Mit "Paula" in die Belanglosigkeit Robin Thicke - vom Helden zum Horst
19.07.2014, 21:27 Uhr
Wer die Wahl, hat hat die Qual ....
(Foto: dpa)
Robin Thickes siebtes Album ist zwar erst seit kurzer Zeit auf dem Markt, doch schon jetzt ist schwer vorstellbar, dass es in diesem Jahr einen größeren Flop geben wird als "Paula". Einige Songs taugen was, aber das Gesamtkonzept des Machos geht nicht auf.
Was ist denn da los? Erst genau ein Jahr ist es her, dass Robin Thicke, ein weißer R&B-und Soulsänger aus Los Angeles, der jahrelang eher mäßigen und überhaupt nur in Nordamerika nennenswerten Erfolg hatte, mit "Blurred Lines" überall auf der Welt einen Monstersommerhit landete. Die Nummer war funky, die Nummer war cool, Produzent und Gastsänger Pharrell Williams sorgte für zusätzliche Veredelung. Wochenlang thronte "Blurred Lines", das ein bisschen bei Marvin Gaye geklaut war, an der Spitze der deutschen sowie 17 weiterer Singlecharts, acht Millionen Downloads wurden weltweit verkauft. Thicke katapultierte sich binnen weniger Wochen in Superstar-Regionen hinauf. Dort oben ist es ihm nicht gut ergangen. Selten war ein Absturz gewaltiger.
Die Schläge beginnen schon im vergangenen Spätsommer. In erster Linie Frauen regen sich darüber auf, dass im "Blurred Lines"-Video drei barbusige Models herumturnen, während Thicke, Williams und Rapper T.I bekleidet bleiben. Da der Schriftzug "Robin Thicke has a big dick" durch das Filmchen wabert und es im Text unter anderen "I know you want it" heißt, wird der Song in feministisch interessierten Kreisen mitunter als "Vergewaltigungshymne" gebrandmarkt. Wer es eine Nummer kleiner möchte, erkennt in "Blurred Lines" immer noch eine geballte Ladung prolligen Sexismus. (Thicke und Williams sehen es übrigens genau andersherum und behaupten, das Lied sei eine Hommage an selbstbewusste Frauen).
Für Thicke kommt es dicke
Doch für Thicke kommt es dicker. Als bei einem Live- Auftritt während der "MTV Awards" eine halbnackte Miley Cyrus ihren Hintern an Robins Schoß reibt, sieht das nicht nur ordinär und etwas eklig aus (auch Cyrus wurde heftig kritisiert), es lässt Thicke endgültig als lüsternen älteren Sack dastehen. Da wenig später noch Fotos auftauchen, die ihn beim Rummachen mit einer blutjungen Blondine zeigen, reicht es auch seiner Frau. Die Schauspielerin Paula Patton, zwei Jahre älter als Thicke, Mutter des gemeinsamen vierjährigen Sohnes Julian Fuego und seit der Schulzeit mit ihm zusammen, verlässt den Trottel im Februar.
Das ist also die Ausgangslage für "Paula". Nun ist es weder verboten noch besonders neu, Konzeptalben über fehlgeschlagene Liebesbeziehungen aufzunehmen. Marvin Gaye hat das 1978 mit "Here, My Dear" getan, Bob Dylan 1975 mit "Blood on the Tracks", Coldplays Chris Martin jüngst mit "Ghost Stories". Doch "Paula" ist schlimm. "Paula" ist aufdringlich, schmierig, eine Stalking-Platte. "Paula" ist das akustische Äquivalent eines dieser nervigen Typen, die nicht einsehen können, dass es vorbei ist und die Ex mit Anrufen, Mails, Textnachrichten oder überraschenden Hausbesuchen wahnsinnig machen. 14 Songs ist "Paula" lang, und das größte Problem der Platte sind nicht die dünnen, nichtssagenden Liedchen, die irgendwo zwischen Pop, Latin und Timberlake-für-Arme-Soul herumgeistern und nicht annähernd Hitqualitäten besitzen. Pharrell hält sich dieses Mal übrigens fern, wer möchte es ihm verdenken.
Die Probleme mit "Paula"
Das größte Problem der Platte ist auch nicht, dass Robin Thicke seine so heißgeliebte Paula nicht um ihre Meinung oder gar ihr Einverständnis gefragt hat, bevor er vermeintliche Einzelheiten aus dem gemeinsamen Liebesleben ausbreitete – in "Black Tar Cloud" geht es zum Beispiel um eine zertrümmerte Gitarre und eine Verfolgungsjagd mit Golfschläger. Paula Patton selbst scheint regelrecht verstummt zu sein, sie äußert sich rein gar nicht zur Trennung, sie schweigt, leidet und schämt sich im Stillen.
Das allergrößte Problem von "Paula" ist die Unaufrichtigkeit des ganzen Machwerks. Ohne Schwierigkeiten kann man sich vorstellen, dass Robin Thicke ein selbstverliebter Playboy ist. Für Angebereien über seine Womanizer-Qualitäten ist ja sogar auf "Paula" Platz, in "Something Bad" oder auch "Living in New York City". Den reuigen, verzweifelten, um die Liebe seines Lebens kämpfenden Ehemann, den nimmt man ihm hingegen nicht ab. "Paula" ist das Werk eines selbstverliebten Egoisten. Permanent singt er aus der Ich-Perspektive, Einfühlungsvermögen gegenüber Patton? Gleich null. Und im Video zu "Get her back" bändelt er schon wieder mit einem Nachwuchsmodel an. Alles an "Paula" wirkt absurd. Die komplette Kampagne ist viel zu kitschig, zu dick aufgetragen, zu verlogen, zu kalkuliert. Bei der Musikpreis-TV-Gala "BET Awards" setzte er sich jüngst ans Klavier, brach fast in Tränen aus, sang im Trockennebel die Nummer "Forever Love", hinter ihm leuchtete der Name "Paula" auf, darunter ein Teenagerfoto, auf dem die beiden sich küssen.
"Paula" ist peinlich
"Ist "Paula" das furchteinflößendste Album aller Zeiten?" wollte das US-Wochenmagazin "The Atlantic" wissen. Den medialen Untergang erlebte Robin Thicke aber erst bei einer Frage-und-Antwort-Stunde auf Twitter. "#AskThicke" dürfte für den Sänger etwa ähnlich traumatisch gewesen sein wie für die Brasilianer das WM-Halbfinale gegen Deutschland. "Wie fühlst du dich als Verkörperung der Midlife Crisis", "Planst du auch Songs, die keine Werbung für Vergewaltigung oder Stalking machen?" – so ging das in einer Tour.
Das "Paula" kommerziell scheitert, ist kein Wunder. 530 Mal hat sich das Album in Großbritannien in der ersten Woche verkauft ("Blurred Lines" fand 26.000 Käufer), in den USA sackte er von 177.000 "Blurred Lines"-Abnehmern auf etwa 20.000 "Paula"-Interessierte ab.
Kann jetzt alles nicht mehr schlimmer werden? Oh doch. Paula Patton könnte das zuckrige Gegreine ihres Noch-Gatten erhören und zu ihm zurückkehren, am besten mit fettem Paar-Interview bei Oprah Winfrey in der Livesendung. Oder aber es erweist sich, dass die ganze Geschichte eine inszenierte Farce ist, um Robin Thicke und Paula Patton noch bekannter zu machen.
"Vanity’s my only friend", also "Eitelkeit ist mein einziger Freund", jammert Robin Thicke, 37, in "Something Bad". Der einzige wahre Satz des ganzen "Paula"-Desasters.
Quelle: ntv.de