Wahlnachlese bei Hart aber fair Amthor überzeugt: Bürger wollen Ende "dieser linken Politik"


Unionspolitiker Amthor sieht in AfD-Wählern "ganz normale Leute aus der Mitte der Gesellschaft".
(Foto: WDR/Oliver Ziebe)
Im Ersten geht es mal wieder um Migration, die AfD, Brandmauern, aber auch um die Wahl. Mit einem CDU- und einem SPD-Politiker sind die möglichen künftigen Regierungsparteien gut vertreten. Beide verstehen sich blendend. Ist das ein Vorgeschmack auf Kommendes?
Nach der Bundestagswahl ist so gut wie klar: Es wird aller Wahrscheinlichkeit nach eine Koalition aus Union und SPD geben. Sie muss die Probleme dieses Landes lösen. Da hat sie einiges zu tun. Und darüber diskutieren am Montagabend die Gäste bei "Hart aber fair" im Ersten.
Wer nicht an den Problemlösungen mitarbeiten wird, ist die FDP. Die Liberalen sind am Sonntag krachend aus dem Bundestag geflogen. "Das ist ein sehr bitteres Ergebnis für uns", sagt Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die für die FDP im Europaparlament sitzt. Die Union ist Wahlsiegerin, obwohl sie ihr zweitschlechtestes Ergebnis seit dem Zweiten Weltkrieg eingefahren hat. Philipp Amthor ist trotzdem zufrieden und strahlt große Zuversicht aus. Die Regierungsbildung werde nicht einfach, sagt Amthor. Und: "Wir hätten uns mehr Optionen für die Regierungsbildung gewünscht." Aber wo er nun schon mal mit einem SPD-Politiker in einer Talkshow sitzt, zeigt er großmütig, dass er richtig freundlich sein kann - zumindest, wenn es um den neuen Koalitionspartner geht.
Wolfgang Schmidt, Kanzleramtsminister und engster Vertrauter von Noch-Bundeskanzler Olaf Scholz, ist mit dem Ergebnis seiner SPD selbstverständlich nicht zufrieden. Überall in Europa seien Regierungen abgewählt worden, betont Schmidt. "Es hat was mit der Krise zu tun", fügt er hinzu - und meint damit vor allem den seit drei Jahren andauernden Krieg in der Ukraine.
"Das hat die Energiepreise in die Höhe getrieben, das hat zu Inflation geführt, und das hat zu ganz viel Frust und Ärger geführt, der sich dann natürlich an der Regierung ablädt", führt Schmidt aus. "Und wir haben mit der Drei-Parteien-Koalition der Ampel auch nicht dazu beigetragen, dass die Leute so richtig happy waren."
"Zeit der Sprüche ist vorbei"
Andreas Audretsch hat den Wahlkampf für die Grünen organisiert, die genau wie die anderen beiden Ampelparteien Stimmen verloren haben. Doch Audretsch sieht das nicht ganz so eng. Immerhin habe man ja im vergangenen Herbst in den Umfragen noch schlechter dagestanden. In den vergangenen Monaten habe es viel Zuspruch, neue Mitglieder und viele Spenden gegeben, erzählt Audretsch. "Aber auch wir sind nicht zufrieden mit dem Ergebnis, wir hätten gerne mehr gehabt." Nun werden die Grünen wohl wieder Teil der Opposition im Bundestag.
"Jetzt ist die Zeit der Sprüche vorbei, jetzt geht es um die Einigung", sagt Schmidt, der gerne über die Zukunft reden will. Zum Beispiel über den Umgang mit der AfD, die ihren Stimmenanteil bei der Bundestagswahl im Vergleich zu 2021 verdoppelt hat. Keine Zusammenarbeit, fordert Audretsch, während sich Amthor eine stabile Regierung aus der Mitte wünscht. Und die Lösung der Migrationsprobleme. Damit will er die AfD bekämpfen.
Die hat vor allem in Ostdeutschland deutliche Erfolge erzielt. So in Dillstädt, einer kleinen Gemeinde in Thüringen. Dort ist die parteilose Liane Bach Bürgermeisterin. Schon seit 30 Jahren ist das so. Sie erzählt: "In den letzten Jahren ist die Stimmung politisch gekippt, weil die Menschen das Gefühl haben, sie werden nicht mehr ernst genommen. Deshalb erstarkt auch die AfD." Als einen Hauptgrund sieht sie die Migrationspolitik. "Die Menschen haben das Gefühl, die Bundesregierung hat das Problem Migration überhaupt nicht im Griff." Das soll die zukünftige Regierung ändern. Sie soll "Lösungen finden, wie die Bürger wieder zusammenfinden".
AfD soll "einbezogen werden in Entscheidungen"
Dillstädt steht exemplarisch für viele Kommunen in Ostdeutschland. Einst CDU-Hochburg, haben am Sonntag mehr als die Hälfte der Bürger im Osten die AfD gewählt. "Die Bürgerinnen und Bürger sind unzufrieden - mit der letzten Regierung total", so die Kommunalpolitikerin bei "Hart aber fair".
Bach weiter: "Die Ostdeutschen haben zwei Gesellschaftsformen erlebt. Sie spüren was. Diese ganzen Kleinigkeiten: Man darf nichts mehr sagen. Wer sich über die AfD unterhält, ist sofort ein Nazi. Es ist schlimm, wie die Menschen da diffamiert werden. Ich würde der Politik raten, dass sie mit der AfD zusammenarbeitet. Denn wenn man etwas ignoriert, wird es nur noch schlimmer." Die AfD sei demokratisch gewählt, und sie bekomme ihr Geld von den Steuerzahlern, sagt Bach. "Und dann möchte ich bitte auch, dass sie einbezogen werden in die Entscheidungen." Auch, wenn die AfD rechtsextrem sei, fragt Klamroth nach. "Das kann bei uns keiner mehr hören. Das mag wohl sein, dass es einige sind. Aber der Großteil bei uns in der Region nicht", antwortet ihm die Bürgermeisterin.
"Es sind ganz normale Leute aus der Mitte der Gesellschaft, die die AfD wählen", stellt Amthor fest. Er möchte zwischen den AfD-Funktionären und den -Wählern unterscheiden. Die Funktionäre seien die erklärten politischen Gegner der CDU. "Die wollen das Gegenteil von einer liberalen, freiheitlichen Demokratie. Die mäßigen sich nicht, sondern die radikalisieren sich immer weiter. Die sind unsere Gegner, mit denen arbeiten wir nicht zusammen."
Amthor: "Wir haben verstanden und lösen Probleme"
Die AfD-Wähler wollten dagegen vor allem, dass sich etwas ändert, und sie seien keine Rechtsradikalen. "Und deswegen braucht es auch keine Brandmauer zwischen den Parteien und den Wählern der AfD, sondern ein Dialog darum und ein Zeigen, dass wir verstanden haben und die Probleme lösen", sagt der CDU-Politiker. Das gute Wahlergebnis für die AfD interpretiert Amthor so, dass die Menschen einen Politikwechsel und ein Ende "dieser linken Politik" wollen. Man müsse Probleme lösen, jedoch nicht mit der AfD.
"Um jeden Wähler und jede Wählerin zu kämpfen, halte ich für die richtige Politik", stimmt ihm Audretsch zu. Man dürfe jedoch die Debatten, die die AfD hochtreibe, nicht immer weiter mitgehen. Beispiel Flüchtlingspolitik: "Wenn wir ausrufen, dass Migration das Problem unseres Landes ist, dann wird man diese Debatte immer weiter nach oben bringen." Nicht die Migration an sich sei das Problem. Vielmehr müssten die Probleme gelöst werden, die es dadurch vor Ort gebe: Mehr in Infrastruktur oder Kitaplätze investieren. "Und man muss gleichzeitig einen positiven Diskurs zu unserer vielfältigen und multikulturellen Gesellschaft kriegen."
Amthor ist dagegen für eine strengere Migrationspolitik: Einreisen beschränken, schneller abschieben, das Fünf-Punkte-Programm von Friedrich Merz sofort umsetzen. Schmidt will gerne noch einmal verhandeln: "Was jetzt gebraucht wird, ist die Fähigkeit zum Kompromiss", verlangt er. "Gerade, wenn Sie als Regierungschef nicht in der Lage sind, Kompromisse zu schließen, fahren Sie das Ding voll gegen die Wand. Daran sollte Herr Merz noch ein wenig arbeiten", empfiehlt Schmidt weiter.
Merz möchte so schnell wie möglich eine Koalition mit der SPD schmieden. Die sträubt sich noch, wenn man ihrem Vorsitzenden Lars Klingbeil glauben darf. Und auch Schmidt ist noch nicht ganz überzeugt. Aber er ist nicht im Streitmodus an diesem Abend. Immerhin, vielleicht ist das ein Anfang.
Quelle: ntv.de