Epidemiologe Ulrichs bei ntv "2G wäre sicherer"
27.08.2021, 16:02 Uhr
Was ist besser, 2G oder 3G? Timo Ulrichs sagt bei ntv, warum es nicht mehr sinnvoll ist, sich freizutesten. Außerdem erklärt er, wer eine Booster-Impfung bekommen sollte und was von dem neuen indischen Impfstoff zu halten ist.
ntv: Ist 3G für die nächsten Wochen eine Option?
Timo Ulrichs: Man kann das natürlich weiter so laufen lassen und die Testungen noch mit hinzunehmen. Aber besser wäre natürlich 2G. Es war ja vor einem Jahr auch schon so, dass die Jüngeren das Ganze wieder angetrieben haben, im Sinne eines Aufbaus einer Welle. Nur war zum Zeitpunkt der zweiten Welle noch keine Impfung in Sicht. Viele Ältere wurden dann nachträglich angesteckt, sind erkrankt und zum Teil eben auch gestorben. Das sehen wir jetzt in dieser vierten Welle glücklicherweise nicht mehr und werden es auch nicht sehen. Das heißt, wir werden zwar viele Neuinfizierte haben in den jüngeren Altersgruppen, aber das wird nicht gleich durchschlagen, dass wir dann wieder so hohe Krankenhauseinweisungen, Intensivbettenbelegungen und Todeszahlen haben werden.
Die Jüngeren leiden aber genauso häufig mit an Long Covid. Sollte man das nicht auch mitberücksichtigen?

Der Epidemiologe Timo Ulrichs ist Professor für Medizin, Mikrobiologie und Katastrophenhilfe an der Akkon-Hochschule in Berlin.
Auf jeden Fall, das ist ganz wichtig. Wenn die Zahlen wirklich sehr stark nach oben gehen, dann werden eben auch unter den Jüngeren viele Fälle mit Covid-19-Erkrankungen und schweren Verläufen stattfinden. Das ist ja dann anteilig abzusehen, wie viele das dann werden. Deswegen sollte man hier schon vorsichtig sein und die Impfkampagne nochmal richtig beschleunigen, indem dann auch die Jüngeren geimpft werden. Jetzt gibt es ja auch die Impfempfehlung für die 12- bis 17-Jährigen. Und da tut sich ja auch schon etwas. Wir sollten diese Möglichkeit sehr schnell nutzen, denn Richtung Herbst und Winter wird es nochmal diese Welle geben. Die kann verknüpft sein mit Opfern, die nicht sein müssen.
Es gibt Forderungen von der Ärztekammer, in Zukunft Fußballspiele wieder ohne Fans stattfinden zu lassen. Ist das eine gute Maßnahme?
Na ja, das wäre natürlich sicherer, aber wenn man sich auf 2G fokussieren, also nur Geimpfte oder Genesene ins Stadion lassen würde, dann wäre das Ganze schon ziemlich sicher. Denn die sind nicht mehr so stark gefährdet und stellen selbst auch kein großes Risiko dar. Die sind also sozusagen aus dem Spiel und sollten dann wieder ganz normal diese Dinge besuchen dürfen, auch Innenräume, während das eben viel gefährlicher ist für gerade mal Negativ-Getestete, bei denen das Ergebnis auch falsch negativ sein kann. Es ist ja eben auch eine Momentaufnahme, es kann sich also ganz schnell wieder ändern. Das ist dann ein viel größeres Risiko, dass sich das Virus weiter ausbreitet, gerade wenn sehr viele Nicht-Geimpfte unter den möglichen Empfängern sind.
Eine Studie hat gezeigt, dass sich bei Biontech nach einer Drittimpfung der Schutz verdreifacht. Was bedeutet das für unsere Impfstrategie?
Eigentlich ist das nicht groß was Neues. Das ist klar, wenn ich nochmal nachimpfe, dass dann das Immunsystem nochmal stark geboostet wird, dass also die Antikörper - die messen wir ja immer als Immunantwort - dann nochmal mehr werden. Aber das bedeutet nicht, dass nur zweimalige Impfungen dann nicht so gut wären. Das sehen wir ja an den Zahlen und auch eine Studie des RKI zeigt, dass mit einer zweimaligen Impfung, also mit einem kompletten Impfschutz, das persönliche Risiko für schwere Verläufe, auch mit Todesfolge, ganz weit nach unten gefahren werden kann. Wenn man jetzt nochmal nachimpft, dann kann das sinnvoll sein für Menschen, deren Immunsystem sowieso schon ein bisschen geschwächt ist, also Ältere. Und das zeigt jetzt sehr schön, dass man mit einer dritten Impfung das Ganze nochmal ein bisschen hochkitzeln kann.
Also Drittimpfung nicht für jeden, sondern nur für die, die besondere Bedürfnisse haben?
Genau. Die alten Menschen, die ja schon als Erstes geimpft wurden, bei denen man befürchten könnte, dass deren Immunsystem durch das Alter geschwächt und vielleicht nicht mehr ganz so auf dem Posten ist. Da könnte man das auf die Spur bringen. Aber für alle anderen, also immungesunden und nicht ganz so alten Menschen, ist das eigentlich nicht erforderlich.
Es gibt einen neuen Impfstoff, der in Indien zugelassen wurde, ein DNA-Impfstoff. Was bedeutet das?
Das ist eine etwas andere Technologie. Die hat Vorteile, nämlich: Die DNA ist stabiler und kann auch bei normalen Temperaturen ganz gut gelagert werden. Sie lässt sich auch einfacher herstellen als die mRNA-Impfstoffe. Das Ganze kann interessant werden für Länder, in denen Kühlkapazitäten und Lagerungsmöglichkeiten nicht so gut sind wie in den reichen Industrieländern. Aber was man aus den klinischen Studien bisher sieht, ist, dass man wohl dreimal impfen muss und dass die Impfabdeckung nicht ganz so toll ist, wie wir das bei den hier bereits zugelassenen Impfstoffen gesehen haben. Richtung 90 Prozent geht das ja hier bei uns. Das erreicht dieser DNA-Impfstoff wohl nicht. Aber es wäre eben eine Alternative. Es ist aber unwahrscheinlich, dass wir den hier in Europa auf dem Markt sehen werden.
Mit Professor Timo Ulrichs sprach Katrin Neumann
Quelle: ntv.de