Panorama

Hermann Görings Beute NS-Raubkunst taucht in Immobilienfoto auf

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Das jahrhundertealte Gemälde von Ghislandi hing in einer Villa im argentinischen Mar del Plata.

Das jahrhundertealte Gemälde von Ghislandi hing in einer Villa im argentinischen Mar del Plata.

(Foto: Robles Casas & Campos)

Ein jahrzehntelang vermisstes Gemälde aus jüdischem Vorbesitz wird in Argentinien auf einer Immobilienseite entdeckt. Die Spur führt zu deutschen NS-Funktionären - und wirft ein Schlaglicht auf die verschlungenen Wege von Raubkunst bis in die Gegenwart.

Die Geschichte begann scheinbar zufällig. Bei der Durchsicht argentinischer Immobilienanzeigen stößt ein Journalist des niederländischen "Algemeen Dagblad" auf ein Foto, das mehr als nur Interieur zeigt: Über einem Sofa in einer Villa in Mar del Plata hängt ein jahrhundertealtes Porträt - ein Werk des italienischen Malers Ghislandi aus der Sammlung des jüdischen Kunsthändlers Jacques Goudstikker, mit dem Titel "Damenporträt" (Contessa Colleoni).

Ein Recherche-Team der Zeitung verfolgt seit Längerem systematisch Spuren von NS-Raubkunst. Insofern ist die Entdeckung das Ergebnis jahrelanger investigativer Arbeit.

Goudstikker war einer der bedeutendsten Kunsthändler vor dem Zweiten Weltkrieg. Nach der deutschen Besetzung der Niederlande 1940 wurde sein Besitz von den Nazis beschlagnahmt. Viele seiner Werke landeten direkt bei hochrangigen NS-Funktionären, darunter Hermann Göring. Der Wert dieser Kunstschätze war enorm - und ihr Verbleib oft ungeklärt.

Goudstikker-Nachkommen verlangen Rückgabe

Die Spur des Bildes führt denn auch zu deutschen NS-Funktionären - konkret zu Friedrich Kadgien, SS-Offizier und Finanzberater Hermann Görings. Kadgien war als einer von Hitlers wichtigsten Finanzexperten für die Verwertung jüdischen Vermögens zuständig. Ermittlungen der örtlichen Behörden führen rasch zu einer polizeilichen Durchsuchung, das Kunstwerk bleibt jedoch verschwunden - offenbar wurde es vorher entfernt. Die Anzeige ist mittlerweile offline.

Die Villa gehört einer der beiden Kadgien-Töchter, die das Familienhaus verkaufen wollte und dabei wohl unwissentlich das Nazi-Raubkunst-Gemälde preisgab. Auf Nachfragen der niederländischen Journalisten behauptet sie, nicht zu wissen, von welchem Gemälde die Rede ist, und blockiert sie anschließend.

Für die Nachkommen Goudstikkers ist die Entdeckung ein Hoffnungsschimmer. Sie verlangen die Rückgabe des Gemäldes und werden dabei von niederländischen Kulturerbebeauftragten unterstützt.

Fluchtziel zahlreicher Nazi-Größen

Das Schicksal von NS-Raubkunst ist eng mit den Verbindungen nach Südamerika verknüpft. Argentinien war Fluchtziel zahlreicher Nazi-Größen, die nicht nur sich selbst, sondern auch Vermögenswerte und Kunstwerke außer Landes brachten. Fluchtrouten wie die "Rattenlinien" unterstützten sie dabei, häufig mithilfe des Roten Kreuzes, kirchlicher Kreise und argentinischer Behörden.

So gelangten zahlreiche Bilder, Skulpturen und Wertgegenstände nach dem Krieg auf verschlungenen Pfaden bis nach Buenos Aires oder weiter. Der Fall zeigt abermals, wie lang und kompliziert die Wege geraubter Kunst auch 80 Jahre später sind - und wie schwer ihre Rückführung bis heute bleibt.

Quelle: ntv.de, ija

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