Sonne aus dem Norden Tina Dico macht glücklich
22.08.2014, 15:08 Uhr
In ihrem Heimatland Dänemark ist sie unter ihrem Geburtsnamen Tina Dickow aktiv, für den internationalen Markt wählte sie den Künstlernamen Tina Dico.
(Foto: imago stock&people)
Inspiriert von ihrer Wahlheimat Island und der Komposition des Soundtracks für einen dänischen Film, zeigt sich Tina Dico mit ihrem neuen Album "Whispers" von einer ganz neuen musikalischen Seite. Ihre Themen sind aber wie immer universell: Liebe, Verlust und Rückschläge, Verteidigung und Bedauern. "Someone You Love", ist die erste Single des Albums. Über Reisen mit Babys, verlorene Koffer, Hochzeiten und die Stille, wenn sie aus dem Fenster schaut, hat n-tv.de sich mit Tina Dico, die bald durch Deutschland touren wird, unterhalten.
n-tv.de: Sie sind heute mitten in der Nacht
aufgestanden, haben dann einen richtig frühen Flieger aus Reykjavik genommen und dabei die ganze Zeit ein Baby auf dem Schoß gehabt. Wie kann man trotzdem so frisch aussehen?
Tina Dico: Ach, danke, das geht manchmal eben. Warten wir mal ab, wie das heute Abend so aussieht. Ich habe einen Babysitter dabei und die Kleine ist ja auch schon fünf Monate alt (lacht).
Na dann ... So richtig bekannt über die dänischen und isländischen Grenzen hinweg geworden sind Sie - mir und vielen anderen wahrscheinlich auch - durch Ihren Hit "Count To Ten".
Bei "Inas Nacht", oder?
Ja, ich denke, spätestens da. Das war ein tolles Duett. Ich mag diese Sendung, weil Ina Müller es ganz oft schafft, Leute einzuladen, die dem breiten Publikum noch nicht so bekannt sind. So wie Sie, komischerweise.
(Lacht) Ja, ich versuche immer wieder, das zu ändern.
Hat ja funktioniert. Jedenfalls war das mein bisheriger Lieblingssong, jetzt habe ich aber einen neuen: "Someone You Love", vom neuen Album.
Das freut mich, er bedeutet mir auch sehr viel. Aber natürlich sind alle Songs auf diesem Album wichtig für mich. Es ist auch etwas anderes dieses Mal, denn ein Teil der Texte ist inspiriert dadurch, dass ich sie für einen Film komponiert habe. Und ursprünglich sollten ein paar dieser Songs von einem Mann gesungen werden.
Dann lässt sich der Titel "The Woman Downstairs" auch besser erklären.
Ja. Einige Songs waren ursprünglich für einen Singer/ Songwriter in dem Film, der hier wohl im Herbst in die Kinos kommt. Der Regisseur des Films hat mir Gedichte geschickt, die er gerne umsetzen lassen wollte. Ich hatte also eine Vorgabe und daraus habe ich mir eine eigene Welt geschaffen, um neue Songs zu schreiben. Es war erstaunlicherweise sehr befreiend für mich, mir vorzustellen, dass jemand anderes diese Lieder singen würde. Normalerweise bin ich tatsächlich etwas vorsichtiger, wenn ich weiß, dass ich für mich texte. Man versucht immer, sich zu schützen, indem man nicht alles von sich preisgibt. Ich will ja aufrichtig sein, aber das ist eben auch schwer, wenn man zu viele Emotionen rauslässt. Wenn man einen Text schreibt, das werden Sie auch kennen, dann lässt man den manchmal nicht so gerne los. Die Musik schafft sich allerdings ihre Wege, wie Quecksilber, manchmal kann man den Prozess dann gar nicht aufhalten. Dann ist es schwer, alles wieder aufzusammeln, zurückzubekommen. Aber dieses Mal hatte ich keine Befürchtungen. Auch gewisse Eitelkeiten kann man dann weglassen (lächelt).
Ich hätte gar nicht gedacht, dass Sie überhaupt Befürchtungen haben könnten, denn Ihre Songs kommen mir schon immer sehr persönlich vor. Es wirkt so, als würden Sie jedes Mal viel von sich preisgeben. Aber vielleicht ist das ja ein Irrtum.

Tina Dico und Helgi Jonsson 2009 in einem Berliner Rundfunkstudio - sie trafen sich 2008, sind seit 2010 ein Paar. Im Juli 2012 bekamen sie einen Sohn, im Januar 2014 eine Tochter.
(Foto: imago stock&people)
Nein, das ist schon richtig. Ich hab’ auch gar kein Problem damit, mich durch meine Songs zu zeigen, aber während ich komponiere und schreibe, da tue ich mich schwer. Da sind manchmal Barrieren, die man überwinden muss, weil man ständig in sich selbst wühlt, und noch eine Emotion hier und noch eine Facette da rausholt. Wenn ich mich in einem Moment so und so fühle, dann schreibe ich das auf, aber zwei Tage später stimmt es vielleicht gar nicht mehr. Dann will ich es wieder ändern. Aber natürlich ist das "der Musik" ja egal, was für Befindlichkeiten ich habe. Und auch jemand anderem, der das dann singt. Und natürlich weiß ich auch, dass es immer das Beste ist, wenn man der Musik ihren Lauf lässt, wenn man seine Emotionen möglichst echt rüberbringt.
Hat es sich auf Ihre Musik ausgewirkt, Kinder zu haben? Wird man da nicht vorsichtiger mit dem, was man rauslässt?
Da hat sich nichts geändert. (zögert) Hätte ich auch gedacht, dass ich mich verändere, aber nein, überraschenderweise nicht. Ich hatte sogar gedacht, dass ich eine ganz andere Person werde (lacht), dass ich andere Ziele verfolgen würde, aber nein. Wenn es um die Musik geht, fühlt es sich weiterhin so an wie früher. Eine Familie zu haben und Musik zu machen sind zwei vollkommen verschiedene Dinge. Die sicher etwas miteinander zu tun haben, aber die Musik ist immer noch so etwas Großes, das manchmal gar nicht greifbar ist. Ganz im Gegensatz zu einem Leben mit Kindern, da ist vieles greifbar. (lacht)
Schreiben und singen Sie für die Kinder?
Ich singe für sie, aber geschrieben habe ich noch nichts.
Ich dachte zuerst, "Someone You Love" könnte für ein Kind sein.
Das stimmt auch, denn in dem Film geht es um einen Erwachsenen und ein Kind. Diese Tatsache hat mich auch sehr motiviert. Das ist ein ganz schöner Film, wirklich.
Haben Sie vorher schon für Filme Musik gemacht?
Ja, einmal. Das Beste daran ist, dass man immer sehr viele Bilder im Kopf hat, das macht es fast ein bisschen einfacher.
Fällt es Ihnen schwer, die Arbeit an einem Album zu beenden? Nach 10 oder 15 Songs zu sagen, so, das war’s, ich habe dem nichts mehr hinzuzufügen?
Es wird immer einfacher. Als ich angefangen habe mit der Musik, war es mir fast unmöglich, auch nur einen Song zu beenden. Jedes Lied sollte alles beinhalten: über mich, die Welt, meine Gefühle (lacht), es war grausam. Aber inzwischen bin ich geübter und weiß schon intuitiv, wann es genug ist. Alles ist viel klarer geworden. Und selbst wenn etwas fehlt – ich kann es ja fürs nächste Album aufheben.
Sie sind eine aktive Facebook-Nutzerin, und ich bin mit Ihnen befreundet ...
... ich weiß ... (lacht)
... wie Tausende andere auch. Verraten Sie da manchmal nicht ganz schön viel von sich, ist es nicht gruselig, dass Sie Ihre Fans/ Freunde gar nicht alle kennen?
Oh nein, überhaupt nicht, ich liebe das! Gut, dass Sie das ansprechen. Besonders meinen dänischen Account benutze ich regelmäßig. Und ich denke auch nicht, das sind meine "Fans", sondern meine Freunde. Okay, zugegeben, echt viele Freunde, aber ich habe das Gefühl, dass ich mich dort äußern kann, und dass ich auch was zurückbekomme. Auf meinem internationalen Facebook-Account denke ich eher: Wollen die das jetzt wirklich wissen, nerve ich die nicht? (lacht)
Also versuche ich, möglichst relevante Dinge zu posten, ich will, dass es ein Hin und Her ist, eine Gemeinschaft. Ich genieße das sehr, was andere mir schreiben oder raten oder sich wünschen. Vor allem in der Zeit, in der ich für Konzerte unterwegs bin, macht es besonders Spaß, so in Kontakt mit den Leuten zu sein. Ich bekomme eine Ahnung davon, was man von mir hören will. Wenn ich dann auf der Bühne stehe, dann ist das auch was Gemeinsames, alle wollen und sollen einen tollen Abend haben. Da meine Musik ja oft eher melancholisch ist, schätze ich übrigens den Humor sehr, der mir sowohl auf Facebook als auch während eines Konzerts begegnet.
Sind Sie der melancholische Typ?
Puh .... ich denke, nein. Ich wache jedenfalls nicht auf und bin melancholisch. Normalerweise habe ich gute Laune. Ich bin ein recht konstanter Typ.
Klingt beneidenswert.
Ja, aber ich muss echt überlegen: Natürlich habe ich meine melancholischen Seite oder Phasen. Mir ist bewusst, dass das Leben nicht ewig dauert ...
Das klingt nun sehr realistisch und auch ziemlich melancholisch ...
Ja, schon, aber das hilft mir dabei, das meiste aus allem zu schöpfen, hoffe ich.
Dann sind Sie der "Carpe Diem"-Typ?
Das versuche ich zumindest. Es gelingt mir, glaube ich, wenn ich auf der Bühne bin. Das ist der einzige Ort, an dem ich mich so richtig gehen lassen kann. Ansonsten bin ich schon sehr nachdenklich. Ich mach’ mir auch gern mal Sorgen. Und als Künstlerin bin ich natürlich auch beobachtend: Ich bin nicht die auf der Tanzfläche, ich bin die, die daneben steht.
Sie tanzen nicht?
Nein (lacht).
Nie?
Naja, schon, ich könnte zum Beispiel Tango lernen, das ginge sicher, aber sich einfach so nach Musik zu bewegen ist nicht mein Ding.
Sie haben mal angefangen, Vergleichende Religionswissenschaften zu studieren – woran glauben Sie?
An nichts (lacht).
An die Liebe?
So lange sie hält, glaube ich an die Liebe. Und an die Musik. Aber ich bin nicht sonderlich spirituell. Ich interessiere mich für Philosophie, deswegen habe ich auch angefangen zu studieren. Religionen zu vergleichen sagt so viel über die Menschen aus. Die Menschen am kältesten Platz der Welt und die Menschen an den heißesten Orten der Erde haben sich seit jeher Geschichten ausgedacht, um sich zu erklären, warum alles so ist wie es ist. Wo kommen wir her, wo gehen wir hin, diese Dinge. Das war sehr interessant, aber auch sehr kurz (lacht) Ich konnte mich nicht konzentrieren, ich hatte Musik im Kopf.
Ist Musik nicht auch eine Art Religion, etwas, das Menschen zusammenhält?
Ja (lächelt). Haben Sie vielleicht Philosophie studiert?
Leider nicht. Aber ich weiß, wie wichtig Musik ist ...
Ja, das ist wohl wahr. (zögert kurz) Ich heirate in zwei Wochen, und ich denke sehr viel über die Musik nach. (Anm.d.Red.: Inzwischen ist Tina Dico verheiratet, mit ihrem Kollegen und Vater ihrer beiden Kinder, Helgi Jonsson). Sind Sie verheiratet?
Ja, seit Kurzem. Verschenken Sie ein Mix-Tape an Ihre Gäste mit Lieblingssongs.
Sehr gute Idee, ich denk’ drüber nach. Und wie war es?
Der beste Tag meines Lebens.
Mit Tina Dico sprach Sabine Oelmann
"Whispers" von Tina Dico erscheint am 22. August 2014 - bei Amazon bestellen
Europa Tour
30.10. Berlin, Admiralspalast
31.10. Flensburg, Deutsches Haus
1.11. Bremen, Pier 2
3.11. Hamburg, Thalia Theater
4.11. Cologne, Theater am Tanzbrunnen
5.11. Stuttgart, Theaterhaus (am Pragsattel)
6.11. Dortmund, Konzerthaus
8.11. Zürich, Kaufleuten
9.11. Mainz, Kurfürstliches Schloss
10.11. München, Circus Krone
29.11. London, Shepherd's Bush Empire
1.12. Amsterdam, The Netherlands Musikgebouw
Quelle: ntv.de