Hot Tuna, Cheap Trick und ... Zu Unrecht vergessen
13.05.2012, 11:17 UhrDie Bluesrockband Hot Tuna, die Popgruppe Cheap Trick und Rock and Roller Gene Vincent mit seinen Blue Caps gehören zu den vergessenen Acts der Populärmusik. Sehr zu Unrecht, wovon man sich auf den CDs von drei jüngst veröffentlichten Boxen überzeugen kann.
Wer die Geschichte nicht kennt, kann die Gegenwart nicht begreifen und die Zukunft nicht verstehen. Ein Allgemeinplatz. Man kann aber auch sagen: Vergangenes als Elle für Gegenwart und Zukunft. Damit wir stets das richtige Maß finden, sorgen die Plattenfirmen seit geraumer Zeit für Wiederauflagen teils - sehr zu Unrecht - vergessener Meisterwerke. Die aus der Woodstock-Band hervorgegangene US-Bluesrockgruppe Hot Tuna gehört dazu. Die fünf Alben - das erste erschien 1970, das letzte der vorliegenden Edition 1976 - widerspiegeln den teils verzweifelten, gleichwohl brillanten Versuch, den psychedelischen Rock der Mutterband hinter sich zu lassen und mit rockigem Blues einheimische Gruppen wie Canned Heat sowie die britischen Fleetwood Mac und Ten Years After zu toppen.
Musikalisch gelingt das. Der Blues, im heimischen Nordamerika auf afroamerikanische Hörer beschränkt, wird in Britannien von Pionieren wie Alexis Corner entdeckt. In seinem Umfeld entstehen die Rolling, Stones, die Yardbirds, aus ihm gehen Gitarrengötter wie Eric Clapton und Jeff Beck hervor. In den USA braucht's etwa bis zum 69er Woodstock Festival. Dann bricht der Sturm los, der die Wasser bewegt, in dem eben auch der heiße Thunfisch zu schwimmen versucht. In die Charts schafft er es nicht. Aber die fünf vorliegenden Alben belegen, dass Hot Tuna zu den Großen des Genres gehören.
Nicht ganz so groß, dafür aber erfolgreicher waren Cheap Trick. Mit "Don't Be Cruel", einer Cover-Version des Elvis-Klassikers, hatte die Band, deren Ursprünge in den US-Bundesstaat Illinois zurückgehen, sogar eine Nummer 1. Der Knaller aber war die LP "Live At Budokan", dem Rocktempel in Tokios Stadtzentrum. Das 1978 eingespielte Album verkaufte sich weltweit mehr als drei Millionen Mal. Damit gehört es neben "Peter Frampton Comes Alive!" zu den erfolgreichsten Konzertmitschnitten des Rock and Roll. Die Single "I Want You to Want Me" wurde ihr erster Top-Ten-Hit. "Dream Police" von der gleichnamigen Studioplatte aus 1979 mit seiner eingängigen Melodie ist die putzige Geschichte eines Mannes, in dessen Hirn sich jede Nacht kleine Männlein tummeln, die niemals Urlaub machen und seine Träume kontrollieren. So vorsintflutlich war das damals mit der Vorratsdatenspeicherung.
Gene Vincent gehört zu den Uraltrockern der mittfünfziger Jahre. Bekannt wurde der Mann aus Norfolk im US-Bundesstaat Virginia vor allem durch seinen großen Hit "Be-Bop-A-Lula", mit dem er 1956 auf Platz 7 der US-Hitparade landete. Ein Slowrocker, der es mit Elvis' "Heartbreak Hotel" aufnehmen konnte. Das gilt auch für dessen und andere Soli von Cliff Gallup, Leadgitarrist von Vincents Band The Blue Caps".

Typisch für Gene Vincent ist der Rockabilly, jene Spielart des Rock and Roll, der weiße Countrymusic rhythmisch betont und zumeist im Up tempo mit schwarzem Rhythm & Blues zusammenfügt. Vincent, der gern im Teddy-Boy-Look herumlief, inspirierte auch das Äußere der Beatles zumindest in ihren Anfangszeiten, wie auch ein Foto im Begleitheftchen beweist. Auf Platte eingespielt haben die Liverpooler Vincents Songs nicht. Erst John Lennon veröffentlichte auf seinem 75er Album "Rock 'n' Roll" besagtes "Be-Bop-A-Lula", dessen Bedeutung so sinnlos und genial ist wie "A wop bop a loo lop a lop bam boo".
Als zu Beginn der 60er Jahre in Nordamerika Weichspüler wie Ray Petersen und Brian Hyland den ursprünglichen Rock and Roll in die Ecke drängten, zog es Gene Vincent nach Frankreich und Britannien, wo er sich noch einige Zeit allergrößter Beliebtheit erfreuen sollte. Frühzeitig durch einen schweren Unfall körperlich gehandicapt, brachte es der 1935 Geborene und 1971 viel zu früh Verstorbene nie zum Teenagerschwarm und Lieblingsschwiegersohn. Doch seine Musik reicht an die des Hüftschwingers aus Tupelo/Mississippi allemal heran. Sich davon zu überzeugen, sollten die 122 Songs aus sieben Alben, EPs und Singles in der Box ausreichen.
Quelle: ntv.de