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Wir wollen Sie entführen auf eine Zeitreise. Eine Reise durch 80 Jahre deutsches Fernsehen! 80 Jahre?
Tatsächlich! Ab März 1935 strahlt der Berliner Fernsehsender "Paul Nipkow" das erste regelmäßige TV-Programm aus. Die Quote ist mäßig: Nur 250 Empfänger können das Programm theoretisch anschauen, praktisch sind es weniger. Die Bildqualität ist einfach zu mies. Dennoch: Der 22. März 1935 bedeutet einen Meilenstein für das deutsche Fernsehen.
Zu verdanken haben die frühen TV-Macher ihren Job diesem Mann: Manfred von Ardenne, der 1930 die Fernsehübertragung per Kathodenstrahlröhre erfand und seine Erfindung 1931 auf der Berliner Funk-Ausstellung vorstellte.
In den frühen Tagen des Fernsehens sind die Empfangsgeräte noch unhandlich und teuer. Lange Zeit ist auch die Programmauswahl ziemlich spärlich. Dennoch: Es ist der Beginn eines triumphalen Siegeszugs.
Das Fernsehen hat Potenzial. Das erkennen schon sehr früh auch die Nationalsozialisten, die 1933 in Deutschland an die Macht kommen. Die Olympischen Spiele 1936 können als das erste große TV-Ereignis der Welt gelten.
Adolf Hitler nutzt das, um sich zu inszenieren. Das Fernsehen als Propaganda-Instrument - auch dieses Kapitel gehört zur Geschichte des deutschen Fernsehens dazu.
In diesen Jahren ist Fernsehen jedoch noch lange kein Privatvergnügen so wie heute. In kaum einem Haushalt gibt es einen Fernseher. Übertragungen in sogenannten Fernsehstuben, Lichtspielhäusern oder anderen öffentlichen Orten (wie hier einem Lazarett im Jahr 1942) sind die Normalität.
So richtige Verbreitung findet das Fernsehen erst nach dem 2. Weltkrieg. Geräte wie dieser Braun-Fernseher werden nach und nach zum normalen Möbelstück in deutschen Wohnzimmern. Und so entwickelt sich auch die Programmvielfalt fort. In den 50er-Jahren starten unter Aufsicht der Alliierten erste öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten, die ARD entsteht. Und mit ihr kommt ...
... der erste bundesdeutsche TV-Klassiker, der uns bis heute begleitet. Am zweiten Weihnachtsfeiertag 1952 gibt es die erste Ausgabe der "Tagesschau" - fortan fester Bestandteil der Abendgestaltung vieler deutscher Familien.
Erst 1963 gibt es echte "Konkurrenz". Mit Gründung des ZDF läuft "heute" als alternative Nachrichtensendung (im Bild: Anchor-Woman Gundula Gause im Jahr 1990).
Auf der anderen Seite des Eisernen Vorhangs hebt die DDR-Führung am 21. Dezember 1952 - also wenige Tage vor dem West-Pendant - das DFF (Deutscher Fernsehfunk) aus der Taufe. Erste Sendung des Ost-Fernsehens ist die "Aktuelle Kamera", die Nachrichtensendung, die bis zum Ende der DDR täglich informiert.
Ab 1988 bereichert dieser Herr die deutsche TV-Nachrichtenwelt: Peter Klöppel startet mit "RTL aktuell" das erste private Nachrichtenformat. Es ist bis heute fester Bestandteil des Programms. Und nebenbei ein Beweis dafür, dass die Behauptung, Privatfernsehen - seit 1984 über die Fernbedienungen der Deutschen wählbar - erfülle seine Informationsauftrag unzureichend, schwer zu halten ist.
Wo wir schon mal beim Thema sind. Im Jahr 1992 startet der erste private deutsche Nachrichtensender n-tv. Damals noch von der Berliner Taubenstraße aus. Heute sitzt n-tv als Teil der RTL-Gruppe in Köln. Der Sender informiert rund um die Uhr und ruft Konkurrenz auf den Plan: ...
... Anfang 2000 bringt die Pro-Sieben-Sat.1-Gruppe den Sender N24 in Stellung. Mittlerweile ist er Teil des Axel-Springer-Konzerns.
Aber kommen wir zurück zu den Anfängen: Es sind die Nachkriegsjahre, das Wirtschaftswunder hat noch nicht eingesetzt. Dafür gibt es 1954 ein anderes Wunder, das die Menschen vor den noch spärlich vorhandenen TV-Schirmen bannt: In Bern wird die deutsche Fußballnationalmannschaft um Fritz Walter Weltmeister. Keiner hätte dem Team das zugetraut.
Schon in den frühen Jahren dient den Deutschen das Fernsehen in erster Linie zur Zerstreuung. Dieser Herr ist der Urvater des Unterhaltungsfernsehens: Peter Frankenfeld. Mit der Sendung ...
... "1:0 für Sie" moderiert er die erste Spielshow des deutschen Fernsehens. Sie wird ab 1954 live ausgestrahlt und bietet dem Saalpublikum die Möglichkeit, durch Spiele und Quizfragen Preise zu gewinnen. Ein für das deutsche Fernsehen neues Genre ist geboren. "1:0 für Sie" ist das erste bedeutende deutsche Unterhaltungsformat der Nachkriegsgeschichte. Es sollen Hunderte folgen.
1959 geht in Ost und West das "Sandmännchen" auf Sendung. Die aufwändigen Puppenanimationen geleiten seither Kleinkinder ins Bett. Die Wende überlebt übrigens nur der Ost-"Sandmann".
Ein früher Fernsehliebling der Deutschen - gestartet 1956 und dann über Jahre hinweg - ist Zoodirektor Bernhard Grzimek, der mit "Ein Platz für Tiere" in die Tierwelt entführt.
Ähnlich populär sind ab 1965 Heinz Sielmanns "Expeditionen ins Tierreich". Die regelmäßigen Dokumentationen ergänzen für viele Kinder den Biologieunterricht.
1956 gibt es den ersten Grand Prix d'Eurovision de la Chanson. Die Europäische Rundfunkunion richtet den jährlichen Musikwettbewerb aus, Millionen Fernsehzuschauer auf dem Kontinent fesselt das im Frühsommer übertragene TV-Ereignis. Ausrichterland ist stets das Siegerland des Vorjahres. Erst 1982 kann mit Nicole ("Ein bisschen Frieden") eine deutsche Teilnehmerin gewinnen.
Ansonsten ist der Wettbewerb spätestens nach 1990 fest in der Hand der Balkanstaaten und der ehemaligen Sowjetrepubliken. Erst 2010 kann Lena Meyer-Landrut diese Phalanx wieder durchbrechen.
Zu den wichtigsten Unterhaltungsshows des Westens gehört über Jahrzehnte mit Sicherheit der "Blaue Bock", der 1957 auf Sendung geht. Insgesamt 208 Folgen werden ausgestrahlt, durch das Programm in der Äppelwoi-Gaststätte führt zunächst Otto Höpfner, ...
... später dann der unvergleichliche Heinz Schenk. Der eine oder andere Bembel wird hier ausgeschenkt, es gibt Musik und Sketche, gesendet wird stets aus einer anderen zumeist hessischen Stadt. Viel Lokalkolorit, der auch im Rest der Republik beliebt ist.
Die Deutschen lieben den Sport. Und sie lieben ihre "Sportschau". Seit 1961 auf Sendung - im Bild der frühe Moderator Ernst Huberty - ist sie fester Bestandteil des Wochenendes.
Bundesliga-Berichte und "Tor des Monats": Für Sportbegeisterte ist die "Sportschau" (hier mit Moderator Heribert Faßbender) die erste Adresse.
Zumindest, bis 1963 das ZDF-Pendant auf Sendung geht. Am späten Samstagabend läuft seither das "Aktuelle Sportstudio", anfangs und über Jahre moderiert von Harry Valérien. Das Konzept: Es gibt den Sport vom Wochenende und ...
... zum Schluss tritt der Studiogast gegen einen Zuschauer im Torwandschießen an.
Ein wahrer Liebling der Deutschen ist in den 60er-Jahren Hans-Joachim Kulenkampff. Mit "Einer wird gewinnen" moderiert er ab 1964 einen echten Straßenfeger. Dem Quizformat ...
... verzeiht man alles - auch, dass Kulenkampff der erste große "Überzieher" des deutschen Fernsehens ist. Eine halbe Stunde Überlänge sind keine Seltenheit. Der spätere Showmaster Thomas Gottschalk soll diese Marotte als sein Markenzeichen kultivieren. "Erfunden" hat er es nicht.
Zwischen 1965 und 1972 richten die Öffentlich-Rechtlichen für das junge Publikum den "Beat-Club" ein. Das Fernsehen kann die neue Beatmusik, wie sie etwa die Beatles verkörpern, nicht mehr ignorieren. Die erste Sendung wird mit folgenden Worten angekündigt, die viel über den Zeitgeist Mitte der 60er-Jahre aussagt: "Sie aber, meine Damen und Herren, die Sie Beatmusik nicht mögen, bitten wir um Verständnis", sagt Moderator Wilhelm Wieben, bevor ...
... das für die verstaubte Erwachsenengeneration verstörende Treiben losgeht. Es ist der Beginn des unaufhaltsamen Siegeszuges der Popmusik auch im deutschen Fernsehen.
Etwas gesitteter geht es da bei Dieter Thomas Heck, später bei Viktor Worms und Uwe Hübner, in der "ZDF Hitparade" zu. Einmal monatlich präsentiert der Dieter, der Thomas, der Heck in "Ihrem Zett-De-Eff" ...
... die jeweils aktuellen Helden des deutschen Schlagers. Gesungen wird zu Halbplayback. Gesendet wird live, wie zum Beweis dafür werden Datum und Uhrzeit mit angezeigt.
Einen ganz anderen Anspruch verfolgt die seit 1967 ausgestrahlt ZDF-Sendung "Aktenzeichen XY ... ungelöst", die bis 1998 von Eduard Zimmermann moderiert wird. Hier sollen Verbrechen aufgeklärt werden. Die Polizei ruft in der Sendung dazu auf, Hinweise zu geben, die zur Lösung ungeklärter Fälle beitragen können.
Sie werden es auf einigen Bildern schon gemerkt haben: Mittlerweile gibt es in Deutschland das Farbfernsehen. Bei der Funk-Ausstellung 1967 in West-Berlin drückt Vizekanzler Willy Brandt demonstrativ auf den Knopf - und erlöst das Fernsehen von seinen Grautönen.
Eines der ersten großen TV-Ereignisse in Farbe ist die Mondlandung. Als am 21. Juli 1969 die Besatzung von Apollo 11 die ersten Schritte auf dem Erdtrabanten macht ...
... sitzen auch die Deutschen gebannt vor dem Fernseher. Sagenhafte 28 Stunden lang moderiert Günter Siefarth im "WDR Apollo Studio". Er geht als "Mister Apollo" in die Geschichte ein.
Nur wenige Formate prägen das deutsche Fernsehen derart wie der ARD-"Tatort". 1970 beginnt die lose Reihe, in der sich die Kommissare aus dem ganzen Bundesgebiet abwechseln.
Der erste "Tatort" war übrigens der Film "Taxi nach Leipzig" mit Walter Richter als Kommissar Trimmel. Fast 1000 Krimis sollen folgen.
Im Osten gibt es ab 1971 eine Entsprechung zum "Tatort": "Polizeiruf 110". Auch nach der Wende werden die Ost-Krimis noch produziert und wechseln sich am Sonntagabend in loser Folge mit dem "Tatort" ab.
Einer der bekanntesten und beliebtesten Fernsehunterhalter war der Niederländer Rudi Carrell. Auch er soll die Deutschen über Jahrzehnte begleiten. In der nach ihm benannten Show treten ab 1965 Stars ihrer Zeit auf und spaßten, spielten und musizierten.
Dann kommt 1974 "Am laufenden Band".
Ab 1987 verhilft er mit "Herzblatt" den Liebesuchenden zu ihrem Glück.
Weitere Erfolgsformate folgen. Später wechselt Carrell zu RTL ...
... und nimmt in einem bewegenden Fernsehmoment im Februar 2006 die Goldene Kamera für sein Lebenswerk entgegen. Er ist schwerkrank und stirbt nur wenige Monate später.
Auffallend übrigens, dass viele bundesdeutsche Fernsehlieblinge der 50er- und 60er-Jahre keine Deutschen sind. So erobert der Österreicher Peter Alexander die Herzen im Sturm. Sänger, Moderator, Schauspieler - es gibt nichts, was der charmante Entertainer nicht kann. Vor allem die Damen lieben den geborenen Schwiegersohn dafür heiß und innig. (Foto: Mit Anneliese Rothenberger)
Mit dem Start des ZDF schwingt sich ein zweiter bundesdeutscher Sender auf, um die Menschen zu unterhalten. Es beginnen die großen Jahre des Hans Rosenthal. Bei "Dalli Dalli" müssen prominente Rateteams gegeneinander antreten. Gelingt die Lösung, ...
... quittiert das Rosenthal mit dem Ausruf "Sie sind der Meinung: Das war ..." Und das Publikum antwortete: "Spitze!" Ganz großes Fernsehen.
Apropos groß. 1974 geht "Der große Preis" erstmals auf Sendung, ebenfalls im ZDF. Wim Thoelke führt durch die Show, es gibt Quizfragen, Preis, einen guten Zweck - die "Aktion Sorgenkind". Alles, was am Samstagabend für ein wohliges Gefühl sorgt plus ...
... den teuersten Part der Sendung: die geheimen Stars Wum und Wendlin, ein Hund und ein Elefant, die als Zeichentrick-Sidekicks auftreten. Erschaffen hat sie Komikerlegende Loriot.
Diese beiden liebenswerten Schweizer sind ab 1980 ungefähr die Einzigen, denen man verzeihen kann, was sie tun. In "Verstehen Sie Spaß?" veräppeln sie berühmte und weniger berühmte Menschen mit der versteckten Kamera.
Für die Zoten ist der stets etwas schlüpfrigen Karl Dall zuständig - der Samstagabend ist für die ARD gerettet.
Ein Jahr später schickt das ZDF einen wahren Show-Giganten ins Rennen. Frank Elstners "Wetten, dass..?" soll den Samstagabend bis 2014 beherrschen - zumindest in den frühen Jahren. Prominente wetten, ob unprominente Kandidaten können, was sie behaupten. Einfach und genial ...
... findet das auch Thomas Gottschalk, der das Format zur Legende macht. Als die Quoten zuletzt immer schlechter werden, versucht Markus Lanz, das sinkende Schiff zu retten. Am 13. Dezember 2014 kommt der letzte Akt des zuletzt doch arg quälenden Dramas. "Wetten, dass..?" ist Geschichte.
Ein ähnliches Schicksal droht einer weiteren deutschen Fernsehinstitution. Seit 1981 gibt's im "Musikantenstadl" Volkstümliches. Karl Moik macht die Sendung zu dem, was es für die vornehmlich ältere Zielgruppe ist: solide TV-Unterhaltung mit Musik.
1996 übernimmt Andy Borg, die Quoten sinken.
Schon Geschichte ist dagegen die Sendung mit dem Schimpansen: "Ronny's Pop Show". Zwischen 1982 und 1988 zeigt der Affe - synchronisiert von Otto Waalkes - Videoclips.
Ab 1983 bis 1990 zeigt die ARD in "Formel eins" aktuelle Popmusik-Videos. Mit dem Start von ...
... MTV in Deutschland im Jahr 1987 und dem späteren Pendant Viva (ab 1993) hat sich das Format dann überlebt. Überhaupt: MTV und Viva. Die Musiksender mischen die TV-Szene ordentlich auf. Sie sind Geburtsstätte der Karrieren von ...
... so manchem TV-Star, wie Oliver Pocher oder ...
... Stefan Raab.
Doch zurück zu den 80er-Jahren. Als sich 1981 Prinz Charles und Lady Diana das Ja-Wort geben, fiebern auch in Deutschland die Royals-Fans mit. Und sie ...
... müssen in den Folgejahren auch miterleben, wie die Ehe in die Brüche geht. Das dramatische Ende des Lebens von Diana ist bekannt.
Das deutsches Fernsehen auch mit Anspruch unterhalten kann, stellt zwischen 1980 und 2008 Dieter Hildebrandt gemeinsam mit weiteren Kabarettisten unter Beweis. Der "Scheibenwischer" ist über Jahrzehnte ...
... eine Instanz und von Politiker gefürchtet.
1984 fällt in der ARD der Startschuss für "Spaß am Dienstag". Ein "echter" Moderator und eine Trickfigur - am beliebtesten ist der gelbe Punkt Zini - sagen Kinderfilme und -serien an.
Ein Jahr später, 1985, geht ein weitere deutscher Klassiker auf Sendung: die "Lindenstraße". Seit jetzt schon drei Jahrzehnten verfolgt Fernseh-Deutschland das Schicksal der Bewohner dieser fiktiven Straße. Auch wenn die Quoten immer schlechter werden, soll es bis 2016 noch weitergehen.
Mit dem Start der Privaten im Jahr 1984 - im Bild der erste RTL-Chef Helmut Thoma - gibt es in der Unterhaltung neue Konkurrenz für die Öffentlich-Rechtlichen.
Seit 1985 läuft "Bravo TV", der Ableger der bekannten Jugenzeitschrift. Charts, Interviews mit Stars und Aufklärungsthemen spielen ...
... auch die Hauptrolle, wenn Ixi und Mark auf Sendung gehen. Anfangs läuft die Show noch bei Sat.1, später wechselt das Format zu RTL II und schließlich zum ZDF.
"Bravo TV" ist ähnlich wie die Musiksender eine Schmiede für junge Moderationstalente. Heike Makatsch ist hier in ihren frühen Fernsehjahren etwa beschäftigt oder auch Jasmin Gerat.
Geradezu revolutionär ist der Ansatz der Sendung "Eine Chance für die Liebe", die Erika Berger ab 1987 bei RTL moderiert: "Ein Penis ist nun mal ein Penis, fertig", findet sie. Und meint: Auch Erwachsene müssen lernen, unverkrampft über Sexualität zu reden. Und genau das macht die Münchnerin in den Folgejahren. Später kommt die Talkshow "Der flotte Dreier" hinzu, der Impetus ist derselbe.
1988 gehen bei RTL Hella von Sinnen und Hugo Egon Balder mit einem schrillen Konzept an den Start: Mit verrückten Outfits, Tortenschlachten und irren Spielen, die oft im absoluten Chaos enden ist "Alles Nichts Oder?!" etwas komplett Neues: anarchisch, aber genial.
Etwas mehr Ordnung bringt diese junge Dame ins deutsche Fernsehen. Maren Gilzer geht als professionelle Buchstabenumdreherin in die Geschichte ein.
Ihr Betätigungsfeld: die Sat.1-Sendung "Glücksrad", moderiert von Peter Bond. Die Adaption einer US-Vorlage läuft ab 1988 über Jahre im Vorabendprogramm. Gilzer soll übrigens Jahre später ...
... diesem Herrn im australischen Dschungel wiederbegegnen. Maren Gilzer und Walter Freiwald sind 2015 Kandidaten im Dschungelcamp. Ab 1989 konkurrieren sie als Sidekicks bei Sat.1 und RTL um die Quote. Freiwald ist Ansager in der RTL-Spielshow "Der Preis ist heiß".
Chef im Ring ist der Niederländer Harry Wijnvoord. Die Kandidaten müssen den Preis von Produkten erraten, bekommen dafür Preise. Die Grenzen zwischen Programm und Werbung sind bewusst fließend. Auch hier ist jedenfalls alles auffallend bunter als bei der öffentlich-rechtlichen Konkurrenz, die zunehmend als verstaubt angesehen wird. Die Privaten müssen sich dagegen den Vorwurf gefallen lassen, zu seicht zu sein.
Noch ein Beispiel gefällig? Marijke Amado - noch so ein niederländischer TV-Import - führt ab 1990 durch die "Mini Playback Show".
Kinder bewegen zu bekannten Hits die Lippen und werden von einer Jury bewertet.
Und dann müssen wir noch über "Tutti Frutti" sprechen, jene RTL-Show, deren Regeln niemand jemals so richtig durchschaut. Was Hugo Egon Balder im Programm hat, ist vor allem nackte Haut.
Die Erdbeere, die Zitrone und andere leicht bekleidete Früchtchen ziehen blank. Wann und warum genau? Keiner weiß es - es spielt irgendwie auch keine Rolle.
1988 erlebt Deutschland eines der packendsten und zugleich kontroversesten Live-Fernsehereignisse: die Geiselnahme von Gladbeck. Dieter Degowski und Hans-Jürgen Rösner überfallen am 16. August eine Bank und nehmen auf der Flucht durch die Republik mehrmals Geiseln. Das Besondere: Fernsehkameras verfolgen die Verbrecher auf Schritt und Tritt.
Interviews mit den Geiselnehmern flimmern über die Mattscheiben. Einige Kritiker werfen den Reportern vor, Grenzen überschritten zu haben. Andererseits: Durch Gespräche mit Journalisten kommen mehrere Geiseln frei. Zwei Geiseln ermorden Degowski und Rösner jedoch.
Sehr viel erfreulicher ist das, was die Menschen im Sommer 1990 bewegt. Als ...
... Andreas Brehme in jener historischen Nacht den entscheidenden Elfmeter verwandelt, Deutschland zum dritten Mal nach 1954 und 1990 Weltmeister wird und Franz Beckenbauer versonnen über den Platz irrlichtert, schauen Millionen zu - ebenso wie in den Wochen zuvor, ...
... in denen sich das DFB-Team mit allerlei Widrigkeiten auseinandersetzen musste. Viele erinnern sich noch heute an die Ekelattacke von Frank Rijkaard auf DFB-Stürmer Rudi Völler.
Wir befinden uns jetzt mitten in den Wende-Jahren. Die Nation verdaut ihre Vereinigung, auf der Strecke bleibt dabei das Fernsehen der DDR. Und damit drohen auch einige TV-Erinnerungen des Ostens in Vergessenheit zu geraten.
Von 1955 bis 1990 etwa führt Willi Schwabe Montag für Montag durch seine "Rumpelkammer". Er steigt mit seiner Laterne auf den Dachboden und kramt in den Kisten. Dort findet er historische Filme aus dem Jahren 1929 bis 1945 - später dann auch jüngere. Für Filmfreunde in der DDR ist das ein Pflichtprogramm.
Weniger schöngeistig ist dagegen "Der Schwarze Kanal", eine Sendung, in der der DDR-Bevölkerung während des Kalten Kriegs die "richtige" Sichtweise eingetrichtert werden soll. Viele Menschen sehen heimlich das TV-Programm des Westens. Dessen "Lügen und Halbwahrheiten" aufzuklären ist die Mission von ...
... Karl-Eduard von Schnitzler. 1960 tritt er sie an, über 1500 Sendungen entstehen. Mit dem Ende der DDR verliert das Format dann natürlich seinen Sinn. Am 20. Oktober 1989 ist Schluss mit dem "Schwarzen Kanal".
DDR-Fernsehzuschauer kennen diese Sportskanone mindestens ebenso gut wie Schnitzler: Gerhard "Adi" Adolph ist Leichtathlet und später Moderator. Ab 1964 versammelt sich sonntagsvormittags die Familie vor der Röhre ...
... und schaltet "Mach mit, mach's nach, mach's besser" ein. Schulmannschaften messen sich in sportlichen Wettbewerben. Der olympische Geist weht durchs Wohnzimmer - bis Mutti mittags den Braten auf den Tisch stellt.
Der Samstagabend gehört in der DDR über Jahre diesem Herrn: Kammersänger Reiner Süß führt zwischen 1968 und 1985 durch die Unterhaltungsshow "Da liegt Musike drin". Der Name ist Programm - ähnlich wie bei ...
... "Ein Kessel Buntes", mit dem sich die "Musike" von 1972 an abwechselt. In großen Hallen produziert erinnert vieles beim "Kessel" an die großen Unterhaltungsshows des Westens. Merkmal ist der ständige Wechsel der Moderatoren. Es gab ...
... viel Musik, Sketche und sonstige Showacts. Das Ballett des DFF - später deutsches Fernsehballett - ist fester Bestandteil der Sendung.
Erst sehr spät, ab September 1989, schafft das DDR-Fernsehen eine eigene Jugendsendung. "Elf 99" - benannt nach der Postleitzahl von Berlin-Adlershof, von wo aus das DDR-Fernsehen sendete - bietet den jungen Leuten gewohnt dosiert das, was sie wollen: In der ersten Sendung läuft die TV-Fassung von "Dirty Dancing". In den Wendemonaten trauen sich die Macher, immer kritischer über die DDR zu berichten. Den späteren Wechsel zu RTL übersteht das Magazin nicht.
Überhaupt ändert die Wende für viele Deutsche so ziemlich alles.
Als Günter Schabowski am Abend des 9. November 1989 verkündet, dass Privatreisen in den Westen ab sofort ("Das tritt nach meiner Kenntnis ... ist das sofort, unverzüglich ...") möglich sind, brechen alle Dämme.
Fernsehteams aus der ganzen Welt übertragen tagelang aus Berlin. Der Mauerfall wird für viele Deutsche in dieser Zeit das bewegendste Ereignis.
Das wiedervereinigte Volk will unterhalten sein. Ab 1992 bietet Werner Schulze-Erdel Familienunterhaltung à la RTL: Im "Familienduell" treten Kandidaten an und müssen Begriffe erraten ("Wir haben 100 Menschen gefragt, ..."). 2003 wird die Sendung nach 2275 Folgen eingestellt.
Bis heute ein Dauerbrenner ist seit 1992 die RTL-Soap "Gute Zeiten, schlechte Zeiten", die ein neues Genre schafft. "GZSZ" ist ...
... die erfolgreichste tägliche Seifenoper im deutschen Fernsehen.
Viele Formate, wie etwa "Unter uns", sollen dem Beispiel folgen.
Ein ganz anderer Vorreiter ist Hans Meiser. Er hebt mit der nach ihm benannten RTL-Sendung den Nachmittagstalk aus der Taufe. Ein Thema, 60 Minuten, Gäste aus dem Volk, viel Zoff - beste Unterhaltung. Auch "Hans Meiser" findet zahllose Nachahmer wie etwa ...
... "Ilona Christen", ...
... "Arabella", ...
... "Vera am Mittag", ...
... "Andreas Türck" oder ...
... die Show des TV-Pfarrers Jürgen Fliege. Und damit sind nur einige der zahllosen Nachmittagstalker genannt.
Neue Maßstäbe setzt zwischen 1992 und 1996 die Sat.1-Sendung "Schreinemakers Live". Die Show widmete sich bunten Themen, Stargäste lockern die Spätabend-Sendung auf. Nach dem Wechsel zu RTL verschwindet Margarethe Schreinemakers 1997 vom Bildschirm.
Heftigste Debatten löst 1992 auch die RTL-Show "Traumhochzeit" aus. Vor den Augen von Millionen TV-Zuschauern machen Verliebte ihren Partnern hier Heiratsanträge und ...
... spielen anschließend gegen andere Partner um ihre "Traumhochzeit". Nicht wenige Sittenwächter finden das geschmacklos. Den Zuschauern ...
... und hunderten Teilnehmern der Show gefällt es aber.
1993 zeigt RTL, dass Comedy auch ein Format für das deutsche Fernsehen ist: "RTL Samstagnacht" bringt unzählige Gag-Klassiker ("Kentucky schreit ficken!") hervor und begründet eine private Fernsehtradition. Sketche im Fernsehen - ähnlich wie bei der ARD-Sendung "Sketchup", nur unverkrampfter, bunter, mitunter auch ein bisschen flacher.
In die Tiefe geht dagegen seit 1995 Jürgen Domian in der nach ihm benannten Telefon-Talksendung, die der WDR nachts ausstrahlt. Er bietet für alles ein Forum: Anrufer mit den ausgefallensten Lebenssituationen und Problemen finden hier ein Ohr.
Den Weg aus der Sparte findet im selben Jahr auch Harald Schmidt. In der großartigen WDR-Sendung "Schmidteinander", die er mit Herbert Feuerstein seit 1990 macht, wird er bundesweit beliebt.
1995 wechselt er zu Sat.1 und moderiert mit beißend-zynischem Humor die erste und wohl einzige erfolgreiche Late-Night-Talk-Sendung im deutschen Fernsehen. "Dirty Harry" ist über Jahre gefürchtetes Ekelpaket mit wenig Berührungsängsten und Liebling des Feuilletons zugleich.
Weltweit nehmen die Menschen 1997 Anteil, als die beliebte britische Prinzession Diana gemeinsam mit ihrem Geliebten Dodi Al-Fayed in Paris in den Tod rast. Lady Di hinterlässt zwei Söhne, William und Harry, und ...
... Millionen Trauernde. Über Tage kennt auch das deutsche Fernsehen kein anderes Thema. Die Trauerfeier in der Westminster Abbey sollen weltweit 2,5 Milliarden Menschen im TV gesehen haben.
1998 ist das Geburtsjahr des bis heute bestehenden Sonntagabend-Polittalks. Sabine Christiansen nimmt bis 2007 zum Wochenausklang - beziehungsweise zum Start in die neue Woche - Politiker und Experten zu einem aktuellen Thema ins Gebet.
Ihr folgt bis 2011 Anne Will.
Ein Urgestein des Sonntagabend in der ARD: Günther Jauch.
Er ist so etwas wie eine Leihgabe von RTL. Denn Günther Jauch, groß geworden bei den Öffentlich-Rechtlichen, ist seit 1990 hier zu Hause. Er prägt über Jahre "Stern TV" und macht seit 1999 Menschen reich - zumindest, sofern sie die kniffeligen Quizfragen bei "Wer wird Millionär?" lösen können.
Unsterblich macht er sich 1998 als Fußball-Moderator, als er mit Kollege Marcel Reif den "Torfall von Madrid" kommentiert. Das Champions-League-Spiel zwischen Real und Borussia Dortmund kann minutenlang nicht angepfiffen werden, weil ein Tor einfach zusammenbricht und schwer zu ersetzen scheint. Günther Jauch dazu: "Für alle die, die nicht rechtzeitig eingeschaltet haben, das erste Tor ist schon gefallen." In diesem Stil geht es über Minuten weiter. Jauch und Reif werden für die Sendung später mit dem Bayerischen Fernsehpreis geehrt.
Vielfach geehrt, aber auch gescholten ist "TV Total" auf Pro 7. Seit 1999 gibt es die Sendung mit Stefan Raab, unüberschaubar viele Ableger wie die "Wok WM" und andere absurde Sportwettbewerbe fluten seither das Programm des Münchener Senders. Die Veräppelung von einfachen Menschen, die unfreiwillig Teil der Sendung werden, ruft Kritiker auf den Plan. Fakt ist: "TV Total" ist anders als alles zuvor und Raab wohl der erfolgreichste deutsche Entertainer der letzten Jahrzehnte.
2001 erlebt die Welt eine Zäsur: Als am 11. September islamistische Terroristen Flugzeuge in das World Trade Center und das Pentagon steuern, ändert sich so ziemlich alles. Auch im deutschen Fernsehen können die Menschen live verfolgen, ...
... wie die Zwillingstürme zusammenbrechen. Bilder von Menschen, die sich in Panik aus dem brennenden Gebäude in die Tiefe stürzen, sind schwer zu vergessen. Etwa 3000 Menschen verlieren ihr Leben. Die Sicherheitsarchitektur der Welt ist aus dem Fugen, es ist der Beginn von Kriegen und einer Serie weiterer Terrorattacken.
Im Jahr 2002 beginnt für das Fernsehen eine neue Ära. Die erste Staffel von "Deutschland sucht den Superstar" läuft bei RTL. Das Format Castingshow ist geboren.
Und Dieter Bohlen ist der Vater. Dauerhafte Stars hat die Sendung zwar noch nicht hervorgebracht. Aber gerade die weniger talentierten Teilnehmer machen den Reiz der Show aus.
Menderes Bagci zum Beispiel kann wirklich überhaupt nicht schön singen. Er ist von Anfang an trotzdem immer wieder bei DSDS dabei und hat eine gewisse Fan-Base.
Eher eine Hassliebe verbinden viele mit Tanzcoach Detlef "D!" Soost, der das Gesicht der zunächst auf RTL II, dann bei Pro 7 ausgestrahlen Castingshow "Popstars" ist. Sieger der ersten Staffel ...
... im Jahr 2000 sind die No Angels. Für sie etwas abgeschwächt, aber für eigentlich alle folgenden Bands aus der Sendung gilt: Ruhm ist hier allenfalls für den Moment zu ergattern.
Kritiker halten Castingbands einfach für zu künstlich: keine Seele und letztlich auch kein Talent - es geht nur um den Schein. Seit 2011 versucht es Pro 7 mit "The Voice of Germany" mit einem etwas anderen Konzept. Es soll hier wirklich nur um die Stimme gehen - zumindest in den ersten Sendungen einer Staffel. Die Juroren entscheiden mit dem Rücken zu den Interpreten.
Dass RTL ein Händchen für kontroverse Ideen hat, dürfte bis hierhin schon klar geworden sein. Aber kaum eine Sendung löste bisher so heftige Reaktionen aus wie "Ich bin ein Star, holt mich hier raus!", das 2004 startet. Sonja Zietlow und Dirk Bach - nach seinem Tod übernimmt Daniel Hartwich - nehmen ...
... sogenannte Prominente mit in den australischen Dschungel. Dort müssen sie bis zum Ende durchhalten, um Dschungelregent zu werden - und das bei den meisten bitter benötigte Preisgeld zu kassieren. So weit, so gut. Doch ...
... die zu bestehenden Prüfungen sind eklig. Ein Bad in Kakerlaken gehört da noch zu den harmloseren Spielen. Oft müssen die Kandidaten Dinge wie Tierhoden verspeisen oder pürierte Insekten trinken. Die Quoten sind Jahr für Jahr sensationell, die Moderationen außergewöhnlich originell. Und selbst im Feuilleton der Zeitungen mögen sie die Sendung mittlerweile.
Ähnlich große Diskussionen - und ähnlich gute Quoten - gibt es seit 2005 für "Bauer sucht Frau" mit Inka Bause. Schüchterne Schweinebauern, liebeshungrige Landwirte und heitere Hühnerzüchter bekommen hier Hilfe bei der Suche nach der Richtigen.
Den Weg ins Modelbusiness verspricht Heidi Klum in "Germany's Next Topmodel". Junge, meist etwas schwach ernährte Damen messen sich hier im Auf-dem-Laufsteg-Laufen, Vor-der-Kamera-Räkeln und An-Kunden-Ranschmeißen. Am Ende jeder Folge winken Fotos und ganz zum Schluss eine mehr oder weniger verheißungsvolle Karriere als Mannequin der Klum'schen Modelagentur.
Das Live-Fernsehen des neuen Jahrtausends ist von schlimmen Katastrophen geprägt. An den Folgen des Tsunamis, der Weihnachten 2004 die Küsten Südostasiens verwüstet, sterben über 200.000 Menschen. Die Anteilnahme auf der ganzen Welt ...
... ist riesig.
2011 fühlen sich viele an die Katastrophe von 2004 erinnert. Ein Tsunami trifft Japan ...
... und löst im Atomkraftwerk Fukushima eine Havarie aus, die die Gegend für Jahrhunderte zu einem gefährlich strahlenden Landstrich machen soll. Die Kameras sind live dabei, als sich die Lage zuspitzt.
Doch auch erfreuliche Ereignisse bewegen die deutschen Fernsehzuschauer. Als diese beiden fröhlichen Baden-Württemberger der DFB-Elf bei der Weltmeisterschaft im eigenen Land neues Leben einhauchen, gehen Millionen mit.
Beim sogenannten "Sommermärchen" gibt es für die Massen kein Halten mehr - auch wenn es zum Schluss nur für Platz 3 reicht.
Nur acht Jahre später soll das besser werden. Mario Götze nimmt im Finale gegen Argentinien den Ball mit der Brust an und spitzelt ihn in der Verlängerung ins Tor.
Es ist der Triumph einer goldenen Generation des deutschen Fußballs. Und einer der bislang wohl bewegendsten Momente der deutschen Fernsehgeschichte.