Lauterbach sieht "Revolution" Bund und Länder einig bei Krankenhausreform - neue Vergütung
10.07.2023, 16:08 Uhr Artikel anhören
Bund und Länder verständigen sich auf eine Abschaffung der Fallpauschalen. Krankenhäuser sollen deutlich stärker für das Bereithalten von Leistungen entlohnt werden. Details dazu erarbeiten die Kassen. Bis dahin werden "noch sehr viele Kliniken in die Insolvenz gehen", sagte Minister Lauterbach.
Bund und Länder haben sich in der Debatte über eine Neuaufstellung der Krankenhäuser in Deutschland auf Eckpunkte verständigt. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach sprach nach einem Treffen mit den Ländern in Berlin von einer "Revolution". Über den Sommer wollen Bund und Länder nun einen konkreten Gesetzentwurf ausarbeiten. Ziel ist, dass die Reform zum 1. Januar 2024 in Kraft tritt. Lauterbach plant demnach auch ein Transparenzgesetz, mit dem Daten zur Behandlungsqualität aller Kliniken veröffentlicht werden sollen. Dies werde der Bund für sich machen. Zugleich geht der Minister davon aus, dass "noch sehr viele Kliniken in die Insolvenz gehen" und einige schließen werden, bis die Reform wirke.
Den Eckpunkten stimmten nun 14 der 16 Länder zu, wie der Vorsitzende der Gesundheitsminister, Manne Lucha aus Baden-Württemberg, mitteilte. Dies sei damit ein gültiger Beschluss. Bayern stimmte mit Nein, Schleswig-Holstein enthielt sich.
Die Pläne sehen im Kern vor, das Vergütungssystem mit Pauschalen für Behandlungsfälle zu ändern. Künftig sollten 60 Prozent der Kosten von Kliniken über Vorhaltepauschalen gedeckt werden. "Das nimmt den ökonomischen Druck weg", sagte der SPD-Minister. Kleine Krankenhäuser würden nicht mehr gezwungen, so viele Leistungen zu erbringen, Krebsbehandlungen etwa würden in Spezialzentren erfolgen. Die Vorhaltepauschalen könnten nur Kliniken erhalten, die auch entsprechende Qualitiätskriterien erfüllten, betonte Lauterbach.
Einer der zentralen Punkte ist für Lauterbach eine "Transparenzoffensive": Patientinnen und Patienten sollen mit wenigen Klicks im Internet erfahren können, welche Qualitätsstandards eine Klinik bei bestimmten Behandlungen erfüllt und wo es möglicherweise Mängel gibt. Die Daten dafür liegen seit Jahren vor: Schon seit zehn Jahren jetzt sind die Krankenhäuser verpflichtet, jährlich einen Qualitätsbericht zu veröffentlichen. Mit solchen Berichten können Patienten, die beispielsweise entscheiden müssen, in welchem Krankenhaus sie eine Krebserkrankung behandeln lassen wollen, allerdings nichts anfangen. Dabei kann diese Entscheidung von größter Bedeutung sein: Studien zeigen, dass die Behandlung in zertifizierten onkologischen Zentren die Überlebenschance von Krebspatienten erhöht. Schon jetzt finden Patienten über die "Weiße Liste", einem Projekt der Bertelsmann-Stiftung, die für ihre jeweiligen Bedürfnisse besten Krankenhäuser. Grundlage sind dabei die Daten aus den Qualitätsberichten sowie Ergebnisse von Patientenbefragungen.
Kleine Kliniken könnten sich damit darauf konzentrieren, was sie gut leisten könnten. Damit sei die Reform auch eine "Existenzgarantie für kleine Kliniken auf dem Land", sagte der Minister weiter. Dies helfe auch gerade Krankenhäusern in Ostdeutschland, weil dort viele Häuser gefährdet seien, weil sie nach dem bisherigen System nicht mehr auf genügend Behandlungsfälle kämen.
Grundlage der Finanzierung durch die Krankenkassen sollen genauer definierte Leistungsgruppen der Kliniken sein - also etwa Kardiologie statt grobe Bezeichnungen wie innere Medizin. Die Leistungsgruppen sollen einheitliche Qualitätsvorgaben etwa bei der Ausstattung, bei Personal und Behandlungserfahrungen absichern.
"Das ist schmerzhaft, aber es ist so"
Der Bund pochte zudem darauf, Daten zur Behandlungsqualität aller Kliniken zu veröffentlichen. Transparent machen will Lauterbach die Verteilung der Leistungsgruppen auf die Häuser und eine Einteilung in Versorgungsstufen (Level). Über eine stärker steuernde Funktion der Level gibt es keine Einigkeit. Gemeint sind Einordnungen des Kliniknetzes in Stufen - von der wohnortnahen Grundversorgung über eine zweite Stufe mit weiteren Angeboten bis zu Maximalversorgern wie Universitätskliniken.
Forderungen der Länder nach einer Finanzspritze des Bundes für die Kliniken noch vor der Reform setzten sich nicht durch. Lauterbach sagte auch mit Blick auf die Haushaltslage, es werde geprüft, fügte aber hinzu: "Ich kann da keine Hoffnungen machen." An der Ausarbeitung des Gesetzentwurfs sollen für die Länderseite Hamburg, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen sowie für die Belange Ostdeutschlands auch Mecklenburg-Vorpommern beteiligt werden.
Gesundheitspolitiker der Ampel-Koalition begrüßten die Einigung. Nach harten, aber auch konstruktiven Verhandlungen stehe ein "gutes Ergebnis", sagte SPD-Fraktionsvize Dagmar Schmidt. Es werde die Qualität der Krankenhausbehandlung deutlich verbessert und eine flächendeckende Versorgung gesichert. Grünen-Gesundheitsexperte Armin Grau sprach von einem wichtigen Meilenstein der Krankenhausreform. Es gebe "ein gemeinsames Grundverständnis der Reformziele". Der Zeitplan sei indes "sehr ambitioniert".
FDP-Gesundheitspolitiker Lars Lindemann unterstützt die Pläne, Qualitätsdaten für Krankenhäuser zu veröffentlichen. "Wir brauchen eine große Offenheit darüber, was bestimmte Strukturen im Krankenhaussektor zu leisten in der Lage sind", sagte er der "Ärzte Zeitung". Krankenhäuser, die bestimmte Leistungen nicht zu einem bestimmten Qualitätsniveau erbringen könnten, müssten im Zweifel damit aufhören und ausscheiden. "Das ist schmerzhaft, aber es ist so."
Quelle: ntv.de, jwu/dpa/AFP