Das neue Album der Foo Fighters Mit Retro in die Zukunft
08.04.2011, 11:52 UhrDrei Jahre nach dem bislang erfolgreichsten Album der Bandhistorie kommt mit "Wasting Light" der nächste Longplayer der Foo Fighters. "Beginn einer neuen Trilogie", sagt Schlagzeuger Taylor Hawkins und nickt bedeutungsschwanger.
Er sieht geschafft aus. Offenbar war es eine lange Nacht. Die Augen wirken müde, aber die weißen Pantoffeln auf der Tischkante, sie wippen hin und her. Taylor Hawkins' Haare sind gefärbt, gebleicht, zumindest teilweise, und strähnig. Gestern, beim Pressehören des neuen Albums der Foo Fighters, kam er spät, zusammen mit der restlichen Band. In schwarzen, glänzenden Autos rollten sie vor den Roten Salon der Berliner Volksbühne. Drei Treppenabsätze weiter oben war "Wasting Light" da bereits zweite Mal durchgelaufen. Der Auftritt in Zivil ist souverän und kalkuliert. Ein paar Drinks in der Hand, ein paar Fotos mit Fans, ein bisschen Smalltalk.
Jetzt ist es 13 Uhr, vorher waren bereits andere Journalisten da. "Bei Promotrips für andere Alben saßen wir teilweise acht Stunden am Stück auf dem Zimmer und konnten am Ende kaum noch reden", plaudert der schlaksige Schlagzeuger mit etwas kratziger Stimme. Das sollte dieses Mal offenbar nicht passieren. Jeder, der ein Gespräch mit der US-amerikanischen Band wollte, musste sich vorab einen Film angucken; angekündigt als "making of", aber eigentlich eine neu erzählte Geschichte der Formation, die musikalisch manchmal schwer einzuordnen ist. Taylor sagt: "Daves Einflüsse sind Led Zeppelin, The Beatles, Punkrock und Metal." Dave, das ist Dave Grohl, der Kopf der Foo Fighters. "Das ist unsere Band." Bassist Nate Mendel, der inzwischen neben Taylor sitzt, nickt.
Gäbe es Nirvana noch, wären die Foo Fighters wohl nicht da, wo sie jetzt sind. Doch Kurt Cobain setzte sich Anfang der 1990er Jahre eine Schrotflinte an den Kopf. Und Schlagzeuger Dave Grohl gründete seine eigene Band. Weniger Grunge und weniger Seattle-Sound, dafür mehr Aggression. In eigenen musikalischen Grenzen. "Meiner Ansicht nach gibt es etwa fünf Arten von Songs, zu denen wir als Band tendieren. Diese Platte ist eine Kombination aller unserer Stile", sagt Taylor. Der Opener "Bridge Burning" könnte auch glatt als Schwester von Grammy-Song "The Pretenders" durchgehen, dem vielleicht erfolgreichsten Titel der Band. Nicht ohne Grund, ist er doch ein seltenes politisches Statement. "What if I say that I'm not like the others", heißt es da anklagend, während im Videoclip (youtube.com/watch?v=EN-3_OR7JoE) Polizisten in Einsatzausrüstung und gezückten Waffen auf die Band zustürmen.
Keine Gleichgültigkeit, keine Ziellosigkeit
Die Klischees, die den Grunge aus dem äußersten Nordwesten der USA in die Welt spülten, waren nie die Hauptmerkmale der Foo Fighters. Keine Gleichgültigkeit, keine Ziellosigkeit einer viel beschriebenen und so überzeichneten Generation X. Nur die Drogen, die in der Szene noch heute allgegenwärtig sind, hätten den Vierling sprengen können - und Taylor fast das Leben gekostet. Nach einer Überdosis saß Dave am Bett seines Freundes und hoffte, dass dieser wieder aufwachen würde. Taylor wachte wieder auf. Und schnauzte ihn an. Das war 2002.
Jetzt sitzt der Schlagzeuger in der Maybach Suite des Grand Hyatt am Potsdamer Platz und sinniert über Entwicklungszyklen. "Bands, die mehr als zwei oder drei Platten gemacht haben, scheinen oft in Dreiergruppen zu arbeiten. 'Wasting Light' ist die erste einer neuen Trilogie von uns." Nate schaut derweil unbeteiligt, regelrecht abwesend durch seine Brillengläser in Richtung Zimmerbar. Das Album wurde In Dave Grohls Garage aufgenommen – mehr als ungewöhnlich für eine Band, dessen Label wohl jeden vernünftigen Budgetvorschlag für ein großes Studio einfach abnicken würde.
“Alles ein bisschen retro”
Minutenlang kreist das Gespräch um die Unterschiede der Aufnahmeumstände, um Vorteile, um Nachteile. Dann platzt es aus Nate heraus: "Am Ende war es Daves Entscheidung", erklärt er kurz und bündig. Die Platte habe "eine Identität gebraucht". Und: "Es ist besser, als immer den gleichen Scheiß zu machen". Die Gefahr haben die Foo Fighters geschickt umschifft. Ein paar Selbstzitate, aber keine Kopien: Die Foo Fighters wiederholen sich auf "Wasting Light" nicht. Nach zwei Grammys und zwei BritAwards für "Echoes, Silence, Patience and Grace" nicht selbstverständlich.
Und doch stechen einzelne Titel aus den größtenteils radiotauglichen Rocksongs heraus. "White Limo" etwa ist hart, nach vorne, das Riff dominant. "Schon vor sechs Jahren haben wir eine Version aufgenommen, wie sie jetzt auf dem Album ist", sagt Taylor. Damals hieß der Song noch "Prehab". Jetzt knallt es aus den Boxen, "alles ein bisschen retro", wie Nate sagt. Man könnte auch die Fakten aufzählen: Tonband statt digitaler Aufnahme, Butch Vig, dem Produzent von Nirvana's "Nevermind" an den Knöpfen - und natürlich Daves Garage.
Überall gibt es solche musikalischen Querverstrebungen. "'Rope' etwa ist ein klarer Nachfolger von 'Low', der auf 'One by One' ist", erklärt er. "Auch 'Weenie Beenie' vom ersten Album und 'White Limo' sind nicht weit auseinander." Zwischenzeitlich bestand die Band lediglich aus Dave, Nate und Taylor, inzwischen sind zwei Gitarristen hinzugekommen. Dave Grohl übernimmt die Rhythmusgitarre, "Chris ist für das Schöne zuständig, das Farbige, die Sahne auf dem Kuchen." Und Pat Smear, der schon mit Nirvana auf der Bühne stand und bei Gitarrenaufnahmen im Studio Dave unsicher fragt: "Ist das zu sehr Grunge?" Pat, "das dreckige Etwas, das der Platte mehr Eier verschafft hat", weiß Taylor.
Zum Ende gibt es dann noch ein Stück Vergangenheitsbewältigung – "I should have known, that it would end this way", singt Dave zu akustischer Gitarre, "didn't hear your warning". Und in der Mitte ein Basssolo von Krist Novoselic, was vom Klang gar nicht in den radiotauglichen Rock der Foo Fighters passen will. Auch er war bei Nirvana. Plötzlich sitzen sie gemeinsam im Studio, Dave, Krist und Butch. "Das erste Mal seit Nevermind'", sagt Butch. Seit fast 20 Jahren. Und die Trilogie? Es ist kein musikalisches Element, was überall vertreten ist, sondern mehr ein "Vibe", eine Stimmung. Sie heißt 'die alte Band'". Taylor grinst, als er das sagt.
"Wasting Light", das neue Album der Foo Fighters, ist am 8. April 2011 erschienen.
Quelle: ntv.de