. Aber ich finde das Album "Invisible Touch" (mit Phil Collins als Leadsänger, Anm. d. Red.) genauso großartig.

Eine Sache, die natürlich ins Auge sticht, ist, dass ihr eine reine Frauenband seid. Hätte ein Mann keine Chance bei Katzenjammer?

Turid: Mmh, diese Frage hat uns noch niemand gestellt. (lacht) Da muss ich erst kurz darüber nachdenken. Aber, nein, ich glaube, das wäre seltsam …

Marianne: Inzwischen wäre das seltsam …

Turid: Ja, inzwischen. Als wir angefangen haben, wäre es vorstellbar gewesen, weil unsere Zusammensetzung damals doch eher zufällig zustande gekommen ist. Aber nachdem wir jetzt schon so viele Jahre zusammenarbeiten, wäre es für einen Mann sicher sehr seltsam, bei uns einzusteigen. (lacht) Wir würden ihn wahrscheinlich fragen: Wo ist dein Kleid?

Marianne: Ja, mach dir mal ein paar Blumen ins Haar.

Turid: Aber wir haben manchmal Gastmusiker. Das können gerne Männer sein. Wie der Saxophonist auf unserem Album - er ist mit uns auch schon live aufgetreten.

Was würdet ihr mit jemandem machen, der euch die "Spice Girls" aus Norwegen nennt? Ihn töten?

Marianne: Nein, töten würde ich ihn nicht. Aber ich würde ihn fragen, welche "Spices" wir denn sein sollen. Die "Spice Girls" waren eine zusammengecastete Band. Das sind wir nicht.

Das Album "A Kiss Before You Go" ist ab sofort erhältlich.

Das Album "A Kiss Before You Go" ist ab sofort erhältlich.

(Foto: Universal Music)

Turid: Ich glaube, die Leute sagen das manchmal aus Spaß. Das machen wir auch und erklären uns dann gegenseitig zum "Sporty Cat" oder so. Aber wir haben in Wahrheit nichts mit ihnen gemeinsam. Was wir machen, ist etwas komplett anderes.

Marianne: Bei uns geht es mehr um Musik als um Beine. (lacht) Aber wenn man uns mit Blick darauf, wie groß die "Spice Girls" herausgekommen sind, mit ihnen vergleicht, dann sage ich nur: Vielen Dank.

Mit Turid Jorgensen und Marianne Sveen von Katzenjammer sprach Volker Probst

"A Kiss Before You Go" von Katzenjammer im n-tv Shop bestellen

Katzenjammer befinden sich im November 2011 auf Tour: Stuttgart (8.11.), München (9.11.), Berlin (10.11.), Köln (11.11.), Bielefeld (12.11.), Offenbach (14.11.), Nürnberg (16.11.), Dortmund (17.11.), Magdeburg (18.11.), Bremen (19.11.), Hamburg (21.11. und 22.11.)

Quelle: ntv.de

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