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"Unerschöpfliche Energiequelle" Bundesregierung will den Erdwärme-Turbo zünden

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Umso tiefer man bohrt, umso mehr Wärme lässt sich aus der Erde holen. Die Technik soll in Deutschland deutlich mehr genutzt werden.

Umso tiefer man bohrt, umso mehr Wärme lässt sich aus der Erde holen. Die Technik soll in Deutschland deutlich mehr genutzt werden.

(Foto: picture alliance/dpa)

Erdwärme ist eine eher unbekannte Energiequelle, sie hat neben Wind und Sonne aber großes Potenzial. Bundeskanzler Olaf Scholz wünscht sich bis 2030 "zehnmal so viel" Geothermie. Auch Hausbesitzer können sich kleine Anlagen zulegen. Doch es gibt nicht nur Vorteile.

Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich für einen verstärkten Einsatz von Erdwärme (Geothermie) im Zuge der Energiewende ausgesprochen. Neben Wind und Sonne gilt sie als dritte Säule, insbesondere auch, weil sie lokal verfügbar ist. Das Wirtschaftsministerium nennt Geothermie auf seiner Homepage "eine nach menschlichen Maßstäben unerschöpfliche Energiequelle". "Sie sollte eine viel bedeutendere Rolle spielen, als sie das bisher tut", sagte Scholz beim Besuch eines Geothermiekraftwerks im bayerischen Geretsried, wo die kanadische Firma Eavor ein erstes kommerzielles Geothermiekraftwerk mit der neuartigen Loop-Technologie baut, die durch unterirdische Wärmeschleifen anders als bisherige Technologien ohne Vorkommen von Tiefenwasser auskommen soll.

Die Tiefengeothermie sei "vor allem für unsere Kommunen und ihre Wärmeversorgung interessant", betonte Scholz. Ziel sei es insgesamt, so viel Erdwärme wie möglich bis 2030 zu erschließen, und zehnmal so viel Erdwärme ins Wärmenetz einzuspeisen wie heute. "Wenn wir neuen Ideen und Projekten wie diesen eine Chance geben, kann daraus neuer Wohlstand erwachsen", zeigte sich der Kanzler überzeugt. Er wünsche sich, "dass Deutschland das erste Land in Europa wird, in dem der Eavor-Loop in nennenswertem Maßstab funktioniert".

Das sind die Tiefbohr-Techniken

Das "Informationsportal Tiefe Geothermie" der PR-Agentur Enerchange beschreibt die neuartige Loop-Technologie so: "Beim Bau des Eavor-Loop in Geretsried arbeitet Eavor mit zwei parallel betriebenen Bohrtürmen. Diese bohren zunächst vertikal bis in eine Tiefe von circa 4500 Metern. Dort werden die Bohrungen horizontal abgelenkt. Es entstehen mehrere parallele Abzweigungen, die jeweils ca. 3300 Meter lang sind. Die Besonderheit besteht darin, dass Eavor in der Tiefe die Bohrungen miteinander verbindet, sodass unterirdische Wärmeschleifen entstehen. Der Eavor-Loop ähnelt in der Funktionsweise einem unterirdischen Wärmetauscher. Es zirkuliert selbstständig ein Wärmemedium im Tiefengestein. Thermalwasser wird nicht benötigt. Damit hat der Eavor-Loop entscheidende Vorteile zur bisher verbreiteten hydrothermalen Geothermie."

Arbeiter hantieren vor Olaf Scholz an einer Geothermiekraftwerk-Baustelle mit einem Bohrgestänge.

Arbeiter hantieren vor Olaf Scholz an einer Geothermiekraftwerk-Baustelle mit einem Bohrgestänge.

(Foto: picture alliance/dpa/dpa POOL)

Bei der altbekannten Methode der hydrothermalen Geothermie werden laut der Wissenschaftsorganisation Helmholtz-Gemeinschaft Bohrungen circa drei bis fünf Kilometer tief in den Untergrund getrieben und Reservoire mit heißem Wasser angezapft. Das wird an die Oberfläche gepumpt, gibt seine Energie über Wärmetauscher ab und wird anschließend wieder in den Untergrund zurückgeführt. Eva Schill, Leiterin vom Cluster Geoenergie des Instituts für Nukleare Entsorgung (INE) am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), geht davon aus, dass die hydrothermale Geothermie etwa 25 Prozent des deutschen Wärmebedarfs decken könnte.

Kritik an der tiefen Geothermie gibt es wegen der Bohrungen, die zu Erdrutschen oder sogar kleineren Beben führen könnten. Ein Grund, warum die Erwärme den anderen erneuerbaren Energien immer noch hinterherhinkt, sind laut Helmholtz-Gemeinschaft zudem die sehr hohen Investitionskosten in die geothermischen Anlagen.

Erdwärme in Hamburg für mehr als 6000 Haushalte

Eine Anlage in Hamburg-Wilhelmsburg soll ab Frühjahr 2025 schrittweise mehr als 6000 Haushalte mit Wärme versorgen. Die notwendigen Tests seien erfolgreich abgeschlossen worden, erklärten kürzlich die Hamburger Energiewerke. Demnach soll nach der Fertigstellung 48 Grad warmes Thermalwasser aus einer Tiefe von 1300 Metern gefördert und über das Fernwärmenetz in die Häuser transportiert werden.

Derzeit laufe bereits der Leitungsbau; das Heizhaus am Standort soll im Frühjahr 2024 errichtet werden. Nach Angaben der Energiewerke rechnen Experten mit einer rein geothermalen Wärmeleistung von sechs Megawatt, womit sich rund 4700 Haushalte versorgen ließen. Durch den geplanten Einsatz von Wärmepumpen könne sich diese Zahl auf 6000 erhöhen.

Nutzung im Kleinen für Hausbesitzer

Um Erdwärme nutzen zu können, braucht es aber nicht unbedingt Tiefenbohrungen. Auch Privatleute können mit ihrem Eigenheim in die Thematik einsteigen - ohne so tief bohren zu müssen. Das Ganze nennt sich dann "oberflächennahe Geothermie".

Darunter wird die Nutzung von Erdwärme aus bis zu 400 Metern Tiefe verstanden. Hier ist die Temperatur zwar im Jahresverlauf immer ziemlich ähnlich, dafür aber auch deutlich niedriger als in tieferen Gefilden. Um eine Wohnung auf diese Weise heizen zu können, braucht es zusätzlich eine Wärmepumpe. Es reichen schon acht bis zwölf Grad Erdtemperatur - und die sind bereits in einigen Metern Tiefe gegeben. Laut dem Portal "bauen.de" gibt es im privaten Bereich drei verschiedene Möglichkeiten, die Wärme der Erde zum Heizen zu nutzen:

Dazu zählen Erdwärmesonden, die tief in der Erde verschwinden. Dafür seien teure Bohrungen notwendig, die genehmigt werden müssten. Ab zehn bis 15 Metern Tiefe würden selbst im tiefsten Winter konstante Temperaturen um zehn Grad Celsius herrschen. In vielen Wohngebieten seien solche Bohrungen jedoch nicht erlaubt.

Erdwärmebohrung für die Umstellung auf klimaneutrale Heizungen an einem Haus.

Erdwärmebohrung für die Umstellung auf klimaneutrale Heizungen an einem Haus.

(Foto: IMAGO/Rainer Weisflog)

Zudem nennt das Portal Erdwärmekollektoren, bei denen schon eine Tiefe von 1,5 bis zwei Metern im Garten reiche. Das sei weitaus günstiger, als Bohrungen zu machen. Gebraucht werde allerdings eine Fläche doppelt so groß wie die zu beheizende Wohnfläche. Und: Weil die Temperaturen in 1,5 bis zwei Metern Tiefe mehr schwanken, sollen die Kollektoren bei niedrigen Außentemperaturen weniger effizient sein.

Der letzte Punkt, den "bauen.de" aufführt, sind Spiralkollektoren und Wärmekörbe. Hier seien etwa vier Meter Tiefe nötig, was etwas größere Temperaturkonstanz verschaffe. Die Spiralform ermögliche eine größere Fläche für die Wärmeaufnahme - somit werde eine deutlich geringere Fläche benötigt.

Quelle: ntv.de, rog/DJ/AFP

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