Musik

Songs von The Head and the Heart Gefühl und Verstand - die Mischung macht’s

The Head and the Heart sind live kaum zu überbieten - die Stimmung ist perfekt.

The Head and the Heart sind live kaum zu überbieten - die Stimmung ist perfekt.

Folkpop, Indie oder Rock? Genau einordnen lässt sich die Musik von "The Head and the Heart" nicht. Fest steht: Die Songs berühren und es hat einen Grund, weshalb die sechs Nordamerikaner sich nicht mehr als Straßenmusiker durchschlagen müssen.

Im Oktober 2013 veröffentlicht die sechsköpfige Band aus den USA ihr zweites Album "Let’s Be Still" und landet damit sofort einen Volltreffer. Josiah Johnson, Jonathan Russell, Charity Rose Thielen, Chris Zasche, Kenny Hensley und Tyler Williams touren mit ihrem Mix aus Indie, Folkpop und Rock um die Welt. Nach vielen Konzerten in den USA machen sie nun auch Europa unsicher. Steht die Band auf der Bühne, geht es nicht darum, die perfekte Show abzuliefern oder gut auszusehen. Wichtig ist ihnen Authentizität - und die bringen sie allemal rüber. Dem Gefühl, das sie mit ihrer Musik vermitteln, kann niemand entkommen. n-tv.de traf die Band in Berlin. Bei strahlendem Sonnenstein lud der Sänger und Gitarrist Jonathan Russell zu einem Kaffee ein und erklärte, wieso er ohne Musik schon lange im Gefängnis säße.

n-tv.de: Ihr seid die zweite Band, die ich interviewe, die aus fünf Männern und einer Frau besteht. Ist diese Zusammensetzung die perfekte Mischung, um erfolgreich zu sein?

The Head and the Heart: So etwas wie die perfekte Mischung für Erfolg gibt es nicht. Aber eine Frau trägt ein ganz bestimmtes Element zu einer Band bei. Manchmal ist es so zwar auch schwieriger, zu einem Ergebnis zu kommen, aber langfristig hat eine weibliche Komponente nur Vorteile. Nur Männer, nur Testosteron? Das ist unmöglich. Von der Perspektive einer Frau geht eine andere Dimension aus. Der Musik wird etwas Spezielles hinzugefügt und die Persönlichkeit der Band wird durch ihren Einfluss geprägt.

Wie habt ihr als Band zusammengefunden?

Wir haben uns alle in Seattle kennengelernt. Vorher kannten wir uns untereinander gar nicht. Über ein Jahr lang haben wir uns immer wieder in einer Bar getroffen, in die wir regelmäßig gingen. Dort gab es einmal pro Woche, jeden Sonntag, ein Open Mic. Josiah - der andere Sänger und Songtexter - und ich hatten schon begonnen, zusammen Texte zu schreiben und gemeinsam zu singen und sangen dann auch an einem Open-Mic-Abend. Während dieser Zeit trafen wir all die anderen Musiker, die mit uns spielen wollten. Mit manchen hat es funktioniert, mit anderen weniger und schließlich haben wir dann die perfekte Mischung gefunden. (lacht)

Sechs Mitglieder ist nicht wenig. Nehmt ihr alle zu gleichen Teilen an der Produktion der Songs teil? Oder hat jeder seine jeweiligen "Babys"?

Das Musikmachen auf der Straße hat die Band um einige Erfahrungen reicher gemacht.

Das Musikmachen auf der Straße hat die Band um einige Erfahrungen reicher gemacht.

Beides trifft zu. Es ist von Song zu Song unterschiedlich. Manche Lieder sind unser aller Babys, an denen wir wirklich alle gleichzeitig schreiben, manche Songs sind hauptsächlich von mir, andere vor allem von Josiah. Aber das Schöne ist, dass alle in unsere Band Ideen haben - wir sind keine Band, in der es nur ein oder zwei Leute mit Ideen gibt und der Rest spielt nur nebenbei mit. Alle tragen etwas bei und dieser Beitrag variiert von Song zu Song.

Ihr wart früher in Seattle als Straßenmusiker unterwegs. War das eine harte Zeit oder hat es euch vor allem Spaß gemacht?

Es hat Spaß gemacht, aber es ist immer etwas komisch. Wir haben es hauptsächlich in einer Gegend gemacht, wo es normal ist, dass Straßenmusiker auftreten. Aber trotzdem ist es eine seltsame Angelegenheit. Es ist schwierig, Leute dazu zu bringen, dass sie dich beachten. Uns hat sehr geholfen, dass wir drei Stimmlagen kombiniert haben. Hätte ich alleine gesungen, wäre niemand auf mich aufmerksam geworden. Aber durch die Harmonien, die wir hervorgebracht haben, sind wir aufgefallen und die Leute fingen an, uns Geld zu geben. Insgesamt hat es uns auf jeden Fall etwas gelehrt, aber es war auch eine große Herausforderung.

Dann hast du meine nächste Frage schon beantwortet, die Zeit hat euch also geprägt. Seid ihr denn froh, nach dem Spielen auf der Straßen jetzt auf echten Bühnen zu stehen?

Ja, auch damals war das schon so. Aber es war einfach eine Möglichkeit, ein bisschen Geld zu verdienen.

Hat euch die Zeit denn als Band weitergebracht?

Absolut. Wir konnten auf diese Weise etwas üben, in dem wir noch unsicher waren und somit besser darin werden. Wenn man sich einmal auf die Straße gestellt hat, um vor den Leuten zu spielen, kann man überall auftreten.

Ihr heißt ja "The Head and the Heart". Ist der Name an den Song von Chris de Burgh angelehnt?

Irgendjemand hat das mal als Scherz gesagt und seitdem kommt die Frage in jedem Interview in Deutschland auf. (lacht) Nein, wir kannten den Song nicht. Wir sind erst auf ihn gestoßen, als wir uns selbst bei Google gesucht haben, um herauszufinden, ob schon etwas im Internet über uns zu lesen ist.

Wie kamt ihr denn dann auf den Bandnamen?

Josiah hat den Namen vorgeschlagen. Es war grade dabei, sein Studium zu schmeißen und seine Eltern waren frustriert, als er ihnen erzählte, dass er die Uni wohl verlassen würde und sich stattdessen vollständig der Musik widmen wollte. Sie dachten, das sei eine schreckliche Idee und sahen seine Zukunft in Gefahr. Aus diesem Grund musste er sich damit auseinandersetzen, was er wirklich machen will, was sein Herz also möchte und dem, was schlau und vernünftig wäre. Er hat innerlich mit sich gekämpft - es war ein ständiges Hin und Her zwischen Herz und Kopf. (lacht)

Sollen diese beiden Komponenten auch in eurer Musik enthalten sein?

Auf jeden Fall, man muss beides benutzen.

Ihr habt schon Death Cab For Cutie, Vampire Weekend und viele andere Bands auf Tour begleitet. Wie hat sich das angefühlt?

Wir können uns als Band wirklich glücklich schätzen, dass wir die Tour von Bands begleiten konnten, die wir auch privat hören. Wir waren Fans dieser Leute - das ist wirklich surreal. Man lernt viel, jeden Abend erlebt man eine Band mit einer Erfahrung von zehn Jahren auf der Bühne. Man bemerkt auch die Unterschiede zwischen dem, was sie machen und dem, was man selber macht, wo die Lücken sind. Die anderen Bands sind wie ein Lehrer.

Haben diese Bands oder auch andere, mit denen ihr nicht gespielt habt, euer Album beeinflusst?

Nicht unbedingt - wenn, dann unbewusst. Insgesamt gab es viele Einflüsse, da jedes Mitglied unserer Band einen anderen Musikstil hat, den er hört. Das meiste, was wir hören, ist viel älter als diese zeitgenössischen Bands.

Hast du ein konkretes Beispiel?

Die Beatles spielen eine große Rolle und dazu all die Musik, welche die Beatles selbst beeinflusst hat. Die Musik, die vor ihnen war, höre ich noch immer gerne. Insgesamt wird John Lennon aber immer das perfekte Vorbild sein. Irgendetwas an dem, was er macht, gemacht hat, ist besonders.

Eure Single und das dazugehörige Video von "Another Story" ist auf erzählerischer Ebene extrem stark, es erinnert an die Tragödie von Newtown. Wie kommt es, dass ihr ein solches Ereignis in euren Songs verarbeitet?

In den USA gibt es einen Radiosender, NPR (National Public Radio), der landesweit ausgestrahlt wird und normalerweise höre ich den immer - in meiner Wohnung läuft dauerhaft Radio. Und als dieses Massaker stattfand, hörte ich Interviews mit Zeugen und mit den Eltern der getöteten Kinder. In Berichten über die Eltern wurde gesagt, dass sie sich weigerten, in den Kinderzimmern irgendetwas zu verändern, dass alles so bleiben muss wie an dem Tag an dem sie das letzte Mal zur Schule gingen. Die Leute dachten, dass sie ihre Kinder so noch lachen oder weinen hören könnten, dass sie ihre Stimme noch wahrnehmen würden. Diese Interviews haben sich in mein Gehirn gebrannt und irgendwann musste ich das Radio ausstellen, es wurde immer tragischer und ich konnte nicht mehr hinhören. Hinzu kamen die Diskussionen über die Waffengesetzte und über den Umgang mit psychischen Erkrankungen - was macht man damit? Das Thema hat alles dominiert, war dauerhaft präsent und nicht zu meiden. Es hat mich letztendlich so sehr berührt, dass ich etwas dazu machen wollte und da eine meiner Stärken das Songtexteschreiben ist, habe ich mich hingesetzt und diese Lyrics verfasst.

War es komisch, über etwas zu schreiben, das du nicht selbst direkt miterlebt hast?

Nur durch Zufall lernten sich die sechs Musiker kennen.

Nur durch Zufall lernten sich die sechs Musiker kennen.

Es war das erste Mal, dass ich Zeilen verfasst habe, die nichts mit meinem eigenen Leben zu tun hatten. Denn normalerweise schreibe ich über das, was ich erlebt habe, zumindest teilweise. Deshalb war es schwierig für mich, diese Idee umzusetzen. Ich habe mich gefragt, ob ich überhaupt das Recht habe, darüber eine Aussage zu machen. Ich kenne zum Glück niemanden, der in den Amoklauf involviert war und ich wollte keinen Song schreiben, ohne den Betroffenen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Ich wollte ihnen nicht wegnehmen, was sie durchgemacht haben und ich wollte auch nichts schlimmer machen. Deshalb war ich sehr vorsichtig, Josiah hat mich dabei unterstützt.

Und wie habt ihr das im Video realisiert?

Ich wollte es nicht eins zu eins umsetzen und darin das zeigen, was tatsächlich vorgefallen ist. Das wäre die schlechteste Idee gewesen, die es gibt. (lacht) Die Menschen diese Tragödie noch einmal erleben zu lassen, war unmöglich. Aber ich wollte jemanden zeigen, der lernen muss, einen Verlust zu akzeptieren. Eine Person, die den Schmerz ertragen muss, eine geliebte Person durch einen tragischen Vorfall verloren zu haben, und die von den Erinnerungen an diese verfolgt wird.

Troian Bellisario spielt in eurem Video mit. Ich kenne sie aus der Serie "Pretty Little Liars", in Deutschland ist sie weniger bekannt, in den USA aber sehr. Wieso habt ihr sie ausgesucht?

Da hatten wir Glück. Die Verlobte vom Regisseur des Videos - der auch ein Freund von uns ist - ist mit Troian befreundet, sie leben alle in Los Angeles. Sie hat ihr einfach eine SMS geschrieben, dass ihr Freund dieses Video für uns macht und ob sie Lust hätte, mitzumachen. Und weil Troian schon immer in einem Musikvideo mitwirken wollte, vor allem in einem, in dem eine starke Geschichte erzählt wird, hat sie sich den Song angehört und entschieden, dabei zu sein. Ich muss aber zugeben, dass ich die Serie mit ihr noch nie gesehen habe und die Seite von ihr, die sie dort zeigt, gar nicht kenne. Aber ich weiß, dass sie eine tolle Person ist, dass man gut mit ihr arbeiten kann. Der gesamte Videodreh war eine verdammt geile Zeit, das ganze Team war super.

Die meisten eurer Songs sind ziemlich düster, traurig und melancholisch. Hilft euch die Musik, eigene Belastungen zu verarbeiten?

Ja, das tut sie. Sie wirkt fast wie eine Therapie. Ich wurde auch schon gefragt, was ich machen würde, wenn ich kein Musiker wäre. Vermutlich wäre ich im Gefängnis, weil ich jemanden verprügelt hätte wegen meiner eigenen inneren Verfassung. Aber dadurch, dass ich gelernt habe, Songs zu schreiben, es also ein Output für mich gibt, konnte ich immer aus den Löchern entkommen, in denen ich mich befand. Es gibt auch Leute, die wegen meiner Texte zu mir kommen, es kann sich also eine Gemeinschaft um ein Lied bilden - genau wie in eine Gruppen-Therapie. Es gibt immer Leute, die Ähnliches erlebt haben, mit denen man dann sprechen kann. So können auch neue Freundschaften entstehen. Die Musik gibt einem sehr viele Möglichkeiten, alles auszudrücken, das einen belastet. Ich kann mir gar nicht vorstellen, kein kreatives Ventil zu haben - ich würde verrückt werden.

War die Produktion des neuen Albums anders als die des ersten, weil ihr wusstet, dass es schon ein Publikum gibt, das eine gewisse Erwartungshaltung hat? Oder hat es das gerade einfacher gemacht, zu wissen, dass es schon Fans gibt?

Ich habe keine Form von Social Media: kein Facebook, kein Twitter, kein Instagram - daher weiß ich gar nicht genau, was erwartet wird und bin auch froh darüber. Es wird immer jemanden geben, der unsere Musik hören wird. Wenn unsere Musik einer Person gerade helfen kann, sie zum Lachen bringt oder dazu beiträgt, Liebeskummer zu überwinden, ist das toll. Das wollen wir erreichen. Aber wenn unsere Musik sich bewegt und verändert und sie somit im Leben unserer Hörer keinen Sinn mehr ergibt, ist das völlig in Ordnung. Sie werden eine andere Band finden und wieder andere Menschen werden unsere Musik für sich entdecken. So sollte Musik immer sein, so muss Kunst generell sein. Denn wenn ein Künstler beginnt, seine Kunst an seine bestehenden Fans anzupassen, ist das für keinen mehr vorteilhaft. Denn auch die Fans können sich weiterentwickeln und wenn man sich trotzdem an den alten Mustern orientiert, macht man am Ende für niemanden mehr Musik. Wir haben von unseren Fans noch nie bestimmte Erwartungen wahrgenommen. Wir machen unsere Musik ganz frei, wir spielen das, was wir fühlen, einfach ehrlich.

Ihr werdet ja auch häufig mit Mumford & Sons verglichen.

Oh ja. (lacht)

Seht ihr selbst denn auch Ähnlichkeiten?

Vielleicht auf dem ersten Album. Es gibt einige akustische Überschneidungen, was auch mit der Ähnlichkeit der Instrumente zusammenhängt, die wir spielen - es gab eben diese neue Folk-Bewegung. Auch der Rhythmus ist teilweise ähnlich. Aber auf dem zweiten Album ist das anders. Da kann man nicht festlegen, wo die musikalischen Einflüsse herkommen - wir selber können kaum sagen, wie genau wir unsere Musik definieren würden.

Meiner Meinung nach ist euer Sound ganz anders als der von Mumford & Sons. Sie sind eine meiner Lieblingsbands, ich kenne die Songs also. Wenn ich euch im Vergleich dazu höre, sehe ich kaum Parallelen - und damit meine ich nicht, dass ihr weniger gut seid, einfach anders.

Das sehe ich genauso. Keine Ahnung, wieso wir immer mit ihnen verglichen werden. Sie sind ja sogar Briten und wir Amerikaner.

Ich habe auf Facebook gesehen, dass ihr die beliebteste Band in Washington - dem Staat, nicht der Hauptstadt - seid. Seid ihr stolz?

Klar ist das toll. Aber ich denke, es ist wie jeder Award: Es ist schon eine Ehre, aber was ändert das?

Mit Jonathan Russell sprach Saskia Nothofer

Quelle: ntv.de

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