
Endlich Zeit zum Nachdenken!
(Foto: imago/UIG)
Die Kolumnistin ist in den Bergen. Dort hat die Berlinerin hundertprozentig in einem früheren Leben gelebt, denn im Gebirge fühlt sie sich sicher, geborgen und aufgeräumt. Außerdem kann sie da Ski fahren. Auch wenn sie weiß, dass das ganz, ganz böse ist.
Diese Woche eine Kolumne aus dem Urlaub. Deswegen auch so spät. Ich entschuldige mich in aller Form. Wenn man mal wieder so richtig Zeit hat, nachzudenken über die Zukunft, weil einem die Gegenwart nicht immer in die Quere kommt, dann stellen sich so viele Fragen – von denen ich momentan aber nur drei mit Ihnen teilen will. Diese Fragen kommen mir im Lift in den Sinn. Ich bin Ski laufen. "Buuuh", höre ich einige rufen, andere denken vielleicht: "Beneidenswert." Und ja, das ist es: Frische Luft, Bewegung, eine andere Sicht auf die Dinge. Die Berge machen mich demütig. Ganz oben erscheint einem unten alles so klein. Ich liebe das.
Die Berge waren schon immer da, sie werden weiterhin da sein. Echt? Denn da geht das Problem schon los: Ich bin auf einem Gletscher. Warum bin ich auf einem Gletscher? Weil es rundherum zu warm ist, dementsprechend kein Schnee. Die Klimakatastrophe, klar. Ich kann mich an Kindheitsurlaube erinnern, da gab es in den Skiferien auch keinen Schnee und wir fuhren nach Meran oder Bozen weiter, Frühlingsurlaub war das dann, aber da fanden die Skiferien auch zu Ostern statt.
Jetzt also im Februar kein Schnee. Das ist Mist. Oder zumindest wenig Schnee, kommt drauf an, wo man ist. Im Salzburger Land, da, wo ich bin, ist der Schnee, im Vergleich zum Januar, bereits dramatisch weggeschmolzen. Ich also auf den Gletscher rauf. Der schmilzt auch dramatisch weg, der komplette Gletscher, man merkt es jetzt konkret nicht, aber es ist so.
Lerne deine Grenzen kennen
Und während ich nun so luxuriös in einer Gondel vor mich hingondele, die Sonne im Gesicht, muss ich mich fragen (und das ist, wie oben angedeutet, Frage eins): Warum erlernen erwachsene Menschen noch das Skifahren? Aperol und Wildberry Lillet können sie doch auch im Tal trinken. Haben sie einen neuen Typen, eine neue Braut, kennengelernt, der oder die bereits Ski fährt, und wollen dieses herrliche Hobby nun mit dem neuen Menschen teilen? Anders kann ich mir das nicht erklären. Denn es sieht furchtbar aus, wenn Erwachsene das Skifahren erlernen.

Ästhetik à la 1965: Schauspielerin Danielle Noel, zugegebenermaßen mit einem Wasserski in der Hand.
(Foto: IMAGO/Gemini Collection)
In Pizza-Haltung (also die Ski laufen vorne spitz zu, Beine hinten auseinander, damit man den Berg nicht unkontrolliert hinabrauscht), stolpern sie den Hang in gebeugter Haltung hinunter, mit verzerrtem Gesicht, krampfhaft festgehaltenen Skistöcken in den Fäustlingen, kaltem Schweiß auf der Haut, und versperren denen die Piste, die es bereits können. Dass Kinder das Skifahren erlernen – keine Frage, unbedingt, aber warum tun Erwachsene sich das an? Ich werde es nie verstehen, und ich werde es auch nicht herausfinden.
Es ist snobistisch, so zu denken, I know, aber ich weiß doch auch, wo meine Grenzen sind. Meine Kinder haben mich längst überholt, sie sind (noch) schneller, eleganter, mutiger als ich. Ich bin nicht mehr mutig, ich fahre nicht vom Weg ab und ohnehin nur dann, wenn die Sicht gut ist. Denn sonst wird man auf jeden Fall von einer Snowboard-Anfängerin umgehämmert, wie vor ein paar Tagen geschehen: Ich war bereits auf der Talabfahrt (sie war recht seifig), da haut es mir von hinten in die Kniekehlen, ich fliege, meine Ski auch, aber ganz woanders hin. Zum Glück sind die abgegangen, super eingestellt, meine Bindung. Es verletzte sich niemand ernsthaft – außer riesige blaue Flecken an Beinen und Hüfte - ich bin allerdings stinksauer, die Snowboarderin immerhin peinlich berührt. Das war unnötig. Wenn ich mir was tue, dann bitte, weil ich mich selbst zu blöd anstelle.
Früher super, jetzt sch**ße
Egal, et hätt‘ noch immer jot jejange, was mich zum nächsten Thema bringt: Alkohol auf der Piste. Keine gute Kombi in Verbindung mit dem anstehenden Karneval zum Beispiel. Skiausrüstungen werden immer besser, das heißt, der oder die Fahrende kommt sich sicher vor, beherrscht das Material dann aber doch nicht wirklich. Sorry, meist sind es Männer, die sich gnadenlos überschätzen, die dann zum Übermut neigen, oft auch in Verbindung mit irre teuren Designerklamotten. Unangenehm.
So weit, wie der Kollege Martin Hogger neulich in der "Zeit" möchte ich aber dennoch nicht gehen, denn sein Fazit lautet: Skifahren war früher super, jetzt ist es "scheiße" (ich zitiere). Es sei sogar eine Art Klassenkampf, und die Gucci-Günthers und Moncler-Manfreds würden einem die Sicht versauen. Das kann ich so nicht stehen lassen. Der "Zeit"-Kollege kommt aus den Bergen, da hatte er es natürlich gut getroffen mit seiner Kindheit im Schnee und dem Hang hinterm Haus. Ich als Flachland-Tirolerin war und bin einfach immer eine Zugereiste und kann nur damit angeben, meine Kindheit rodelnd und skifahrend auf dem Berliner Teufelsberg verbracht zu haben. Mit einem Schlepplift (!), und wenn der zu voll war, dann hat Papa uns hochgezogen. Ich bin meinen Eltern extrem dankbar dafür und habe, als ich selbst erwachsen war und Mutter wurde, meine Kinder umgehend auf die ersten winzigen Ski gestellt. Mir kommen noch jetzt die Tränen, wenn ich daran denke, wie süß das war.
Soweit ich mich erinnern kann, war Skifahren schon immer teuer, wenn man keinen eigenen Hang vor der Haustür hatte, und man muss dann eben Prioritäten setzen. Ich werde nie verstehen, wie man sich mit einem Mountainbike einen Berg hinunterstürzen kann, warum Radler immer hässliche Klamotten anhaben und sich in ihrer Poly-Hülle dennoch als bessere Menschen und Weltverbesserer verstehen. Sie versauen die Flora und Fauna ähnlich wie die Skifahrer.
Ich finde es übrigens irre, dass Gucci-Günther und Moncler-Manfred im Sommer dann das Surfen erlernen, wieder in teuren Funktions-Klamotten, und dass immer damit gerechnet werden muss, diese Leute von der Berg- oder Küstenwacht retten lassen zu müssen.
Was würde Willy machen?
Aber ganz ehrlich? Jeder wie er kann und wie er will! Wir sind nur einmal auf dieser Welt. Wir sollten ausprobieren, was immer wir wollen. Solange wir niemandem schaden. Sie sagen jetzt, zu Recht, der Umwelt wird geschadet. Daher sind meine weiteren Fragen, die ich mir beim Gondeln auf dem Gletscher gestellt habe (und die ich mir nun aber platzschonend für andere Kolumnen aufhebe): Wenn ich jetzt in eine Partei eintreten würde, in welche?
Denn dass wir – wir Menschen in unserer beschissenen Zeitenwende – gerade mehr tun müssen als in den vergangenen Jahren, steht fest. Also die Grünen. Aber darf ich dann noch guten Gewissens Ski fahren? Lieber doch FDP? Da fährt einer immerhin Porsche. Zu Hause hängt Willy Brandt bei mir an der Wand – mit Fluppe im Mundwinkel und Mandoline in den Händen. Relativ unvorstellbar, dass ich mir ein Poster von Olaf Scholz daneben hänge. Hilfe!! What would Willy do?
Und die dritte Frage war? Ich fahr' nochmal auf den Gletscher, fällt mir oben bestimmt wieder ein. Ein wunderschönes Wochenende Ihnen, inklusive Helau, Alaaf und Ahoi!!
Quelle: ntv.de