Kino

She's a Maneater Nelly Furtado frisst Bon Jovi

Woran merkt man, dass Weihnachten vor der Tür steht? Nicht an den Schokomännern im Supermarkt, sondern direkt beim Plattenhändler des Vertrauens. Dort sind die Auslagen prall gefüllt wie nie zuvor im Jahr. Das Beste dabei sind die "Best of"-Scheiben.

Nelly Furtado ist ein musikalisches Allround-Genie.

Nelly Furtado ist ein musikalisches Allround-Genie.

(Foto: REUTERS)

Ich muss zugeben, ich stehe auf Nelly Furtado, und ja, ich mochte auch mal Bon Jovi - aber vor allem liebe ich Greatest-Hits-Alben: Man bekommt viel Musik für vergleichsweise wenig Geld. Da nimmt man dann auch schon einmal eine Bon-Jovi-CD mit, selbst wenn die besten Jahre der Band längst vorbei sind. Die Rocker aus den 80ern mit Dauerwellen und Poser-Image, dafür aber geilen Riffs, waren schon in den 90ern nur noch Schmachtpopper. Die Haare wurden kürzer, ebenso wie die Gitarren leiser und statt ehrlichem Rock gab es Liebeslieder und Schnulzen en masse. Such a Surges "Nie mehr Lovesongs" könnte direkt für Bon Jovi gemacht worden sein. Aber sie hörten nicht auf: Mit "Keep the Faith" war dann bei mir erst einmal Schluss.

Nun, gefühlte Jahrzehnte hinter mir und eine vierstündige Bahnfahrt von Berlin nach Frankfurt/Main vor mir, griff ich wieder mal zu und kaufte das Greatest-Hits-Album von Bon Jovi. Nelly Furtados "The best of …" kam gleich noch dazu. Die CDs noch gegrabbt und ab in den Zug, der etwas verspätet kommt: "Wir bitten um ihr Verständnis", tönen die Lautsprecher am Bahnsteig. Na, mir relativ egal, ich hab ja frische Mucke dabei.

Alte Mucke ist doch die Beste

Also Bon Jovi "Greatest Hits". Schon wieder? Schon wieder! Nach "Crossroad"von 1994 und "This left feels right" (2003), für das alte Songs neu aufgenommen wurden, ist die aktuelle die bereits dritte "Greatest Hits" der Amerikaner. Und damit wirklich jeder zufrieden ist, gibt es sie auch gleich in zwei Versionen: Als Single-CD mit 16 Songs, davon 2 neu, und als Doppel-Album mit 30 Songs, davon 4 neue Tracks. Die Entscheidung für die 16er Variante fiel leicht: Außer "Runaway" und "Blaze of Glory" kann man sich die zweite Scheibe des Doppel-Albums schenken.

Früher Rocker, jetzt nur noch Schmusepopper: Jon Bon Jovi.

Früher Rocker, jetzt nur noch Schmusepopper: Jon Bon Jovi.

(Foto: AP)

Wahnsinn, wie gut Bon Jovi doch früher gewesen sind: "Livin’ on a prayer" rockt am Anfang des Albums. Danach wird es noch besser: "Shot through the heart and you’re to blame - Darlin’ you give love a bad name", schreit Jon Bon Jovi ins Mikro. Yes, das ist mal ne Ansage. Danach kommt mit "It’s my life" und "Have a nice day" auch etwas für die jüngere Generation, bei der man schon froh sein kann, dass sie überhaupt noch Gitarrenmusik hört, auch wenn sie lasch ist. Und vielleicht überzeugt sie ja Richie Samboras Griffvirtuosität, die bei "Wanted dead or alive" die Saiten so unverkennbar klingen lässt. Eines der coolsten Soli der Rockgeschichte, wenn auch etwas zu kurz. Aber man merkt: Sambora war einmal ein Guter in der Rockszene. Mit "Bad Medicine" gibt’s noch einen Klassiker hinterher, aber dann wird es zunehmend poppig.

Ich schlafe ein und wache bei Braunschweig wieder auf, weil mittlerweile "Lay your hands on me" vom Album "New Jersey" aus den Ohrhörern dröhnt. "New Jersey" wird wohl für alle Zeiten das beste Machwerk der Band aus dem gleichnamigen Bundesstaat bleiben. "Ohohohoho … lay your hands on me." Und nun? "Always", ein Song, der so klingt, wie die Werbung mit dem gleichnamigen Produkt nervt. Das war’s. Ich wechsele zu Nelly Furtado. Wenn schon Pop, dann mit lieblich-verführerischer Frauenstimme.

"Turn off the light"

"I’m like a bird" ist das erste von 18 Liedern auf der "The best of Nelly Furtado"-CD, die insgesamt mehr als 74 Minuten Hit an Hits bietet. Der Einstieg ist geglückt. Ich lehne mich zurück, schaue aus dem Zugfenster, auf die vorbeirauschenden Wolken, die auftauchenden und wieder verschwindenden Bäume und dazu säuselt die gebürtige Kanadierin "I don’t know where my soul is, I don’t know where my home is. I’m like a bird, I only fly away." Wenn doch alles nur so einfach wäre. "Turn off the light" und "**** on the radio (remember the day)" machen es einfach. Die Fahrkartenkontrolleurin bekommt trotz der frühen Stunde ein Lächeln. Sie ist überrascht. Ich bitte um Verständnis.

Nelly Furtados portugiesische Wurzeln klingen aus "Fotografia", einem Duett mit Juanes unverkennbar heraus. Bei "Powerless" bleibt der Text sofort hängen: 'Cause this life is too short, to live it just for you. But when you feel so powerless, what are you gonna do? So say what you want. Say what you want …" So klingt Gute-Laune-Musik, selbst mit tiefgängigem Text und egal, ob in Englisch oder Portugiesisch.

Es gibt nur einen Rudi Völler

Und mit "Forca" kommt endlich der Song, den ich mit Nelly Furtado verbinde. Schon bei den ersten Klängen fühle ich mich ins Jahr 2004 zurückversetzt, nach Portugal, in die guten alten EURO-Zeiten, als Rudi Völler als "Bundestante Käthe" dem heutigen Jugendwahn noch widerstand, aber in der Vorrunde mit Ballack und Co. gescheitert ist. Was soll’s, solange bei den Fußball-Großereignissen solche Songs entstehen: "Com uma forca" - "Mit einer Kraft" wird Griechenland Europameister.

Danach kippt die Stimmung der Musik - nicht unbedingt zum Negative. Den Songs ist anzumerken, dass auch Nelly Furtado schon einige Jahre im Musikbusiness auf dem Buckel hat und musikalisch sehr flexibel unterwegs ist: "Promiscuous", "Maneater" und "Say it right" beweisen das. Sie sind härter, für den Dancefloor gemacht. Eigentlich nicht meine Sache, aber für alles gibt es die berühmten Ausnahmen.

Ab auf die Insel

Bei "All good things" haucht Nelly Furtado dann endlich wieder ins Mikro. Und sofort fühlt man sich weit weg. Irgendwo an einem Strand, auf einer einsamen Insel. Keine Menschenseele weit und breit die nervt und Kaffee oder Brezel verkaufen will. Keine quietschenden Zugbremsen, keine englischen Durchsagen - nur ich, der Sonnenuntergang und vielleicht eine Flasche trockener Rotwein. Das wär’s jetzt.

Mitnehmen auf die Insel würde ich dann aber beide CDs. Alles in allem bietet die "The best of Nelly Furtado" (fast) für jeden Musikgeschmack etwas: Dancehits, langsame nachdenkliche Songs, in portugiesisch, wie "Manos al aire"), in englisch ("Broken strings") - wobei die portugiesischen mehr Feuer haben, so wie bei Shakira, wenn sie spanisch singt. Aber eines hat die Furtado-CD eben nicht: Gitarrenriffs. Deshalb muss dann auch die Bon-Jovi-CD mit, aber als MP3-Variante, will heißen ohne den ganzen Schnulzenkram. Und vor allem ohne den Bonus-Track "No apologies". Der verhunzt fast die ganze Scheibe: Der klingt am Anfang nach DJ Bobo oder DJ Ötzi. Eine Rockband auf Beats getrimmt. Das passt einfach nicht.

Nelly Furtado macht es da besser: "Crazy" heißt ihr Zusatzsong, aufgenommen bei einer Radio-Livesession. Allein deswegen lohnt sich die CD fast. Ich weiß, wovon ich spreche: Ich habe den Song circa zwei Stunden am Stück gehört - bis zur Ankunft in Frankfurt/Main.

Quelle: ntv.de

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