Koalition streitet um Einwanderung CDU steht vor Richtungswechsel
29.07.2015, 07:08 Uhr
Flüchtlinge bei ihrer Ankunft im nordrhein-westfälischen Remscheid.
(Foto: dpa)
Die SPD würde gern ein Einwanderungsgesetz beschließen. Dafür würde sie der Union in anderen Fragen entgegenkommen. Während die CSU das "gut funktionierende" Asylsystem nicht ändern will, hat sich Merkel offenbar bereits entschieden.
Der CDU-Chef von Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet, hat für ein Einwanderungsgesetz geworben. Die bestehenden Vorschriften für die Einwanderung nach Deutschland seien zu kompliziert und wirkten auf qualifizierte Menschen nicht gerade einladend, sagte er der "Rheinischen Post". "Deswegen brauchen wir ein Einwanderungsgesetz aus einem Guss, das zudem flexibel auf den Arbeitsmarkt reagiert."
Bereits zuvor hatte SPD-Parteivize Torsten Schäfer-Gümbel erklärt, wenn die Union einem Einwanderungsgesetz zustimme, sei die SPD unter Umständen bereit, der Erklärung weiterer Länder zu sicheren Herkunftsstaaten zuzustimmen. Die SPD fordert seit Langem ein Einwanderungsgesetz, um die Regeln für Zuwanderer einfacher und übersichtlicher zu machen.
Allerdings gibt es auch Gegenstimmen in der Union. Der stellvertretende Fraktionschef Thomas Strobl begrüßte zwar, dass die SPD über die Einstufung weiterer Balkanstaaten als sichere Herkunftsländer sprechen wolle. Nicht gut sei aber, dass die Sozialdemokraten diese notwendigen Änderungen an Bedingungen knüpfe, sagte der baden-württembergische CDU-Chef der "Saarbrücker Zeitung".
Der CDU-Parteivorstand will am 14. September über ein Einwanderungsgesetz diskutieren und einen entsprechenden Antrag an den Parteitag beschließen. Hintergrund ist offenbar ein Kurswechsel von Parteichefin und Bundeskanzlerin Angela Merkel, die sich in der parteiinternen Debatte auf die Seite der Befürworter eines Einwanderungsgesetzes geschlagen haben soll. Bislang ist die Zuwanderung durch viele einzelne gesetzliche Vorschriften geregelt.
"Das System funktioniert gut"
Die CSU sieht dagegen dafür keinen Änderungsbedarf, da es ein gut funktionierendes System gebe. Generalsekretär Andreas Scheuer sagte der "Augsburger Allgemeinen", die Menschen hätten kein Verständnis dafür, "dass so viele Flüchtlinge kommen und die Politik gleichzeitig von mehr Zuwanderung spricht". Er forderte vielmehr, die Einwanderung stärker einzuschränken. Die Kommunen hätten bei der Aufnahme von Flüchtlingen ihre Belastungsgrenze bereits überschritten.
Die Bundesregierung hatte 2014 angesichts einer großen Zahl an aussichtslosen Asylanträgen Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina als "sichere" Herkunftsländer klassifiziert, um Asylbewerber von dort schneller wieder zurückschicken zu können. Wegen sehr vieler Asylsuchender aus dem Kosovo und Albanien wird nun darüber diskutiert, beide Staaten sowie Montenegro in die Liste aufzunehmen. Die Flüchtlingszahlen wachsen seit Monaten. Bis zum Jahresende rechnen die Behörden mit mindestens 450.000 Asylanträgen.
Weitere Balkanstaaten als sicher einzustufen, wäre diskriminierend, sagte dagegen der rheinland-pfälzische Grünen-Fraktionschef Daniel Köbler der "Welt". Das Asylrecht-Grundrecht könne nicht einfach für ganze Gruppen abgeschafft werden. Grünen-Parteichefin Simone Peter wies darauf hin, dass die Zahl der Asylsuchenden aus den als sicher eingestuften Staaten Serbien, Bosnien-Herzegowina und Mazedonien nicht relevant zurückgegangen sei. "Der vor allem von der Union gewünschte Abschreckungseffekt ist also nicht eingetreten. Damit hat auch eine Ausweitung dieses Instruments keinen Sinn."
Widerspruch zu Kretschmann
Peter hob hervor, Rheinland-Pfalz etwa habe zeigen können, dass die Kombination aus schnelleren Verfahren und Aufklärung im Rahmen einer Rückführungsberatung zu sinkenden Zugangszahlen aus dem Kosovo geführt habe. Sie wandte sich mit ihren Äußerungen auch gegen Baden-Württembergs grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann, der sich für die Einstufung weiterer Balkanländer als sichere Herkunftsstaaten offen gezeigt hatte.
Der FDP-Bundesvorsitzende Christian Lindner forderte in der "Schwäbischen Zeitung" den Bund auf, sämtliche Unterbringungskosten für Flüchtlinge zu übernehmen, um Länder und Kommunen zu entlasten. Wer als Flüchtling ein faktisches Bleiberecht habe, sollte schnellstmöglich eine Arbeit aufnehmen dürfen, sagte der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, der "Rheinischen Post".
Bisher gilt dem Bericht zufolge eine Mindestwartezeit von 15 Monaten ab Duldung. Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer verlangte, die sogenannte Vorrangprüfung der Arbeitsagenturen für Asylbewerber solle schon nach 6 statt 15 Monaten wegfallen. Vorrangprüfung bedeutet, dass die Agentur bescheinigen muss, dass eine Stelle nicht durch einen Inländer besetzt werden kann.
Quelle: ntv.de, mli/dpa/AFP