Kino

Im Paradies gibt es keinen Mord "Kind 44" bringt Killer in Bedrängnis

"Kind 44" ist ein schlechter Krimi, aber kein völlig uninteressantes Liebesdrama.

"Kind 44" ist ein schlechter Krimi, aber kein völlig uninteressantes Liebesdrama.

(Foto: © 2015 Concorde Filmverleih GmbH / Larry Horricks)

Ein Mann ermordet kleine Jungen. Dutzende. Er entkleidet sie, entfernt ihnen Organe. Doch der Serienmörder kann bei "Kind 44" nicht erschrecken. Sein Gräuel steht im Schatten eines politischen Apparats, der sich weigert, nach ihm zu fahnden.

Es ist, als müssten die Macher von "Kind 44" noch einmal klarstellen, auf der richtigen Seite des Eisernen Vorhangs geboren zu sein. Sie sollen einen Krimi drehen, doch ihr Ergebnis wirkt im schlechtesten Fall wie anti-russische Propaganda, im besten wie ein ausgefallenes Liebesdrama.

Der Film basiert auf dem gleichnamigen Roman von Tom Rob Smith. Seine Geschichte spielt im Jahr 1953. Die russische Zivilbevölkerung ist der schrecklichen Willkür des Ministeriums für Staatssicherheit und seiner Agenten ausgeliefert. Leo Demidow (Tom Hardy) ist einer von ihnen: Organ der Unterdrückung, Quelle der Paranoia. Erst der Tod seines Patenkinds zwingt ihn, seine Regime-Treue zu hinterfragen.

"Stalin sagt uns, dass Mord eine ausschließlich kapitalistische Krankheit ist", befindet Leos Vorgesetzter Major Kuzim (Vincent Cassel). Im kommunistischen Russland darf es keine Gewaltverbrechen geben. Wird eine nackte Jungenleiche nahe der Bahngleise gefunden, muss das Kind also einen Unfall gehabt haben. Doch Züge können niemanden entkleiden. Zum ersten Mal führt Leo nicht blind die Anweisungen seines Chefs aus: Er beginnt auf eigene Faust zu ermitteln.

Nur noch Lügen schützen

Gary Oldman (l.) darf als Leos Vorgesetzter leider viel zu wenig mitspielen.

Gary Oldman (l.) darf als Leos Vorgesetzter leider viel zu wenig mitspielen.

(Foto: © 2015 Concorde Filmverleih GmbH / Larry Horricks)

"Weißt du, was in diesem Land mit Menschen passiert, die nach der Wahrheit verlangen?", fragt Leos Frau Raisa (Noomi Rapace) ihren Mann etwas später im Film. Er weiß es. Jeder weiß es. In Moskau, wo Leo herkommt, und auch an dem schmuddeligen Außenposten, an den er versetzt wird, als er den Entscheidern zu unbequem erscheint. Wo alle wissen, dass nur noch Lügen sie schützen, hat niemand mehr Vertrauen. Wenn Zeugen nicht aussagen, Kollegen nicht mitarbeiten und Freunde sich als illoyal erweisen, dann ist es, weil sie um ihr Leben und das ihrer Liebsten fürchten.

Vielleicht liegt es daran, dass es nicht die eigentliche Kriminalgeschichte bei Regisseur Daniel Espinosas "Kind 44" ist, die die Aufmerksamkeit des Zuschauers einnimmt. Das Grauen, das ein Serienmörder anrichten kann, wirkt vergleichsweise klein im Vergleich zu dem Schrecken, der unter Stalin den Bürgern im Nacken sitzt. Die beste Geschichte ist die von Leo und Raisa. Weil sie - wie alle verkorksten Liebesgeschichten - unter falschen Vorzeichen beginnt und erst im größten Unglück ihre Kraft entfaltet.

Action im Schlamm, Ödnis im Dialog

In der Originalversion müssen die Schauspieler ihren besten russischen Akzent liefern, in der deutschsprachigen Synchronfassung bleibt das dem Zuschauer glücklicherweise erspart. Einem amerikanisch-europäischen Haufen dabei zuzuhören, wie sie das "R" rollen, wirkt albern und altmodisch. Die dunklen Bilder, die der Film von einer ohnehin ziemlich farblosen Sowjetunion zeichnet, sind vorhersehbar, wenngleich doch gerade die Anfangsszenen in kommunistischem Prunk irgendwie zärtlich nostalgisch wirken.

"Kind 44" kommt ordentlich uninspiriert daher. Am hochkarätigen Cast ist nichts auszusetzen und doch will die Geschichte einfach keine Fahrt aufnehmen. Zwei richtig gute Action-Szenen liefert der entsprechend erprobte Espinosa in "Kind 44". Eine im Zug, eine im Schlamm - echte Klassiker. Für unerwartete Wendungen sorgt allein Rapaces Raisa. Doch auch ihre klug verpackten Motive wirken auf der Leinwand meist trocken. Sie und Hardy spielen überzeugend - vielleicht schießt insbesondere Hardy dabei auch mal übers Ziel hinaus. Die Chemie fehlt ihnen trotzdem.

"Kind 44" liefert in der Kino-Version schlecht verknüpfte und nicht immer logisch folgende Handlungsstränge einer guten Geschichte, schlecht erzählt von talentierten Schauspielern. Der bildgewaltige Streifen will viel und liefert wenig.

Quelle: ntv.de

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