Streit um Flüchtlingspolitik Bayern lässt Klage gegen Bund prüfen
04.11.2015, 09:08 Uhr
Seehofer will mit Transitzonen Abschiebungen beschleunigen
(Foto: dpa)
Nach dem gescheiterten Koalitionsgipfel zur Flüchtlingspolitik müht sich die Große Koalition zunehmend um Schadenbegrenzung und einen Weg zurück an den Gesprächstisch. Doch hinter den Kulissen hält CSU-Chef Seehofer seine Drohungen aufrecht.
Ungeachtet des von Ministerpräsident Horst Seehofer signalisierten Kompromisswillens bereitet Bayern eine Klage gegen die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung vor. Die CSU-Staatsregierung hat nach einem Bericht des Berliner "Tagesspiegels" den früheren Verfassungsrichter Udo di Fabio beauftragt zu prüfen, ob die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung an den deutschen Grenzen in verfassungswidriger Weise Bayerns Staatlichkeit gefährdet. Derweil hält der Andrang von Flüchtlingen an.
Di Fabio sagte dem Blatt, er solle ein "ergebnisoffenes" Gutachten erstellen. Allerdings münden solche Gutachten häufig in eine Klageschrift. CSU-Chef Seehofer hatte vor dem Koalitionsgipfel am Wochenende mit Notwehrmaßnahmen gedroht, sollte die Bundesregierung den Ansturm der Flüchtlinge auf die Grenze zwischen Österreich und Deutschland nicht begrenzen. Zwar war der Gipfel gescheitert, doch haben Kanzlerin Angela Merkel, Seehofer und auch SPD-Chef Sigmar Gabriel mittlerweile ihren Willen zu einer raschen Einigung signalisiert.
Im Zentrum der Kontroverse steht, ob es sogenannte Transitzonen für Flüchtlinge geben soll. Nach dem Willen der Union sollen in Transitzonen im Schnellverfahren die Anträge Schutzsuchender abgewickelt werden, die voraussichtlich keinen Anspruch auf Asyl haben, weil sie zum Beispiel aus sogenannten sicheren Herkunftsstaaten kommen.
Högl hält Namensfrage für unwichtig
SPD-Bundestagsfraktionsvize Eva Högl erwartet noch für Donnerstag eine Einigung in dem Streit. Zwar gebe es noch Unterschiede zwischen den einzelnen Konzepten zum Umgang mit Flüchtlingen nach der Einreise, doch solle sich eine gemeinsame Regelung finden lassen, sagte Högl im Deutschlandfunk. Sie jedenfalls sei "sehr optimistisch", dass eine Einigung gelinge, die ohne Massenlager unter Haftbedingungen für einreisende Flüchtlinge auskomme.
Für die SPD sei dabei wichtig, dass alle Asylbewerber in Einreisezentren, die es überall in Deutschland geben sollte, registriert werden. "Und der ganz wichtige Punkt ist, dass keine Menschen dort zwangsweise festgehalten werden, dass es keine Haft gibt", unterstrich sie. Es gehe bei einer Verständigung nicht darum, wie eine solche Einrichtung heiße, sagte Högl. Sie glaube, dass auch die CSU, die bisher für Transitzonen direkt an der Grenze eintrat, auf einen solchen Vorschlag einschwenke, weil er praktikabel sei.
Tausende Flüchtlinge an Grenze zu Bayern
An den drei niederbayerischen Grenzübergängen zu Österreich warteten am Morgen rund 3000 Menschen auf ihre Einreise nach Deutschland, am Dienstag waren es etwa 2500 gewesen. Die meisten Asylbewerber wollten über Wegscheid und Neuhaus am Inn ins Land, sagte Heinrich Onstein von der Bundespolizeiinspektion Freyung.
Der Flüchtlingskoordinator der Bundesregierung, Peter Altmaier (CDU), will sich am Nachmittag ein Bild von der angespannten Lage im Landkreis Passau machen. Geplant sind Besuche unter anderem in Wegscheid und am Passauer Hauptbahnhof. Sechs Sonderzüge sollten am Mittwoch die Menschen vom Bahnhof in andere deutsche Städte wie Köln, Zwickau, Freising und Hannover bringen, sagte Onstein.
Quelle: ntv.de, shu/dpa/rts