Kino

Grrr! Gulp! Brrr! Grotesk statt "Burlesque"

Und alle liegen ihr zu Füßen: Christina Aguilera als Ali.

Und alle liegen ihr zu Füßen: Christina Aguilera als Ali.

Einen Sing- und Tanzfilm anzuschauen, ist für einen Mann an sich ja schon eine Strafe. Doch erst recht gilt das für "Burlesque". Der Film mit Cher und Christina Aguilera in ihrer ersten Rolle ist vor allem eins: grober Unfug.

Also, mal ehrlich, ich habe wirklich keine Ahnung, wie es dazu kommen konnte, dass ich mir diesen Film angesehen habe. Und dass ich jetzt auch noch etwas darüber schreiben muss. Das heißt, doch, eigentlich weiß ich es schon. Es war so, dass ich mich mit meiner Kollegin zu der Vorführung verabredet hatte.

Sie kennen das ja sicher: Ab und an mal mit den Kollegen, zumal den weiblichen, gut Wetter machen, kann nicht schaden. Und in einem Gutmenschen-Anfall sagen Sie dann leichtfertig sogar zu, sich einen Sing- und Tanzfilm mit anzusehen. Mit Cher und Christina Aguilera - würg. Einen Film also, der per definitionem an das weibliche Geschlecht gerichtet ist. Hey, welcher Typ macht das schon freiwillig, wenn im Kino nebenan womöglich auch noch gerade Rambo 4, The Fast and the Furious oder Hulk läuft? Keiner, außer die, die sich auch freiwillig Eiskunstlaufen anschauen.

Eigentlich ist Ali ein Mädel vom Land.

Eigentlich ist Ali ein Mädel vom Land.

Es ist ein Fakt: Gäbe es keine Frauen, dann wäre John Travolta arbeitslos, Musicals wären nicht erfunden, Terminator liefe im Frühstücksfernsehen und mit Schlittschuhen würde ausschließlich Eishockey gespielt. Ja, ich bin stolz darauf und stehe dazu, "Dirty Dancing" nie gesehen zu haben. Nur wegen des - natürlich weiblichen - sozialen Drucks, der auf meiner Generation in dieser Frage lastete ("Waaaas? Den hast du nicht gesehen? Also ich habe ihn mir 163 Mal angeschaut."), habe ich es mal versucht. Nach zehn Minuten wurde mir erst schlecht und dann bin ich eingeschlafen. Von da an stand für mich fest, dass ich in einer Welt ohne - Gott hab' ihn selig - Patrick Swayze und "She's Like the Wind" alt und glücklich werden würde.

Einfach mal "Danke" sagen

Ja, mir ist klar, dass Sie das vermutlich alles gar nicht interessiert. Sie wollen eigentlich etwas über "Burlesque" wissen. Aber manche Dinge müssen einfach mal raus und beim Namen genannt werden. Und nur so können Sie verstehen, welch unfassbar große Bürde der Autor mit dem Verfassen dieser Zeilen auf sich genommen hat. Männern muss man das sicher nicht groß erklären. Aber es soll ja auch Frauen unter unseren Lesern geben. Und wer außer ihnen hat diesen Text denn bitte schön schon angeklickt? Also, liebe Frauen, es ist an der Zeit, mal eben innerlich "Danke" zu sagen. Und mit dem Autor gemeinsam auf dessen Kollegin einzupicken. Denn die hat ihm und Ihnen diesen Schlamassel eingebrockt.

Ja, sie ist 64: Cher als Tess.

Ja, sie ist 64: Cher als Tess.

Warum? Na, weil sie die Verabredung kurzfristig abgesagt hat. So, als wäre da doch nix dabei. Aaaagh! Und dann steht Mann da auf einmal vor dem Kino, zu dem Mann sich im Schneetreiben durchgekämpft hat, und fragt sich: Rutsche ich jetzt bei gefühlten minus 30 Grad direkt wieder nach Hause oder wärme ich mich doch erst einmal im Kinosessel auf? Sprich: Bringe ich es jetzt wirklich fertig, mir allein "Burlesque" anzusehen? Angesichts dieses Textes kennen Sie die Antwort. Aber, meine Güte, es war wirklich saukalt und ungemütlich draußen.

"Aschenputtel" gibt es schon

Doch das Schlimmste, das wirklich Allerschlimmste an dem ganzen Desaster ist, dass "Burlesque" auch noch die grauenvollsten Erwartungen übertrifft. Die Geschichte ist so oll wie "Aschenputtel", abgedroschen und vorhersehbar. Die Dialoge sind hanebüchen und mehr als nur einmal unfreiwillig komisch. Manch einer der Männer in der Pressevorstellung, die vermutlich von Damenbart tragenden Chefinnen zu dem Kinobesuch genötigt wurden, kann dann auch tatsächlich an einigen Stellen, die definitiv nicht dafür vorgesehen sind, vor Lachen nicht mehr an sich halten.

Selbst wenn man Christina Aguilera zugutehält, dass sie in ihrem Filmdebüt nicht allzu schlecht schauspielert. Selbst wenn man sie als Sängerin mag. Selbst wenn man das menschliche Ersatzteillager Cher heiß findet. Selbst wenn man natürlich die halbnackten Tänzerinnen in dem Film heiß findet. Und selbst wenn man auf den Soundtrack abfährt. Das alles kann diesen auf Zelluloid gebannten Unfug nicht retten.

Im "Burlesque" wird Ali zum Vamp.

Im "Burlesque" wird Ali zum Vamp.

Sie wollen wissen, was die Story des Films ist? Kein Problem: Landei Ali (Christina Aguilera) aus Iowa geht ins große, böse Los Angeles, um Karriere als Sängerin zu machen. Sie heuert in dem leicht verruchten Club "Burlesque" an und belabert Inhaberin Tess (Cher) so lange, bis sie dort Karriere als Sängerin macht. Das war's. Mehr Story gibt es nicht. Na gut, o.k., auf dem Weg zum "Burlesque"-Star gilt es für Ali noch Konkurrentin Nikki (Kristen Bell) auszuschalten, den Club vor dem Ruin zu retten und - natürlich - sich in Barkeeper Jack (Cam Gigandet) zu verlieben. Und dann gibt es da noch den schwulen Bühnenmanager Sean (Stanley Tucci), dem allein es zu verdanken ist, dass man wenigstens hier und da auch mal an den gewollten Stellen ins Schmunzeln gerät.

Der arme Ex-Freund

Selbst die Jüngsten unter den eingefleischten Fans der 64-jährigen Cher dürften kaum noch im Teenager-Alter sein. Und auch die vor kurzem 30 gewordene Christina Aguilera hat ihre Zeit im Mickey Mouse Club eigentlich schon lange hinter sich. Doch genau das ist, wo "Burlesque" vom Niveau her eigentlich hin gehört - in den Disney Channel bei Super RTL. Vielleicht müssten dazu einige der allzu freizügigen Szenen herausgeschnitten werden. Doch dann fände der Streifen wenigstens in nicht allzu ferner Zukunft als TV-Unterhaltung für vorpubertäre Mädchen seine Bestimmung - vorausgesetzt, die Mädchen wissen dann noch, wer Cher und Christina Aguilera sind.

Alle erwachsenen Frauen indes sollten in unser dem Film angepasstes Fazit mit einstimmen: Grrr! Gulp! Brrr! Oder Sie benutzen den Streifen als Waffe gegen ihren Ex-Freund, der sie mit seinen Anrufen nervt. Sagen Sie ihm, Sie laden ihn zur Versöhnung ins Kino ein, versetzen Sie ihn, und lassen Sie ihn allein in "Burlesque" gehen. Sie werden sehen: Sie sind ihn für immer los.

Quelle: ntv.de

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