Kino

Als es in Lichtenhagen brannte "Total frei sein heißt total allein sein"

Stefan (l.) hat nicht viel zu tun, er hängt mit seinen Freunden rum. Die tun ihm allerdings nicht nur gut.

Stefan (l.) hat nicht viel zu tun, er hängt mit seinen Freunden rum. Die tun ihm allerdings nicht nur gut.

(Foto: picture alliance / dpa)

Ein wütender Mob pöbelt vor einem Asylbewerberheim in Rostock. Es fliegen Molotowcocktails, das "Sonnenblumenhaus" brennt. Über 22 Jahre ist das jetzt her. Der Film "Wir sind jung. Wir sind stark." erinnert an die Grausamkeiten.

Sie ist eine Geschichte von damals und noch immer aktuell, die uns der deutsch-afghanische Regisseur Burhan Qurbani aus Nordrhein-Westfalen in "Wir sind jung. Wir sind stark." erzählt. Das ist traurig und verwunderlich zugleich, denn im Mittelpunkt stehen die von Fremdenfeindlichkeit getriebenen Ereignisse rund um das "Sonnenblumenhaus", einem Plattenbauhochhaus in Rostock-Lichtenhagen.

Dramatischer Höhepunkt: Am 24. August 1992 fliegen Molotowcocktails und stecken das Wohnheim für ehemalige vietnamesische Vertragsarbeiter in Brand - obwohl sich noch viele Menschen im Gebäude befinden. Die Stimmung vor dem Haus erinnert an ein Volksfest, die Zuschauer applaudieren, die Polizei zieht sich zeitweise zurück. Es sind Bilder, die um die Welt gehen.

Das alles zeigt der Spielfilm, aber auch die letzten Tage vor dem Gewalt-Exzess in der öden Wohnsiedlung. Die Jugendlichen der Nach-Wendezeit wissen nichts mit sich anzufangen, tagsüber langweilen sie sich, nachts randalieren sie gegen Polizei und Ausländer.

Pegida macht den Film aktuell

Stefan (Jonas Nay), der Sohn eines Lokalpolitikers (Devid Striesow), streift ebenfalls mit seiner Clique ziellos durch die Gegend. Man sieht den Jugendlichen dabei zu, wie sie kleine und große Grausamkeiten untereinander austeilen, Gruppenzwang perfektionieren, die Liebe suchen, finden und verlieren, Freundschaft und Loyalität testen.

Ähnlich ungewiss ist die Zukunft der vielen Vietnamesen, die im "Sonnenblumenhaus" leben. Auch Lien (Trang Le Hong) wohnt mit ihrem Bruder und der schwangeren Schwägerin in der Siedlung. Sie glaubt, in Deutschland eine Heimat gefunden zu haben, und will auch nach der Wende bleiben. Ihr Bruder plant die Rückkehr, weil ihm die wachsenden Anfeindungen zu viel Angst machen. "Total frei sein, heißt total allein sein", beschreibt der Streifen die allgemeine Orientierungslosigkeit seiner Protagonisten.

Vor dem Hintergrund der Pegida-Demonstrationen wirkt der Film, dessen Handlungsstränge intelligent miteinander verwoben sind, gespenstisch aktuell. Trotz der Schwere des Themas braucht der fast durchgehend in Schwarz-Weiß gedrehte Streifen keinen moralischen Zeigefinger, die Bilder sprechen für sich, den Filmemachern gelingt es, die damalige Stimmung sehr konkret wiederaufleben zu lassen.

"Wir sind jung. Wir sind stark." läuft ab dem 22. Januar in den deutschen Kinos.

Quelle: ntv.de, ame/spot

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