Schäuble gegen Varoufakis "Das ist ein ideologischer Machtkampf"
18.02.2015, 09:01 Uhr
Das Bild trügt: In Brüssel sind Schäuble und Varoufakis Gegner.
(Foto: dpa)
An Griechenland solle ein Exempel statuiert werden, glaubt der grüne Europaabgeordnete Sven Giegold. "Konservative Regierungen wollen ihre Sparpolitik zu jedem Preis durchsetzen", sagt er. Doch auch die griechische Regierung riskiert viel.
n-tv.de: In den Verhandlungen um weitere Finanzhilfen für Griechenland wollen bislang, auch wenn sich mittlerweile eine Einigung andeutet, weder die griechische Regierung noch die anderen Mitglieder der Eurogruppe nachgeben. Bei wem sehen Sie das größere Versagen?

Sven Giegold ist Finanz- und Wirtschaftsexperte sowie Europaabgeordneter der Grünen.
(Foto: picture alliance / dpa)
Sven Giegold: Derzeit schaufeln sich die Eurogruppe und Griechenland ein gemeinsames Grab. Zwischen Finanzminister Schäuble und seinem griechischem Kollegen Varoufakis gibt es einen ideologischen Machtkampf um die Sparpolitik. Beide Seiten handeln verantwortungslos gegenüber dem griechischen und europäischen Interesse. Die Eurogruppe versagt momentan als Ganzes.
Ist es nicht erstaunlich, dass Griechenland sich selbst so stark isoliert hat?
Ja, der Start der griechischen Regierung ist sehr holprig. Ministerpräsident Tspiras und sein Team haben die Wahlkampfrhetorik noch immer nicht ablegt. Vielmehr haben Tsipras und Varoufakis nach den unhaltbaren Wahlversprechen die Latte der Erwartungen im eigenen Land sogar noch höher gehängt. Damit verhindern sie momentan vernünftige Kompromisse. Statt die soziale Situation ihrer Bürgerinnen und Bürger zu verbessern, riskieren sie eine dramatische Zuspitzung der Wirtschaftslage.
Wie viel Spielraum hat die Eurogruppe, um Griechenland entgegenzukommen?
Ihre Frage setzt voraus, dass es den anderen Ländern vor allem Geld kosten würde, Griechenland entgegen zu kommen. Wenn die Verhandlungen scheitern, dürften die Milliardenkredite an Griechenland aber weitgehend verloren sein. Mit einer zeitlichen Streckung der Rückführung der Schulden würden Schäuble und seine Kollegen die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass alle Kredite auch wieder zurückgezahlt werden. Selbstverständlich muss Griechenland im Gegenzug Kontrollen und Reformen akzeptieren.
Welche Seite hat die stärkere Verhandlungsposition?
Das hängt davon ab, wie man die Folgen eines Euro-Austritts Griechenlands bewertet. Ich glaube, dass die Folgen katastrophal wären - für Griechenland und zumindest politisch und moralisch auch für Europa als Ganzes. Es geht nicht so sehr um Stärke, sondern um die Verantwortung, die die Regierungen der Eurogruppe für ihre Bürger tragen. Daher müssen beiden Seiten ihre Muskelspiele beenden und ernsthaft an einem Kompromiss arbeiten.
Kann es sein, dass die Eurogruppe ein Exempel an Griechenland statuieren will?
So sieht es aus. Zum Teil geht es darum, Prinzipien zu verteidigen, die uns in Europa wichtig sein sollten. Zum Beispiel, dass europäische Vereinbarungen auch eingehalten werden. Mir scheint, es geht hier aber noch mehr darum, dass die Bundesregierung und andere konservative Regierungen in Europa ihre Sparpolitik zu jedem Preis durchsetzen wollen. Längst müssten Merkel und Co. eingestehen, dass Kürzungen allein das Problem nicht lösen. Bei den Wahlen in Spanien in diesem Jahr könnte sich diese engstirnige Wirtschaftspolitik auch für die dortige Regierung rächen.
Die Bundesregierung stellt sich auf den Standpunkt, dass sie keine Verantwortung für die sozialen Verwerfungen in Griechenland trage.
Die Korruption im Staat bis hin zu Krankenhäusern und alltäglichen Dienstleistungen müssen vor allem die vorangegangenen griechischen Regierungen verantworten. Aber die einseitigen Kürzungen, Massenentlassungen und Lohnsenkungen ohne Investitionen in Zukunftsbranchen, entsprachen dem Wunsch der Troika wie der Bundesregierung und führten zu steigender Jugendarbeitslosigkeit und verheerender Armut im Land. Grüne haben von Anfang an mehr soziale Ausgewogenheit gefordert, nicht nur zum Schutz der Grundrechte, sondern auch, weil das Programm damit überhaupt erst wirklich umsetzbar ist.
Wird Griechenland in einem Jahr noch Mitglied der Eurogruppe sein?
Ich glaube, wir waren noch nie so nah an einem Euro-Austritt Griechenlands. Das macht mir große Sorgen. Aber letztlich hoffe ich, dass Vernunft auf beiden Seiten siegen wird.
Mit Sven Giegold sprach Hubertus Volmer
Quelle: ntv.de