Panorama

Schmink-Videos gegen Säureangriffe Wenn Indiens Frauen ihr Gesicht verlieren

Reshma Bano Qureshi legt sich Lippenstift auf. Ihr Gesicht wurde bei einem Säureangriff entstellt.

Reshma Bano Qureshi legt sich Lippenstift auf. Ihr Gesicht wurde bei einem Säureangriff entstellt.

(Foto: Youtube/Make Love Not Scars)

In ihrem Schmink-Video auf Youtube erklärt Reshma Bano Qureshi, wie man sich die perfekten roten Lippen zaubert. Doch im Gegensatz zu all den vergleichbaren Clips ist das Aufhübschen hier Nebensache. Qureshis Gesicht ist von Säure entstellt.

Reshma Bano Qureshi ist 17 Jahre alt, als sie von einer Gruppe Männer - darunter ihr Schwager - angegriffen wird. Sie halten die junge Inderin fest und übergießen sie mit Schwefelsäure. Qureshis Gesicht ist nach der grausamen Tat völlig vernarbt, ihr fehlt ein Auge. Gerechtigkeit hat sie bis heute nicht bekommen. Einige der Angreifer wurden niemals strafrechtlich belangt. Deswegen appelliert sie nun, ein Jahr nach dem Vorfall, an ihr Land.

"How to get perfect red lips" heißt das als Schmink-Tutorial verkleidete Video zur Kampagne "Make Love Not Scars" (Macht Liebe, keine Narben). Darin sieht man Qureshi wie schon viele Youtuber dieses Genres vor ihr in einem mädchenhaften Zimmer in Rosatönen sitzen. Sie will den Zuschauern erklären, wie auch sie so schöne rote Lippen bekommen können. Doch darum geht es eigentlich gar nicht.

Perfekt, oder?

"Sieht perfekt aus, oder?", fragt Qureshi, nachdem sie sich fertig geschminkt hat. Beim Blick in ihr Gesicht sind es nicht die roten Lippen, die auffallen. Qureshi lächelt etwas müde und wird dann ernst. "Einen roten Lippenstift findet ihr ganz einfach im Geschäft - genauso wie konzentrierte Säure", sagt sie. Schwefel-, Salz- oder Salpetersäure etwa seien noch immer zu leicht und zu preiswert zu erstehen.

Qureshi spricht für "Make Love Not Scars". Die Kampagne soll helfen, den offenen Handel mit gefährlichen Flüssigkeiten zu verbieten. Unter dem Hashtag #EndAcidSale verbreiteten sich noch zwei weitere Schmink-Videos von Qureshi. In einem legt sie Eyeliner auf, im anderen erklärt sie, wie man unangenehme Hautstellen kaschiert - die Botschaft ist immer dieselbe.

"Wir wollten einen Kontrast herstellen, indem wir ein oberflächliches Thema wie Makeup genutzt haben, um über das schwerwiegende Problem von Säureangriffen zu sprechen", teilte ein Sprecher von "Make Love Not Scars" der "New York Times" mit. Man wolle den Leuten zeigen, dass die Überlebenden solcher Attacken ganz normale Menschen und keine Sonderlinge seien.

"Wie eine Vergewaltigung"

1000 Säureangriffe geschehen nach Nayaks Schätzung jährlich in Indien. Im vergangenen Jahr zählte die Regierung offiziell immerhin 309 - mehr als in den Jahren zuvor. 2013 hatte die offizielle Zahl bei 66 Angriffe gelegen, 2012 waren es 85, 2011 83. Dass die Zahlen nun höher sind, liegt daran, dass es leichter geworden ist, solche Attacken anzuzeigen und zu zählen, da Säureangriffe mittlerweile als eigener Tatbestand behandelt werden.

"Früher hat die Polizei bei einem Angriff mit Säure nichts gemacht", sagte Alok Dixit, Gründer der Gruppe "Stop Acid Attacks", kürzlich gegenüber "The Wall Street Journal". "Heute ist das wie eine Vergewaltigung." Wie bei sexuellen Übergriffen sind auch bei denen mit Säure meist Frauen die Opfer.

In jüngster Zeit gab es tatsächlich verschiedene Versuche, auf die grausame Praxis der Gesichtsverätzung aufmerksam zu machen. "Stop Acid Attacks" betreibt beispielsweise ein Café, in dem nur Überlebende der Angriffe arbeiten. Es soll ein sicherer Ort sein - auch, um über Frauenrechte zu reden. Der Fotograf Rahul Saharan wiederum porträtiert Überlebende, um ihr Selbstbewusstsein zu stärken. Mit viel Mühe müssen die Helfer wieder aufbauen, was andere in wenigen Minuten mit einfachsten Mitteln zerstört haben.

Quelle: ntv.de

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