Italien gedenkt der Corona-Toten Als in Bergamo die Militärlaster kamen
18.03.2021, 16:02 Uhr
Premier Draghi legt auf dem Friedhof in Bergamo einen Kranz nieder.
(Foto: via REUTERS)
Vor einem Jahr gingen erschütternde Fotos um die Welt: Militär-Lastwagen fuhren Särge mit Corona-Toten aus Bergamo, weil für sie dort kein Platz mehr war. Mit einem Gedenktag erinnert Italien nun an die Opfer der Pandemie. Das Entsetzen ist noch immer groß.
Italien hat seiner 103.000 Corona-Toten gedacht. Regierungschef Mario Draghi legte im norditalienischen Bergamo einen Kranz nieder, anschließend gedachte er der Corona-Opfer in einer Schweigeminute. Bergamo gehörte vor einem Jahr zu den am schwersten von der Pandemie betroffenen Städten weltweit. Allein im März 2020 starben in der 120.000-Einwohner-Stadt 670 Menschen an Covid-19.
Bergamo sei das "Epizentrum der ersten Welle der Pandemie in Europa" gewesen und zum "Symbol der Tragödie" geworden, sagte Bergamos Bürgermeister Giorgio Gori während der Trauerfeier. Bergamo werde aber auch die symbolische Stadt der Wiedergeburt sein und eine positive Botschaft und Hoffnung an den Rest Italiens aussenden.
Gemeinsam mit Draghi weihte Gori einen Gedenkwald ein und pflanzte symbolisch einen Baum. Es soll ein Wald aus Obst- und Waldbäumen werden, die für die Pandemie-Toten stehen.
Draghi betonte, dass Italien die Corona-Impfkampagne "mit derselben Intensität" fortsetzen werde wie bisher - unabhängig von der Entscheidung der europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) zur weiteren Verwendung des Vakzins von Astrazeneca, die an diesem Donnerstag erwartet wird.
Alle zehn Minuten ein Sarg gesegnet
Die Bilder von Armeefahrzeugen, die Dutzende Särge aus Bergamo fuhren, schockierten vor genau einem Jahr die Welt. Am Mittwoch hatte das italienische Parlament den 18. März als jährlichen Gedenktag für die Corona-Opfer festgelegt.
Auf dem Höhepunkt des Infektionsgeschehens in Norditalien segnete Pater Marco Bergamelli alle zehn Minuten einen Sarg. "Dieser Ort war voller Särge, vor dem Altar waren 132 von ihnen aufgereiht", erinnerte sich Bergamelli nun ein Jahr später. Anfangs seien die Armeefahrzeuge nachts gekommen, um die Särge abzuholen. "Niemand sollte wissen, dass die Särge an einen anderen Ort gebracht wurden."
Bis zu 70 Särge am Tag wurden im Frühling vergangenen Jahres von Soldaten aus Bergamo abgeholt - die dortigen Leichenhallen waren wegen der tödlichen Pandemie völlig überfüllt. Für die Bestattung der in Bergamo verbliebenen Corona-Opfer blieb nur wenig Zeit. Viele von ihnen erhielten keinen Grabstein, stattdessen wurden die Gräber provisorisch mit Schildern versehen, auf denen Namen und Fotografien der Verstorbenen abgebildet waren.
Tod ohne Abschied
Fast jeder der 120.000 Bewohner von Bergamo hat durch die Corona-Pandemie ein Familienmitglied, einen Freund oder Kollegen verloren. "Die Menschen haben beobachtet, wie ihre Liebsten mit Fieber von einem Krankenwagen abgeholt wurden, und sie wurden als Asche in einer Urne zurückgebracht, ohne dass sie sich je von ihnen verabschieden konnten", sagte Bergamelli. "Es war wie im Krieg."
Angesichts der derzeit wieder dramatisch steigenden Infektionszahlen in Italien befürchten viele in Bergamo eine Wiederholung der Tragödie des vergangenen Jahres. Die Intensivstation im Seriate-Krankenhaus im Osten von Bergamo ist erneut an ihrer Kapazitätsgrenze angelangt. Alle acht Intensivbetten sind dort mit Corona-Patienten belegt. "Covid ist jetzt aggressiver", sagte der Leiter der Station. Es gebe viele Infektionsfälle mit der zuerst in Großbritannien entdeckten Corona-Variante. Seit Montag gilt in Italien wieder ein Lockdown.
Quelle: ntv.de, kse/AFP