Die erste Liebe vergisst man(n) nie Diamanten, Sex, Morde und "Die Unbekannte"
28.09.2014, 08:00 Uhr
In einer Bar trifft Foss seine große Liebe wieder. Aber die spielt scheinbar nicht nur mit seinen Gefühlen.
(Foto: picture alliance / dpa)
George Foss trauert seiner ersten Liebe noch immer nach. Mittlerweile sind 20 Jahre vergangen, seitdem sie plötzlich aus seinem Leben verschwand. Eines Nachts taucht sie in seiner Lieblingsbar wieder auf. Von da an ist Georges Leben in Gefahr.
Mal ehrlich, als Mann vergisst man die erste große Liebe seines Lebens nie. Man trauert ihr entweder nach oder vergleicht alle darauffolgenden mit ihr. So oder so lässt sie einen nicht mehr los. Da können so viele Jahre ins Land gehen, wie sie wollen. George Foss weiß, ein Lied davon zu singen.
Foss lebt in Boston und leitet einen kleinen Literaturverlag. Ab und an trifft er sich mit seiner On-off-Beziehung Irene. Sie trinken, quatschen und gelegentlich landen sie danach auch im Bett. Ganz unverbindlich. Neben Irene gibt es in Foss' Leben nur noch Nora, seine Hauskatze. Die lässt ihn sofort spüren, wenn sie sich vernachlässigt fühlt.
Doch als Foss und Irene sich eines Tages wieder in seiner Lieblingsbar treffen, fällt ihm eine Frau an einem anderen Tisch auf. Er kennt sie. Sie muss es sein. Sie sieht aus wie sie. Sie trinkt wie sie. Sie ist es: Foss' große College-Liebe, die erste Frau, mit der er Sex hatte, die erste Frau, die er wirklich geliebt hat. Das ist jetzt 20 Jahre her, ebenso wie ihr spurloses Verschwinden.
Wer ist Liana wirklich?
Foss spricht sie an und fühlt sich wieder wie am College. Schüchtern, nervös, das Herz sitzt in der Hose. Irgendwie scheint die Zeit stehengeblieben. Sie sieht immer noch fantastisch aus - und sie bittet Foss um einen Gefallen. Hier sollten seine Alarmglocken nicht nur schrillen, sie sollten so lautstark läuten, als ob sie den Weltuntergang ankündigten. Aber Foss hört Liana zu.

Peter Swanson "Die Unbekannte" ist bei Random House Audio als Hörbuch erschienen.
(Foto: Random House)
Sie heißt jetzt Jane und hat sich an den Möbelmagnaten McLean herangeschmissen, dessen Frau totsterbenskrank ist. Alles läuft gut, bis er sich gegen sie und für seine Frau entscheidet. Lianas Enttäuschung sitzt tief und sie erleichtert McLean um eine halbe Million Dollar - eine Summe, so denkt sie, deren Verschwinden ihm nicht auffällt. Aber da täuscht sie sich. McLean engagiert einen Privatdetektiv, und kurze Zeit später kreuzt ein Schläger bei ihr auf. Liana reagiert, will ihren Fehler wiedergutmachen und McLean das Geld zurückgeben. Foss soll ihr dabei helfen. Sie hofft, McLean so milde zu stimmen und die Geschichte aus der Welt schaffen zu können. Sie täuscht sich.
Kurz nachdem Foss bei McLean auftaucht, ist dieser tot. Nun ist ihm und Liana nicht nur ein Schläger auf den Fersen, sondern auch die Polizei - und Lianas Vergangenheit holt sie beide ein, eine Vergangenheit, in der schon einmal ein Mord passierte. Und es werden weitere folgen, denn es geht nicht nur um 500.000 Dollar, sondern um ein Vermögen in Diamanten und um die alles entscheidende Frage: Wer ist Liana wirklich?
Geheimnisvolle Unbekannte
Für den Autor Peter Swanson ist sie "Die Unbekannte". So hat der Kurzgeschichten- und Gedichteschreiber seinen Debütroman betitelt, der bei Random House nun auch als Audiobook erschienen ist, gelesen von Uwe Teschner. Und der Titel passt wie die sprichwörtliche Faust aufs Auge. Für den Leser bleibt Liana (oder Jane oder Audrey, wie sie einst am College hieß), bis zum Ende ein Buch mit sieben Siegeln, eben "Die Unbekannte". Um ihre Person herum webt Swanson mit Hilfe von George Foss ein Netz aus Liebe, Sex, Verbrechen und Mord. Das gelingt durch zwei Erzählstränge und diverse erklärende Rückblenden. Der Leser und Zuhörer erfährt so nach und nach etwas über die am Ende tragische Liebesgeschichte von Liana und George.
Das und die Twists in den Handlungen sorgen für die nötige Spannung, die sonore Stimme des Vorlesers Teschners verleiht Swansons Werk darüber hinaus noch Tiefe. Langeweile kommt nicht auf. Vielmehr stellt man sich die Frage: Wie naiv kann man(n) eigentlich sein? Da taucht plötzlich eine Frau auf, 20 Jahre, nachdem sie spurlos und ohne jegliche Erklärung verschwunden ist. Da bittet sie einen auch noch um einen Gefallen, der nicht ganz ungefährlich für das eigene Wohl erscheint. Und als wäre das noch nicht genug, täuscht sie einen mit ihren Absichten, führt einen an der Nase herum - wieder einmal.
Wie kann man(n) da nur darauf hereinfallen? Der einzige plausible Grund: Es ist die erste große Liebe gewesen. Sie hat Foss vor 20 Jahren schon einmal den Kopf verdreht - und kann den Mann auch heute noch problemlos um ihre hübschen Finger wickeln.
Ein naiver Mann, eine undurchsichtige Frau, ein Vermögen in Diamanten und eine kraftvoll in den Bann ziehende Erzählerstimme - mehr braucht es nicht, um Swansons Debüt "Die Unbekannte" zu einem Hörbuch-Erfolg zu machen.
Quelle: ntv.de