Politik

S21 und der "Schwarze Donnerstag" Baden-Württemberg steht vor Gericht

Der Polizeichef ordnete den unmittelbaren Zwang an, nachdem die Räumung des Schlossparks misslungen war.

Der Polizeichef ordnete den unmittelbaren Zwang an, nachdem die Räumung des Schlossparks misslungen war.

(Foto: dpa)

Die Bilder vom harten Polizeieinsatz gegen Stuttgart-21-Demonstranten im Herbst 2010 gingen um die Welt. Fünf Jahre danach klagen sieben Opfer gegen das Land. Die einen wollen Schmerzensgeld, die anderen das Kapitel endlich abschließen.

Fünf Jahre nach der massiven Polizeigewalt bei Protesten gegen das Bahnprojekt Stuttgart 21 prüft das dortige Verwaltungsgericht die Rechtmäßigkeit des Einsatzes. Sieben der mehr als 100 Demonstranten, die damals am "Schwarzen Donnerstag" verletzt wurden, klagen gegen das Land Baden-Württemberg als Dienstherr der Polizei. Erklärt das Verwaltungsgericht den Einsatz vom 30. September 2010 für überzogen und rechtswidrig, steigen die Chancen der Kläger auf Schadenersatz. Das Land hat beantragt, die Klagen abzuweisen.

Dietrich Wagner ist einer der sieben Kläger. Er ist fast blind, weil ein Wasserwerfer ihn am Auge traf.

Dietrich Wagner ist einer der sieben Kläger. Er ist fast blind, weil ein Wasserwerfer ihn am Auge traf.

(Foto: dpa)

Der gerade angelaufene Prozess gilt als letzter Streitpunkt bei der Aufarbeitung des Einsatzes. Mit einer Entscheidung wird Ende November gerechnet. Seit dem "Schwarzen Donnerstag" gab es mehrere Strafbefehle gegen Polizisten in zwei eingesetzten Wasserwerfer-Fahrzeugen. Auch der damalige Polizeichef und Einsatzleiter Siegfried Stumpf akzeptierte einen Strafbefehl wegen fahrlässiger Körperverletzung.

Unter den Klägern am Verwaltungsgericht ist der fast erblindete Dietrich Wagner, der damals durch heftige Druckstöße aus einem Wasserwerfer gegen seinen Kopf aus den Augen blutete. Er schilderte dem Gericht Szenen "wie aus einem Bürgerkrieg" im Schlossgarten. "Es war ein Verbrechen." Mehrfach sei er von Wasserstößen umgeworfen worden, Reizgas habe ihm zu schaffen gemacht. Das Opfer Edmund Haferbeck berichtete, ohne Vorwarnung mit Pfefferspray beschossen worden zu sein. Er sei "gallig" geworden und habe sich deshalb vor den Wasserwerfer gesetzt, sagte Haferbeck.

War es eine geschützte Versammlung?

Tausende Demonstranten stemmten sich am 30. September 2010 auf dem Baufeld für den Tiefbahnhof Stuttgart 21 gegen das Fällen von Bäumen. Als die Räumung misslang, ordnete Polizeichef Stumpf den sogenannten unmittelbaren Zwang an, womit der Einsatz von Pfefferspray, Wasserwerfern und Schlagstöcken freigegeben war. Nach Angaben des Gerichts geht es zentral um die Fragen, ob die Menschenansammlung im Schlossgarten eine Versammlung war, die grundgesetzlich geschützt gewesen wäre, und ob der Polizeieinsatz damals verhältnismäßig war.

Wagners Anwalt Frank-Ulrich Mann hatte bereits vorab erklärt, es gehe auch darum, den Ruf der Demonstranten zu rehabilitieren und ähnliche Ereignisse künftig zu verhindern. In möglichen weiteren Verfahren um Schadenersatz oder Schmerzensgeld würde Mann für Wagner laut älteren Aussagen rund 100.000 Euro fordern.

An der Aufarbeitung des "Schwarzen Donnerstags" beißt sich seit fünf Jahren auch der Landtag die Zähne aus. Der inzwischen zweite Untersuchungsausschuss "Schlossgarten" versucht, zu klären, ob Mitglieder der damaligen CDU/FDP-Regierung oder gar Ex-Regierungschef Stefan Mappus (CDU) die harte Gangart der Polizei anordneten oder zumindest forderten. Greifbare Beweise dafür gibt es bisher nicht.

Quelle: ntv.de, nsc/dpa

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