Panorama

Wenn hetero auf homo macht Hollywood gibt sich "stromo"

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Die Jungs von "Magic Mike" heizen Frauen wie Männern ein.

(Foto: Instagram/channingtatum)

Ein bisschen bi schadet nie. So lautet einer dieser bescheuerten Sprüche, mit denen vor allem Heterosexuelle kokettieren. Jetzt gibt es einen neuen Trend: Stromos nennt man Männer, die gerne mal auf schwul machen.

Es ist das Jahr 1995. Das Magazin "Out" feiert zwanzigjähriges Jubiläum. Es ist eine Zeitschrift, die sich an Homo- und Bisexuelle richtet. Cover-Boy zum runden Geburtstag ist der heterosexuelle Schauspieler Keanu Reeves. Mitte der 90er Jahre ist das etwas Besonderes. Männer wollen als männlich gelten. Wer außerhalb heterosexueller Normen liebt, darf nicht mit viel Rückendeckung rechnen.

Wenn Ryan Reynolds schwul wäre, würde er auf seinen Kollegen Robert Pattinson abfahren. Das hat der Schauspieler vor kurzem so gesagt. Daniel Radcliffe hätte es auf Ryan Gosling abgesehen. Heute dürfen Männer so was sagen. Der kernige Marlboro-Cowboy hat sich von den Plakatwänden verzogen und an die Stelle der harten Jungs in Hollywood wie Jack Nicholson oder Gene Hackman sind begeisterte Väter, gehörnte Ehemänner und kuschelbedürftige Mama-Enthusiasten getreten - oh my, sogar Schwule mögen die Massen.

Der Metro-Mann, der mehr sein wollte

Die Stigmatisierung Homosexueller bröckelt, wenngleich langsam. Als David Beckham sich um die Jahrtausendwende herum Zöpfchen flocht und mit lackierten Fingernägeln auftrat, war der Metrosexuelle geboren: ein Mann, dessen sexueller Kompass zwar klar bei Vertreterinnen des anderen Geschlechts anschlug, der sich bei der Gestaltung seines Lebens jedoch weniger von maskulinen Rollenbildern leiten lassen wollte. Metro war der Mann, der mehr sein wollte.

Heute dürfen Schwule und Lesben in den USA heiraten. Sie dürfen wie Schauspieler Neil Patrick-Harris in der Serie "How I Met Your Mother" als Frauenhelden herhalten. Und sie dürfen wie Elton John stolz sein auf die Kinder, die sie gemeinsam mit dem Partner großziehen. Metro hat ausgedient. Und so will das Branchenmagazin "The Hollywood Reporter" ein neues Wort finden - nicht nur für die Akzeptanz von Homosexualität, sondern vor allem für die Aneignung eines entsprechenden Lifestyles durch Heterosexuelle. Das Blatt erfindet "stromo", den "straight homo", den heterosexuellen Homo.

Hier lässt sich Geld machen

2011 zierten zwei von zwölf "Out"-Cover heterosexuelle Schauspieler, 2012 waren es drei, 2013 fünf. Also beinahe die Hälfte der Männer auf der Titelseite eines Magazin der LGBT-Community sind gar nicht Mitglied. Chris "Thor" Hemsworth war schon drauf, John Snow alias Kit Harington ebenfalls und Channing Tatum, der bald zum zweiten Mal als Stripper in "Magic Mike" die Hüften kreisen lässt, sowieso. Sie wollen auf unsere Cover, "ob sie eine schwule Rolle spielen oder nicht", zitiert "The Hollywood Reporter" Aaron Hicklin, den Chefredakteur von "Out".

Für "The Hollywood Reporter" sind Stromos das Gegenstück zu schwulen Schauspielern, die für die Karriere heterosexuelle Charaktere spielen. "Es sind heterosexuelle Schauspieler, die schwul spielen, um besser anzukommen und mehr Hinterteile in Kinosesseln zu platzieren", heißt es dort. Und es wird klar: Beim Konzept Stromo geht es in Wahrheit nicht um verschwimmende Grenzen bei Geschlecht und sexueller Identität, es geht um Geld. Schwule und Lesben gucken - Überraschung - nicht nur Filme über Schwule und Lesben. Sie sind also auch nicht nur Zielgruppe für Nischenprodukte.

Die dümmste Form der Gleichberechtigung

So muss man es auch vor diesem Hintergrund betrachten, wenn James Franco sich als schwul in seiner Kunst und hetero in seinem Leben bezeichnet. "Obwohl ich natürlich auch in meinem Leben schwul bin - außer, wenn es um Sex an sich geht." Auch wenn es natürlich fortschrittlich ist, dass Tom Hardy - heute verheiratet mit einer Frau - von sexuellen Erfahrungen mit Männern berichtet oder Joseph Gordon-Levitt es ablehnt, sich dazu zu äußern, wenn die Klatschpresse mal wieder schreibt, er sei schwul.

"Männer wollen sich zunehmend als Fantasie für beide Geschlechter darstellen", erklärt der britische Journalist Mark Simpson gegenüber "The Hollywood Reporter". "Vor allem, wenn sie heterosexuell sind." Während Frauen darum kämpfen, auch abseits ihrer sexuellen Strahlkraft gelten zu dürfen, verlassen sich nun also die Herren der Schöpfung zunehmend auf ihr Aussehen. Der Stromo hat die Fortschrittlichkeit des Metro verloren. Er will nicht auch hübsch sein, sondern nur.

Quelle: ntv.de

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