Erdogan poltert gegen "Fremde" Franziskus lobt die Türkei - aber nicht nur
28.11.2014, 20:20 Uhr
Franziskus und Erdogan trafen im Präsidentenpalast aufeinander.
(Foto: AP)
Franziskus trifft in der Türkei auf Staatspräsident Erdogan - ausgerechnet der bescheidene Pontifex ist der erste Staatsgast im vielkritisierten "Weißen Palast". Franziskus lobt das Engagement der Türkei, fordert aber in anderen Bereichen mehr Einsatz.
Papst Franziskus hat seinen Staatsbesuch in der Türkei begonnen. Der Pontifex besichtigte in Ankara nicht nur wichtige Denkmäler wie das Atatürk-Mausoleum, sondern traf sich auch mit Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan und Ministerpräsident Ahmet Davutoglu.
Während Franziskus deutliche Worte zu Religions- und Meinungsfreiheit fand, irritierte der türkische Präsident bereits kurz vor Franziskus' Ankunft mit einer Brandrede. Erdogan attackierte darin den Westen scharf: Die Fremden hätten es nur auf die Reichtümer der Muslime abgesehen, sagte er. "Die, die von außen kommen, mögen Öl, Gold, Diamanten, billige Arbeitskräfte sowie Gewalt und Streit." Und weiter: "Sie scheinen vordergründig unsere Freunde zu sein, aber freuen sich über unseren Tod und über den Tod unserer Kinder."
Der Papst zeigte sich von den Äußerungen unbeeindruckt. Als erstes ausländisches Staatsoberhaupt wurde der für seine Bescheidenheit bekannte Franziskus in dem "Ak Saray" ("Weißer Palast") genannten Anwesen Erdogans in Ankara empfangen. Der riesige Komplex soll rund 400 Millionen Euro gekostet haben. Drei Themen prägten den Auftakt des dreitägigen Besuchs des Kirchenoberhauptes: Religions- und Meinungsfreiheit, Flüchtlingspolitik und der Kampf gegen die Terroristen des IS.
- Religions- und Meinungsfreiheit
"Die Religions- und die Meinungsfreiheit, die allen effektiv garantiert ist, regt das Aufblühen der Freundschaft an und ist ein Zeichen des Friedens", sagte Franziskus in Ankara. Es sei wichtig, "dass die muslimischen, jüdischen und christlichen Bürger - sowohl in den gesetzlichen Bestimmungen, wie auch in ihrer tatsächlichen Durchführung - die gleichen Rechte genießen und die gleichen Pflichten übernehmen." Neben der großen islamischen Mehrheit leben nur knapp 100.000 Christen in der Türkei. Christen und andere Minderheiten können ihre Religion zwar grundsätzlich ausüben, sie leiden aber unter Einschränkungen, wie auch der aktuelle EU-Fortschrittsbericht bemängelt. So darf etwa die orthodoxe Kirche keine Priester in der Türkei ausbilden.
- Flüchtlingspolitik
Der Papst würdigte den Einsatz der Türkei für fliehende Menschen aus den IS-Gebieten. Er dankte der Türkei für die Aufnahme von Hunderttausenden Flüchtlingen und betonte die Schlüsselrolle des Landes in dem Konflikt. "Die Türkei hat durch ihre Geschichte, aufgrund ihrer geografischen Lage und wegen ihrer Bedeutung in der Region eine große Verantwortung", erklärte er. Gleichzeitig betonte der Papst, die internationale Gemeinschaft habe die moralische Verpflichtung, die Türkei bei der Aufnahme der Flüchtlinge zu unterstützen. Erdogan hatte bereits am Donnerstag bei einer Konferenz der Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC) die Länder der Region zur Zusammenarbeit aufgerufen.
- Kampf gegen den IS
Im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS), die weite Teile Syriens und des Iraks beherrscht, rief der Argentinier zu gemeinsamen Anstrengungen auf. "Es ist erforderlich, dem Fanatismus und dem Fundamentalismus die Solidarität aller Glaubenden entgegenzusetzen", sagte Franziskus. "Neben der dringend notwendigen Unterstützung und humanitären Hilfe können wir auch den Gründen dieser Tragödie nicht gleichgültig gegenüberstehen." Für dauerhaften Frieden sei ein "starker gemeinsamer Einsatz" nötig. Franziskus forderte zudem die "stärkste Verurteilung" religiös gerechtfertigter Gewalt. Religiöse Führer hätten die "Pflicht, Verletzungen der Menschenwürde und der Menschenrechte öffentlich anzuklagen", sagte er nach dem Treffen mit Mehmet Görmez, dem Chef der türkischen Religionsbehörde Diyanet.
"Ansehen des Islam" verbessern
Am Samstag reist der 77-jährige Pontifex weiter nach Istanbul, wo allein 7000 Polizisten zu seiner Sicherheit im Einsatz sein sollen. Anlass des Besuchs des katholischen Kirchenoberhaupts ist die Feier des orthodoxen Andreasfests mit Patriarch Bartholomäus am Sonntag. Nach Ansicht Erdogans wird der Türkei-Besuch des Papstes das Ansehen des Islams im Westen positiv beeinflussen. "Ihr Besuch wird eine bedeutende Spur in der islamischen Welt hinterlassen und er wird auch die Meinung über den Islam in der christlichen Welt verändern", sagte Erdogan.
Quelle: ntv.de, fma/dpa