Lieber nicht zu mädchenhaft Miss Platnum zwischen "Glück und Benzin"
14.03.2014, 13:43 Uhr
Sie nimmt kein Blatt vor den Mund und lässt sich nichts sagen: Miss Platnum.
Vor Kurzem warf Miss Platnum noch mit Balkanbeats um sich, jetzt sorgt sie für R'n'B-Songs mit Tiefgang. Ihr neues Album "Glück und Benzin" beleuchtet die Abgründe der menschlichen Seele und offenbart die wahre Person hinter der Kunstfigur.
Ruth Renner alias Miss Platnum will mit ihrem neuen Album "Glück und Benzin" vor allem eines erreichen: Emotionalität. Obwohl die Musikerin deutschen R’n’B nicht ausstehen kann, wagt sie sich an die Herausforderung, ausschließlich auf Deutsch zu singen. "Miss Platnum ist tot, lang lebe Miss Platnum" - eindringlicher kann der Wandel der Musikerin nicht beschrieben werden. Zwar immer noch wild und bunt, gleichzeitig jedoch sehr viel melancholischer und zurückhaltender, stehen im vierten Album Wut, Trauer und Schmerz im Mittelpunkt. n-tv.de traf Miss Platnum zum Interview in Berlin und sprach mit ihr über 99 Probleme, Old School Hip-Hop und lästige Klischees.
n-tv.de: Dein neues Album ist ganz anders als deine drei ersten Platten. Du singst jetzt auf Deutsch, die Balkan Beats sind fast komplett verschwunden. Wieso?
Miss Platnum: Es ist ganz normal, sich als Künstlerin weiterzuentwickeln und für mich war es an der Zeit, was Neues zu machen. Für jedes Album suche ich neue Herausforderungen, die mich reizen. Der Ausdruck "neu erfinden" ist dabei etwas hoch gegriffen, denn man kann kaum wirklich etwas neu erfinden, aber ich suche immer nach neuen Gewändern für meine Musik. Deshalb habe ich alles umgestaltet und einen radikalen Umbruch gemacht.
War der Schritt denn auch schwierig für dich, oder war es - wie du gerade erklärt hast - nur eine Herausforderung?
Schwierig würde ich nicht sagen. Je mehr Alben man macht, desto mehr versucht man auch, sich selbst zu zeigen - zu zeigen, dass man weitergekommen ist, dass man sich weiterentwickelt hat. Ich habe nicht mehr diese Frische, diese Naivität, die ich noch beim ersten Album hatte. Das ist mein viertes Album und diese Reife, die ich mittlerweile habe, kann der Grund sein, weshalb es so lange gedauert hat, bis es fertig wurde.
Kann das denn auch daran liegen, dass du erstmals auf Deutsch singst?
Ja, das kann sein. Mir war wichtig, dass wenn ich auf Deutsch singe, auch alles sitzen muss. Auch die Produktion hat natürlich lange gedauert - das Finden der richtigen Mischung für die Songs. Das ist ein Prozess, und das kann man vorher nicht berechnen. Für mich hat es sich aber total gelohnt, ich bin glücklich damit, wie es geworden ist.
Du hast früher mal gesagt, du kannst deutschen R'n'B nicht ausstehen. Das hat sich dann wohl geändert?
Im deutschen R'n'B wird oft nur vom Englischen ins Deutsche übersetzt. Diese ganzen Standard-Klischee-Themen - die ich ja auch in meinen Songs anspreche, aber anders verwertet - werden meistens eins zu eins übernommen und das klingt total kacke. Ich habe für mein Album lange nach einer Sprache gesucht, die cool ist, die urban ist und die viel mehr vereint als nur R'n'B. Vorher habe ich auch R'n'B gemacht, aber meine Musik hat immer noch einen gewissen Twist. Früher war das der Balkansound und jetzt habe ich mich an Chansons orientiert und mehr Elektrobeats integriert. Mit war es einfach wichtig, dass es nicht so ein 'Rumgeseier' ist und dass es zu mir passt. Es muss Ecken und Kanten haben, es muss Eier haben und darf nicht mädchenhaft sein.
Willst du mit dem neuen Album auch dein Image verändern? Weg von der Kunstfigur - hin zur ernst zu nehmenden Künstlerin?
Ich glaube, ich war schon immer eine ernst zu nehmende Künstlerin. (lacht)
Ich meine, dass du weniger bunt und dafür eher ernster geworden bist.
Finde ich eigentlich nicht. Nur die Grenze zwischen der Kunstfigur und mir selbst, also der Person, die dahinter steht, ist aufgehoben. Aber es ist immer noch bunt. Die Videos sind bunt, die Klamotten darin sind bunt. Der Style hat sich auch weiterentwickelt, er ist nur nicht mehr ganz so plakativ, weil es den Balkan-Überbau nicht mehr gibt.
Weil du gerade schon von Video sprichst: In dem Clip zu deinem Song "99 Probleme" zeichnest du ein Straßenbild von Bukarest in deiner Heimat Rumänien. Hängst du noch immer sehr an deiner Heimat? Hast du noch viele Verbindungen zu dem Land?
Auf jeden Fall. Es ist immer noch meine Heimat. Auch wenn Berlin meine neue Heimat ist, fühle ich mich dort noch immer zu Hause, und ich bin gerne da und versuche, so oft es geht hinzufahren. Es ist immer schön, in Bukarest zu sein. Es ist vor allem schön, zu wissen, dass man woanders herkommt, dass es noch andere Einflüsse gibt, die ich auch in meine Kunst einfließen lassen kann und die auch meinen Charakter prägen.
Du warst acht Jahre alt, als du nach Deutschland gekommen bist. Wie hat deine rumänische Kindheit dich geprägt? Bist du anders als die Deutschen?
Wenn man woanders aufgewachsen ist, hat man meistens das Glück, dass der Horizont etwas erweitert ist. Man kann diesen natürlich auch durch Reisen erweitern. Ich kann daher nur empfehlen, als junger Mensch oder wann immer man kann, viel zu reisen. Das ist immer gut, um aus seinem eigenen Kosmos rauszukommen. Dadurch, dass ich sehr anders aufgewachsen bin als hier in Deutschland, habe ich eine Art Wissensschatz, aus dem ich schöpfen kann. Ich versuche, nicht alles für selbstverständlich zu nehmen. Hier gibt es alles im Überfluss, aber ich weiß, dass das nicht überall der Fall ist. Das darf man nicht vergessen.
Was sind denn deine ganz persönlichen Eigenheiten? Was ist speziell an dir?
Ich habe einen Putzfimmel, ich räume gerne auf. Ich richte meine Wohnung gerne ein, das ist wie ein Hobby von mir. Ich glaube, wenn man meine Platte hört, checkt man auch schon, wie ich bin. Ich bin gerne mal sehr laut, gleichzeitig aber sehr sensibel und emotional. Das sind zwar unterschiedliche Eigenschaften, aber die vereinen sich in dem Albumtitel "Glück und Benzin" ganz gut. Dieses "Ying und Yang" ist bei mir deutlich: einerseits das Wilde, was auf der Bühne auch notwendig ist und andererseits das Ruhige, in sich Gekehrte, fast Schüchterne. Es ist schwierig, sich selbst zu beschreiben.
Noch mal zurück zu deinem Song "99 Probleme". Ist dieser an "99 Problems" von Jay-Z angelehnt?
Jaaa.
Bist du ein Fan von ihm?
Ich bin schon Fan - ich habe natürlich keine Poster an der Wand von ihm zu Hause. (lacht)
So meinte ich das auch nicht.
(lacht) Ich habe auch keine Platten gesammelt. Jay-Z ist einfach ein sehr ernst zu nehmender, prägender Künstler. Vor allem den Hip-Hop hat er natürlich geprägt - man kann fast von "Godfather" sprechen. Als Jay-Z und Kanye West ihre letzten Alben veröffentlicht haben, fand ich Kanyes dann aber doch besser. Es ist krass, wie er den Sound weiterentwickelt und sich traut, in andere Genres einzusteigen. Da ist Jay-Z ein bisschen Old School, aber dafür steht er auch, und das ist wieder cool. Er ist auf jeden Fall ein sehr bemerkenswerter Künstler.
Welche Musik hörst du sonst privat?
Ziemlich unterschiedlich. Manchmal lege ich die "Solo Piano"-Platte von Chilly Gonzales auf.
Oh ja, die ist schön.
Ich höre gerne Little Dragon, da war ich auch vor Kurzem auf einem Konzert - das ist eine meiner Lieblingsbands. Ich höre gerne Tom Waits. (kurze Pause) Jazz, eigentlich alles Mögliche.
Beeinflussen diese Künstler auch deine Musik?
Ich denke schon, ja. Wenn man genau hinhört, erkennt man sehr viele Einflüsse. Ich finde es auch schön, den älteren Sounds Tribut zu zollen und zu merken, wo eigentlich die urbane Musik, die wir heute machen, herkommt.
Du schreibst deine Lieder selbst, oder?
Ja, ich habe mit drei Textern an den Songs gesessen, denn an die deutschen Texte habe ich mich nicht alleine rangetraut. Wir haben zusammen als Team an den Sachen gearbeitet. Ich schreibe natürlich überall mit, und ich habe auch mit produziert auf der Platte. Die anderen haben auf jeden Fall sehr guten Einfluss auf die Musik.
Marteria war auch dabei, oder?
Ja genau.
Wie war die Zusammenarbeit mit ihm?
Wird sind befreundet, deshalb ist es schwierig, das zu beantworten. (lacht) Es war einfach ganz normal, wie auch bei den anderen Platten. Wir freuen uns, wenn wir uns sehen, wir gehen jetzt zusammen auf Tour, und ich bekomme keine feuchten Hände, wenn ich ihn sehe. (lacht) Er ist einfach ein guter Freund.
Insgesamt ist "Glück und Benzin" ja eher düster - Verzweiflung, Trauer, Wut und Schmerz dominieren die Songs. Wieso so negativ?
Ich finde das gar nicht so negativ, sondern würde es eher als verarbeitend beschreiben. Es ist für mich melancholisch, zeitweilig zumindest, aber ich mag diese Art der Musik. Musik, die nur Dur ist und nur happy und 'uns geht’s allen so gut', finde ich nicht interessant. Ich mag Inhalte, die schwermütiger sind und wo man Lust bekommt, die Gläser an die Wand zu schmeißen oder in seinem eigenen Tränensee zu versinken.
Also steckt da bei dir auch eine persönliche Note drin.
Ja, ganz unmittelbar.
Verarbeitest du mit deiner Musik also Dinge, die dich persönlich belasten?
Nicht eins zu eins. Die Geschichte von "Frau Berg" zum Beispiel ist mir ja nicht selbst passiert. Aber es gibt schon Emotionen, die ich nachvollziehen kann. Auch bei "Frau Berg" - ich kann mir gut vorstellen, dass jemand ein solches Leben hat. Musik, die eine gewisse Schwere hat, finde ich einfach schön.
Du gehst im Mai auf Tour. Was kann man davon erwarten? Wird es wild?
Es wird nicht so wild wie die letzten Touren. Ich habe vieles umgestellt, habe eine neue Band. Es wird ein Eintauchen in diese Welt sein, ein Eintauchen in die Musik. Es ist nicht mehr diese pure Show mit bunten Tüchern und Tanzeinlagen. Es wird aber auf jeden Fall ein visuell und akustisch toller Moment werden. Ich versuche, die Leute auf eine Reise mitzunehmen und sie miterleben zu lassen, wie das Album entstanden ist. Es soll ein emotionales Erlebnis werden, und man soll nicht erwarten, dass man die ganze Zeit wie auf dem Dancefloor tanzt. Natürlich gibt es auch tanzbare Nummern, aber das neue Album ist wie es ist und ich werde viele Songs davon spielen. Es gibt kein "Give me the food" mehr. Aber ich denke die Fans, die das neue Album dann kennen, werden sich genau darauf freuen. Und ich freue mich wahnsinnig darauf, die neuen Songs zu spielen.
Du erwähnst "Give me the food". Wegen dieses Songs wurde dir in der Vergangenheit immer wieder der Stempel aufgedrückt, Sprecherin für die weniger schlanken Frauen zu sein. Wie stehst du denn zu dem Schlankheitswahn, der gerade im Showbusiness herrscht? Kümmert dich das noch oder hast du keinen Bock mehr drauf?
Es interessiert mich einfach nicht mehr. Ich sage es ja auch in "99 Probleme": Ich habe schon so viel zu dem Thema gesagt, es wurde alles gesagt. Ich wurde zeitweise auch sehr darauf reduziert, was ich im Nachhinein auch verstehen kann, denn Medien stürzen sich immer sehr gerne auf so was. Aber für mich ist das over. Ich mache Musik, ich bin Künstlerin, ich sehe so aus, wie ich aussehe, bin eine selbstbewusste Frau, und ob dünn oder dick, ist mir einfach scheißegal. Es geht um die Musik, die ich mache.
Mit Miss Platnum sprach Saskia Nothofer
Das Album "Glück und Benzin" erscheint am 14. März.
Im Mai geht Miss Platnum auf Tour in Deutschland:
05.05. München, Ampere
06.05. Leipzig, Werk2
08.05. Berlin, Lido
09.05. Krefeld, Kufa
10.05. Heidelberg, Karlstorbahnhof
12.05. Köln, CBE
13.05. Hamburg, Mojo
Quelle: ntv.de