"Jazz ist wahrer Crossover" Nils Wülker auf dem Weg zum Gipfel
25.02.2015, 17:05 Uhr
Daniel Craig? Nee, Nils Wülker.
Die Zeiten, in denen sich die elitäre Jazz-Branche erfolgreich gegen jedweden musikalischen Einfluss von außen wehren konnte, sind längst vorbei. Künstler wie Jamie Cullum oder Norah Jones füttern urbane Jazz-Standards schon seit Jahren erfolgreich mit massenkompatiblem Pop. Nun steuert auch Nils Wülker den immer größer werdenden Jazz-meets-Pop-Hafen an. Mit an Bord hat er illustre Kollegen wie Xavier Naidoo, Sasha und Max Mutzke. Will Nils Wülker jetzt die Pop-Charts stürmen? n-tv.de fragte bei dem Trompeter nach.
n-tv.de: Nils, dein letztes Album "Just Here Just Now" war eine entspannte Angelegenheit. Zwei Jahre zuvor warst du mit "6" fast schon rockig unterwegs. Jetzt präsentierst du mit "Up" ein Album, auf dem sich Jazz mit Pop vereint. Steckst du gerade in einer Phase, in der du nicht so richtig weißt, in welche Richtung es gehen soll? Oder überraschst du dich und die Leute einfach nur immer wieder gerne aufs Neue?
Definitiv Letzteres (lacht). Ich bin nicht der Typ, der sich gerne wiederholt. Mir ist es immer wichtig, nach neuen musikalischen Ufern Ausschau zu halten und zu gucken, was vielleicht außerhalb der Norm noch funktionieren könnte. Mit dem Album "6" habe ich es beispielsweise bewusst etwas mehr krachen lassen, weil wir zu der Zeit auch live immer ziemlich Gas gegeben haben. Das bot sich dann einfach an. Danach hatte ich das Bedürfnis, meinem Instrument wieder etwas mehr Spielraum zu gewähren. Das Ergebnis war dann "Just Here Just Now"; ein Album, das mehr von seiner kompakten Atmosphäre lebt. Auf dem neuen Album wollte ich mal wieder mehr mit verschiedenen Stimmen arbeiten. Das hat auch immer viel mit Stimmungen zu tun. Es soll einfach spannend bleiben und sich nicht festfahren.
Stören dich Stimmen aus dem elitären Jazz-Lager, die dir jetzt eine Anbiederung an die Masse vorwerfen?
Nein, absolut nicht. Für mich ist Jazz schon immer ein Genre gewesen, das nach allen Seiten offen ist. Ich habe da überhaupt keine Berührungsängste. Und ich denke, dass jeder vermeintliche Jazz-Liebhaber, dem ein poppiger oder rockiger Unterton in seinem Genre unpassend erscheint, sich etwas vormacht. Jazz ist der wahre Crossover. Das war schon immer so.
Du hast für das Album viele illustre Gäste rekrutieren können. Hattest du im Vorfeld bereits eine Liste mit Künstlern, mit denen du gerne zusammenarbeiten möchtest? Oder hat sich die Gästeliste im Laufe der Produktionsvorbereitungen von selbst gefüllt?
Das lief ganz unterschiedlich ab. Mit Max Mutzke wollte ich beispielsweise schon immer was zusammen machen. Wir kennen uns schon länger. Das war unkompliziert. Bei anderen wie Jill Scott oder auch Craig Armstrong hab ich es mir schwieriger vorgestellt. Aber auch da gab es kaum Hürden zu überwinden. Mit Craig Armstrong habe ich kurz telefoniert. Daraufhin fragte er mich nur, ob er nach Hamburg kommen soll oder ob ich ihn in Glasgow besuchen will. Das war schon ziemlich heftig (lacht).
Wie hast du dich letztlich entschieden?
Ich bin dann natürlich nach Glasgow geflogen. Hallo? (lacht)
Du warst für das Album auch in Los Angeles unterwegs, richtig?
Ja, das stimmt. Dort habe ich zusammen mit Mocky an einigen Songs gearbeitet. Der Opener "Dawn" ist beispielsweise in L.A. entstanden.
Ein schöner Einstieg, sehr atmosphärisch.
Ja, absolut. Wir hatten in Los Angeles ein kleines Studio in den Hollywood Hills zur Verfügung. Es war sehr ruhig gelegen und die Aussicht war atemberaubend. Ich saß dann morgens um vier immer - vom Jetlag geplagt - am Klavier und hab' mir den Sonnenaufgang angeguckt.
Es gibt schlechtere Bedingungen, um einen neuen Song ins Leben zu rufen, oder?
Definitiv (lacht).
Was ist noch bei dir haften geblieben, wenn du an die Produktion zurückdenkst?
Natürlich waren die Reisen und das Kennenlernen vieler neuer interessanter Menschen eine tolle Erfahrung für mich. Auch das Aufteilen von Verantwortungen hat mir und dem gesamten Produktionsprozess gut getan. Es hat einfach Spaß gemacht auch mal Entscheidungen von anderen treffen zu lassen. So kam irgendwie nie richtig Stress auf. Es herrschte kein Druck, sondern nur Vorfreude auf das, was hinter zahlreichen Türen so vor sich ging.
Klingt, als könntest du dir eine derartige Herangehensweise auch für die Zukunft vorstellen.
Das muss man erst einmal abwarten. Ich bin kein Musiker, der einen Plan verfolgt. Ich mache mir da jetzt auch noch gar keinen Druck. Es ist aber auf jeden Fall gut zu wissen, dass die Arbeit der vergangenen Monate zu einem - wie ich finde - tollen Ergebnis geführt hat. Ob es aber dann beim nächsten Album ähnlich ablaufen wird, kann ich noch nicht sagen. Jetzt freue ich mich erst einmal über den Moment.
Gibt es irgendeinen Künstler auf der Welt, der diesen "Moment" vielleicht noch schöner hätte machen können?
Nun, ein Song mit Stevie Wonder wäre noch das Sahnehäubchen gewesen. Aber man soll ja auch nicht unverschämt werden. Ich denke, dass man mit Künstlern wie Jill Scott oder Craig Armstrong im Schlepptau schon ziemlich breitbrüstig durch den Tag spazieren kann (lacht).
Oder auch auf Berge klettern; die zweite Leidenschaft in deinem Leben. Hand aufs Herz: Ein Nummer-Eins-Album oder die Besteigung des Mount Everest? Über was würdest du dich mehr freuen?
(lacht) Oh, ich liebe das Bergsteigen. Aber die Musik kommt bei mir immer an erster Stelle. Frage beantwortet?
Frage beantwortet. Dann toi, toi, toi!
Vielen Dank.
Mit Nils Wülker sprach Kai Butterweck
Quelle: ntv.de