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Super-GAU oder Stärkebeweis? Abgesagte China-Reise sorgt bei SPD für Unmut

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Weil ihm nur ein Termin bestätigt wurde, verschob Wadephul seine Reise nach China kurzfristig.

Weil ihm nur ein Termin bestätigt wurde, verschob Wadephul seine Reise nach China kurzfristig.

(Foto: picture alliance/dpa)

Wie soll die deutsche China-Politik aussehen? Die verschobene Reise von Außenminister Wadephul zeigt, dass die Bundesregierung bisher keine klare Antwort darauf hat. Eine Expertin warnt davor, Peking zu brüskieren - und vermutet pragmatische Gründe hinter den beschränkten Gesprächen.

Es ist für die deutsche Diplomatie sehr ungewöhnlich, dass die Reise eines Bundesaußenministers nach China zwei Tage vor dem geplanten Abflug verschoben wird. Die Entscheidung von Johann Wadephul hat daher eine Debatte über den richtigen Umgang mit China ausgelöst, die mittlerweile auch für Spannungen in der schwarz-roten Koalition sorgt. Der außenpolitische Sprecher der SPD, Adis Ahmetovic, kritisierte, dass dies "kein gutes Signal" sei. Dagegen kommt Zustimmung für die mit Kanzler Friedrich Merz abgestimmte Verschiebung aus den Reihen der Union und auch von den Grünen.

Der Fall zeigt, dass es derzeit bei deutsch-chinesischen Abstimmungen deutlich hakt, und zwar in einer Phase, in der die ohnehin angeschlagene deutsche Industrie um Lieferungen von Seltenen Erden und Chips bangt. Eigentlich wollte Wadephul noch vor Merz und anderen Kabinettsmitgliedern am heutigen Sonntag nach Peking fliegen. Er wäre quasi die diplomatische Speerspitze der schwarz-roten Bundesregierung gewesen. In einem am Donnerstag veröffentlichten Interview betonte Wadephul bereits den ausdrücklichen Wunsch, mit China zusammenarbeiten zu wollen. Die Volksrepublik ist wegen der umstrittenen Zollpolitik der USA zuletzt wieder größter deutscher Handelspartner geworden.

Zugleich hatte der CDU-Politiker die bekannten kritischen deutschen Positionen etwa zu Chinas Haltung zu Taiwan, Russland und im südchinesischen Meer sowie zur nötigen Diversifizierung der Wirtschaft wiederholt. Wadephul hatte zudem den Wunsch geäußert, mit der Führung in Peking über die chinesischen Exportbeschränkungen bei Seltenen Erden und die Versorgungssicherheit mit Chips reden zu wollen.

Aber bis Freitag hatte Wadephul nach Angaben des Auswärtigen Amtes nur eine Bestätigung für ein Treffen mit Außenminister Wang Yi erhalten, weshalb er den Besuch in der Volksrepublik kurzerhand verschob. Mit dem Hinweis, dass beide Außenminister bald telefonieren würden, wollte das Auswärtige Amt einer zu dramatischen Interpretation des Vorfalls vorbeugen. Dennoch überschlugen sich einige Medien in den Überschriften. Die Rede war unter anderem von einem "außenpolitischen Super-GAU der Regierung Merz".

China-Expertin sieht Entscheidung kritisch

Tatsächlich ist die Entscheidung nicht unumstritten: "Ich hätte es richtig gefunden, wenn Außenminister Wadephul trotzdem gereist wäre", sagt etwa Marina Rudyak, China-Expertin der Universität Heidelberg. Gerade angesichts der aktuellen Spannungen und des aufgeheizten Klimas sei es wichtig, einen direkten Gesprächskanal zwischen den Außenministern aufzubauen - nicht nur, um deutsche Positionen unmittelbar zu vermitteln.

Man müsse auch verhindern, dass psychologische Dynamiken zu einer unerwünschten Eskalation führten. Zudem nehme Wang Yi in der chinesischen Führung eine zentrale Stellung ein, weil er gleichzeitig Direktor der Zentralen Kommission für auswärtige Angelegenheiten ist und als Vertrauter von Präsident Xi Jinping gilt.

Rudyak verweist zudem darauf, dass hinter dem beschränkten Gesprächsangebot möglicherweise keine Abstrafung Deutschlands oder Wadephuls, sondern praktische Probleme gesteckt hätten. Denn das chinesische Spitzenpersonal sei durch den KP-Parteitag zum neuen Fünf-Jahres-Plan, das geplante Treffen der Präsidenten Donald Trump und Xi sowie Gespräche mit der EU-Kommission sehr gebunden gewesen.

Hardt: Entscheidung "völlig richtig"

Das sieht der außenpolitische Sprecher der Union, Jürgen Hardt, allerdings anders. "Die Reise nach China, zumal mit einer Wirtschaftsdelegation, war ein Angebot, das die chinesische Seite zu diesem Zeitpunkt leider ausschlug", sagt er. China versuche die Handelspolitik derzeit gezielt, als Druckmittel einzusetzen. "Es ist völlig richtig, dass die Bundesregierung dieses Spiel nicht mitspielt", betont Hardt. Deutschland liege weiterhin an guten Beziehungen zu Peking, aber "fair und auf Augenhöhe".

Dies ist eine Anspielung auf ein offenbar als eher unfreundlich empfundenes chinesisches Verhalten hinter den Kulissen. Derzeit gebe es mit China Differenzen in grundsätzlichen Punkten, unter anderem in der Frage des Völkerrechts und der Frage fairer Wirtschaftsbeziehungen, heißt es dazu aus Regierungskreisen. Die chinesische Seite habe kaum erfüllbare Forderungen gestellt. Die Bundesregierung werde ihre Grundüberzeugungen aber nicht verraten.

Tatsächlich hatte ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums am Freitag mit Bezug auf Wadephuls Interview öffentlich gefordert: "Wir hoffen, dass Deutschland sich strikt an das Ein-China-Prinzip hält und sich unmissverständlich gegen die separatistischen Aktivitäten der 'Unabhängigkeit Taiwans' ausspricht."

Schon zuvor Ärger über Wadephul

Wadephuls Bekenntnis zur Ein-China-Politik reicht dem zunehmend selbst- und machtbewusst auftretenden Peking offenbar nicht mehr aus - zumal man sich in Chinas Führung schon vor Wochen vergrätzt zeigte, dass Wadephul die kommunistische Führung ausgerechnet bei seinem Japan-Besuch kritisiert hatte. Dazu passt, dass in Chinas Hauptstadt ein "Museum des Widerstandskriegs des chinesischen Volkes gegen die japanische Aggression" eröffnet wurde.

Die Verschiebung der Reise hat in der Koalition die Grundsatzfrage aufgeworfen, wie das Verhältnis zwischen Prinzipientreue und Dialog gegenüber Peking austariert werden sollte. Schon in der Ampel-Koalition führte dies zu Spannungen zwischen der SPD und den Grünen. In der schwarz-roten Regierung kündigt sich eine ähnliche Debatte zwischen Union und der SPD an, die übrigens auch einen Parteidialog mit der KP Chinas pflegt. "Gerade in einer Phase globaler Spannungen ist der direkte Dialog mit China von großer Bedeutung", sagt der SPD-Außenpolitiker Ahmetovic. "Wir müssen die deutsche China-Strategie überdenken."

Quelle: ntv.de, mdi/rts

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