Politik

Notfallplan ausgearbeitet Berlin will Briten entgegenkommen

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Spitzenvertreter der EU fordern, die Austrittsverhandlungen mit Großbritannien zügig zu beginnen. Davon halten die Briten allerdings wenig. Die Bundesregierung strebt derweil eine "enge und partnerschaftliche" Beziehung an.

Wie wird das künftige Verhältnis zwischen Europäischer Union und Großbritannien aussehen? Geht es nach der Bundesregierung, dann soll es künftig einen Assoziierungstatus für die Briten geben. Das berichtet das "Handelsblatt" und beruft sich dabei auf ein der Zeitung vorliegendes Strategiepapier aus dem von Wolfgang Schäuble geleiteten Finanzministerium. In diesem sei aufgezeichnet, wie die Bundesregierung in den Verhandlungen vorgehen werde.

In Abstimmung mit der EU werde man Großbritannien "konstruktive Austrittsverhandlungen anbieten", zitiert das "Handelsblatt" aus dem acht Seiten umfassenden Papier. Erwartet werden allerdings "schwierige Verhandlungen".

Der Abschied eines Mitgliedslandes aus der Staatengemeinschaft ist in Artikel 50 des Vertrages von Lissabon geregelt. Sobald die Mitteilung bei der EU eingegangen ist, bleiben laut EU-Verträgen zwei Jahre Zeit, um die Austrittsbedingungen zu regeln.

"Das schafft Zeit und Basis für Verhandlungen", heißt es in dem Papier. Demnach solle ein Assoziierungsstatus angestrebt werden. Es dürfe aber keinen "Automatismus beim Zugang zum EU-Binnenmarkt" geben. Denn die Bundesregierung fürchtet Nachahmer, sollte Großbritannien zukünftig vom Binnenmarkt auch ohne EU-Mitgliedschaft voll profitieren.

Man müsse "bei künftiger Neuregelung der Beziehungen falsche Anreize für andere Mitgliedstaaten vermeiden", zitiert das "Handelsblatt" aus dem Papier. "Nachahmungstendenzen" fürchte die Bundesregierung in Frankreich, Österreich, Finnland, den Niederlanden und Ungarn. "Ausmaß und Umfang der Nachahmungseffekte werden maßgeblich vom Umgang mit Großbritannien abhängen", heißt es weiter.

Juncker drückt aufs Tempo

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte nach dem Referendum betont, die künftigen Beziehungen der EU zu Großbritannien sollten "eng und partnerschaftlich" sein. Im Gegensatz zu Spitzenvertretern der Europäischen Union forderte sie Großbritannien nicht auf, so schnell wie möglich Konsequenzen aus dem Brexit-Referendum zu ziehen.

"Jede Verzögerung würde die Unsicherheit unnötig verlängern", hatten zuvor EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker, EU-Ratspräsident Donald Tusk, EU-Parlamentschef Martin Schulz und der niederländische Regierungschef Mark Rutte in Brüssel mitgeteilt.

Sie wiesen auf den Artikel 50 des EU-Vertrags hin. "Wir haben Regeln, um damit (dem Austritt) geordnet umzugehen", schrieben die Politiker. Sie seien bereit, rasch Verhandlungen über Bedingungen des Austritts mit London zu beginnen. Die Reformangebote, die der EU-Gipfel vom Februar Großbritannien gemacht habe, seien nun vom Tisch. Dabei ging es unter anderem um die Begrenzung bestimmter Sozialleistungen für zugereiste EU-Ausländer. "Es wird keine Neu-Verhandlung geben", kündigten die EU-Spitzenvertreter an.

Briten bremsen

Großbritannien will bei den Verhandlungen über den Ausstieg aus der EU offensichtlich auf Zeit spielen. "Es gibt keine Notwendigkeit für einen genauen Zeitplan", sagte der scheidende Premierminister David Cameron. Die Verhandlungen mit Brüssel solle sein Amtsnachfolger führen, der im Oktober gekürt werden könnte. "Eine Verhandlung mit der Europäischen Union wird unter einem neuen Premierminister beginnen müssen", meinte Cameron. In dessen Entscheidung soll es auch liegen, wann von Artikel 50 des Lissabon-Vertrages Gebrauch gemacht werden soll.

Gemäß dieser Regelung müsste Großbritannien das Austrittsgesuch in Brüssel anmelden. Dann müssten die Austrittsverhandlungen binnen zwei Jahren beendet sein. Ansonsten würde Großbritannien ungeregelt aus der Union ausscheiden.

In London gibt es offenbar Pläne, sich deshalb besser nicht auf den Artikel zu berufen. Er sehe keine Notwendigkeit, von Artikel 50 Gebrauch zu machen, sagte Boris Johnson, früherer Londoner Bürgermeister und Aspirant auf die Nachfolge Camerons. "Es gibt keinen Grund zur Hast", meinte der führende Brexit-Befürworter.

Quelle: ntv.de, jga/rts/dpa

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