Musik

Muss man gehört haben PJ Harvey - ein bisschen unheimlich

Ungewöhnlich, eigen, eine Künstlerin: P J Harvey.

Ungewöhnlich, eigen, eine Künstlerin: P J Harvey.

In ihrer britischen Heimat wurde sie schon vorher heiß verehrt, aber als PJ Harvey vor 20 Jahren ihr großartig düsteres "To Bring You My Love" veröffentlichte, avancierte sie zur internationalen Indie-Königin, die mit ihrer Musik verstören kann.

PJ Harvey ist eine Künstlerin. Punkt. Das war sie schon immer - die Britin hätte ihren Weg auch als Bildhauerin oder Dichterin in der britischen Kunstszene gemacht, aber es begab sich, dass man ihr Anfang der 90er Jahre einen Plattenvertrag anbot und so entschied das Schicksal. Mit den vibrierenden Alben "Dry" und "Rid of Me" avancierte sie in ihrer britischen Heimat zum absoluten Indie-Darling, denn hier war eine, die selbstbewusst zu grollenden Gitarren über Sex schrieb und ihre Gefühle herausschrie. Dann erschien vor zwanzig Jahren "Bring You My Love" und damit wurde die übrige Welt auf dieses leicht exzentrische Wesen aufmerksam. Das unheimliche "Down By the Water", in dem eine Mutter ihre Tochter ertränkt, wurde sogar zu etwas wie ein Hit, ebenso das akustische und rotzig herausfordernde "C'mon Billy".

Eine neue Patti Smith?

Vergleiche mit Patti Smith kamen wie von selbst auf. Erstens sahen sie sich ein bisschen ähnlich und Harveys "Send His Love To Me" hätte die Amerikanerin auch nicht besser singen können. Man wollte PJ Harvey zudem in die Schublade der Riot Girls stecken, aber das verbat sie sich. Ebenso das Schnüffeln in ihrem Privatleben, davon wollte sie nichts preisgeben. Erst recht nicht, als sie 1996 eine Liaison mit dem musikalischen Fürsten der Finsternis, Nick Cave, hatte.

Sie passt in keine Schublade.

Sie passt in keine Schublade.

Es frustrierte Harvey, dass man alle ihre Texte für autobiografisch hielt. Viel lieber unterhielt sich das Multitalent über die Musik und die änderte sich fast mit jeder Platte. Nach "Bring You My Love" erschien 1998 "Is This Desire?", bei dem die Engländerin mit neuen Instrumenten experimentierte, um einen sperrigeren Sound zu schaffen. Kritiker waren weniger beeindruckt und auch kommerziell konnte das Album nicht an den Erfolg seines Vorgängers anknüpfen. Als Reaktion darauf kam zwei Jahre später das eingängigere "Stories from the City, Stories from the Sea" heraus - und schlug richtig ein. In ihrer Heimat wurde PJ Harvey dafür mit dem prestigereichen Mercury-Preis geehrt und immer mehr Leute kauften dieses fast poppige Werk, auf dem sich mit "The Mess We Are In" auch ein Duett mit Radiohead-Frontmann Thom Yorke findet.

Kein einfaches Hören

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2004 erschien "Uh Huh Her", das sehr rockig und rau mit "The Life and Death of Mr. Badmouth" beginnt, dafür aber sehr zart mit "The Darker Days of Me & Him" endet. Sie wollte hier das Dreckige, Hässliche mit dem Sanften verbinden, beschrieb Harvey in Interviews die Produktion. Das nachfolgende Werk "White Chalk" aus dem Jahr 2007 überraschte dann mit ganz anderen Tönen: Hier war das Klavier der Stimmungsgeber, die Musikerin hatte es gerade gelernt und komponierte damit geisterhafte Klänge, zu dem sie auch noch höher als sonst sang. Es ist kein einfaches Hören, aber das ist es bei PJ Harvey fast nie. Sie will sich nie auf einen Sound festlegen und experimentiert mit Wonne, um sich weiterzuentwickeln.

Und diese Sehnsucht nach dem beständig Anderen führte 2011 zu ihrem bisherigen Meisterwerk: "Let England Shake". Es ist ein Konzeptalbum, das sich mit den Auswirkungen von Krieg und Konflikten aus der Sicht der Betroffenen beschäftigt. Ein Versuch, zu verstehen und zu beschreiben, warum und wie sich Menschen seit Jahrhunderten mit furchtbaren Konsequenzen befehden. Musikalisch ist es allerdings eines der muntersten Werke, die PJ Harvey je komponierte. Sie lernte dafür die Autoharp, eine Art Zither, die hier den Takt vorgab. Es hagelte Preise und jedes Musikmagazin, das etwas auf sich hielt, wählte "Let England Shake" zum besten Album des Jahres.

Nach so einer Leistung fällt es schwer, den passenden Nachfolger zu liefern, aber zumindest für die Produktion hat sich Harvey dieses Jahr etwas einfallen lassen: Sie ließ die Öffentlichkeit beim Komponieren zuhören. Ein paar Glückliche, die Tickets ergattert hatten, durften im Januar und Februar ins Londoner Sommerset House und dort für 45 Minuten in einen großen Glaskasten schauen, wo ihre Heldin mit altbewährten Freunden, wie dem Produzenten Flood und ihrem musikalischen Seelenverwandten, John Parish, mit dem sie schon seit 1983 musiziert, versuchte, ihrem neuen Werk Leben einzuhauchen. Es soll sich spannend angehört haben, aber was anderes erwartet man auch nicht von Polly Jean Harvey, der Künstlerin.

Quelle: ntv.de

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