Kritik an Attesten für Asylbewerber De Maizières Statistik existiert nicht
17.06.2016, 15:05 Uhr
Aus seinen Akten hatte der Minister die Zahl zu den Attesten für abgelehnte Asylbewerber nicht.
(Foto: imago/CommonLens)
Der Innenminister behauptet, Ärzte schützten viele junge Männer mit falschen Attesten vor der Abschiebung. Nun muss das Ministerium einräumen, dass de Maizière mit nicht belegbaren Zahlen argumentiert.
Das Bundesinnenministerium hat umstrittene Äußerungen seines Ressortchefs Thomas de Maizière zur Verhinderung von Abschiebungen durch ärztliche Atteste relativiert. Von de Maizière genannte Zahlen stammen nicht aus einer offiziellen Statistik, wie ein Ministeriumssprecher einräumte. De Maizière hatte kritisiert, "dass 70 Prozent der Männer unter 40 Jahren vor einer Abschiebung für krank und nicht transportfähig erklärt werden".
Diese Prozentzahl sei nicht in einem behördenübergreifenden Bericht zu Abschiebehindernissen enthalten, sagte der Ministeriumssprecher. Sie sei aber in einem Gespräch de Maizières mit einem Landesinnenminister gefallen. "Bundesweite Durchschnittszahlen zu der genauen Attestquote gibt es nicht", stellte das Ministerium zudem über den Kurznachrichtendienst Twitter klar. Die Zahlen seien von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich.
Der CDU-Politiker hatte in einem Interview kritisiert: "Es werden immer noch zu viele Atteste von Ärzten ausgestellt, wo es keine echten gesundheitlichen Abschiebehindernisse gibt." Mit diesen Äußerungen zog der CDU-Politiker umgehend die Empörung der Ärzteschaft auf sich.
Solche Unterstellungen "entbehrten jeder Grundlage", erklärte Ärztekammerpräsident Frank Ulrich Montgomery. De Maizière übe öffentlichen Druck auf die Ärzteschaft aus, damit diese zukünftig ihre medizinische Kompetenz seinen politischen Vorstellungen unterordne, kritisierte der Verein Demokratischer Ärztinnen und Ärzte.
Ministerium bleibt bei Grundaussage
Wenn ein ärztliches Attest ausgestellt werde, weil es "tatsächlich ein gesundheitliches Abschiebehindernis gibt, dann ist das nicht nur gut und richtig, sondern auch mit geltendem Recht in vollständigem Einklang", sagte der Ministeriumssprecher. Gleichzeitig verteidigte er aber die Grundaussage de Maizières: Die Behörden hätten "vielfach" beobachtet, dass "sehr kurz vor einer Abschiebung zum Teil gesundheitliche Gründe vorgetragen werden und worden sind, die vorher erkennbar noch nie eine Rolle gespielt haben".
De Maizière hatte schon einmal eine Debatte mit einer Zahl ausgelöst, die nicht belegbar war. Im vergangen November hatte er behauptet, etwa 30 Prozent derer, die sich als syrische Flüchtlinge ausgeben, stammten tatsächlich aus anderen Ländern. Es habe sich nicht um "eine statistisch erhobene Zahl" gehandelt, "sondern eine Schätzzahl, die auf Wahrnehmungen von Behörden vor Ort beruht", teilte die Bundesregierung mit.
Kritiker halten die Zahl für drastisch überhöht. Laut Zahlen der Bundesregierung hatten die deutschen Behörden nur bei etwa acht Prozent der syrischen Pässe etwas zu beanstanden. Fälschungen machten davon wiederum nur einen kleinen Teil aus. Ein Sprecher des Innenministeriums wie allerdings darauf hin, dass - anders als von Kritikern behauptet -, die geringe Zahl gefälschter syrischer Papiere kein Indiz dafür sei, dass de Maizières "Schätzzahl" zu hoch gegriffen sei. Die meisten derer, die sich fälschlich als Syrer ausgäben, legten gar keine Ausweise vor, so der Sprecher, sondern behaupteten, ihre Papiere verloren zu haben.
Quelle: ntv.de, mbo/AFP