Politik

Zum Tod von Schalck-Golodkowski Der Devisenbeschaffer

Wirkte bisweilen in einer rechtlichen Grauzone: Schalck-Golodkowski.

Wirkte bisweilen in einer rechtlichen Grauzone: Schalck-Golodkowski.

(Foto: dpa)

Alexander Schalck-Golodkowski arbeitete im Hintergrund, scheute den öffentlichen Auftritt. Mit der Kommerziellen Koordinierung sorgte er dafür, dass die DDR lange Zeit zahlungsfähig blieb. Viele Geheimnisse nimmt er mit ins Grab.

Es ist der Wendeherbst 1989: Wenige Tage nach Erich Honeckers Sturz und der Ernennung von Egon Krenz zum SED-Generalsekretär findet im DDR-Fernsehen eine Diskussionsrunde zur angespannten Lage im zweiten deutschen Staat statt. Es geht um die marode DDR-Wirtschaft und die Frage, wie man sie wieder in Gang bekommt. Eine verstärkte Zusammenarbeit mit der Bundesrepublik wird diskutiert, es wird in der Talkrunde die Notwendigkeit der Schaffung von Joint Ventures erörtert. Auch die Devisenknappheit der DDR spielt in diesem Zusammenhang eine große Rolle.

In dieser Sendung fällt ein Mann mit ungewöhnlich präzisen Antworten auf schwierige Fragen auf. Ein Funktionär mit SED-Abzeichen am Revers, der sehr stark berlinert und ab und zu den Spruch anbringt: "Da müssn wa uns wat einfallen lassn." Es ist Alexander Schalck-Golodkowski - zu diesem Zeitpunkt dem überwiegenden Teil der DDR-Bevölkerung völlig unbekannt. Er wurde vorher als Mitglied des Zentralkomitees der SED vorgestellt, aber derer gibt es viele. Er sei Staatssekretär im Ministerium für Außenhandel, hieß es zudem - aber auch davon gibt es mehrere und überhaupt: Die Regierung der DDR war zahlenmäßig so groß, dass Spötter meinten, für eine Sitzung müsse ein Kinosaal gemietet werden.

Ein besonderer Funktionär

Schalck-Golodkowski ist aber ein besonderer Funktionär. Bereits seit 1966 ist er für den Bereich Kommerzielle Koordinierung (KoKo) zuständig, den er maßgeblich mit aufgebaut hat. Eine Aufgabe von KoKo ist die Sicherung der Zahlungsfähigkeit der DDR mittels verdeckter Geschäfte zur Devisenerwirtschaftung. Wenn es um deutsch-deutsche Wirtschaftsbeziehungen geht, ist dieser stämmige, eloquente Mann mit von der Partie.

So ist Schalck-Golodkowski im Dezember 1981 während der Unterredung Erich Honeckers mit Bundeskanzler Helmut Schmidt im Jagdhaus Hubertusstock am Werbellinsee zugegen. Die DDR liegt wirtschaftlich bereits am Boden - zum Beispiel wird bei Butter auf Staatsreserven zurückgegriffen. Honecker verspricht sich vom Schmidt-Besuch in der DDR vor allem in ökonomischer Hinsicht eine Menge. Schalck-Golodkowski agiert bei dem Treffen der beiden Spitzenpolitiker vor den Toren Berlins als der Stichwortgeber.

Ein Jahr später ist der SPD-Mann Schmidt nicht mehr Kanzler. Die FDP hat die Seiten gewechselt und ist eine Koalition mit der Union eingegangen. Die DDR-Führung hat es nun mit Bundeskanzler Helmut Kohl zu tun, der von der Einheit Deutschlands als langfristiges Ziel nicht ablässt. Die wirtschaftliche Lage der DDR verschlechtert sich rapide - die DDR steht vor der Zahlungsunfähigkeit und braucht dringend Devisen.

Kohl will stabile DDR

Das ist eine große Herausforderung für einen Devisenbeschaffer. Schalck-Golodkowski muss in die Spur, um in der Bundesrepublik einen Kredit zu besorgen. Er hat Glück, denn auch Kohl ist überhaupt nicht an einer Destabilisierung der Lage in der DDR interessiert. Er stimmt Verhandlungen seines politischen Konkurrenten Franz Josef Strauß mit der DDR zu. 1983 wird ein Milliardenkredit für die DDR festgezurrt - ausgehandelt von Strauß und Schalck-Golodkowski. Die DDR muss politische Zugeständnisse machen: Abbau der Selbstschussanlagen an der innerdeutschen Grenze sowie eine größzügigere Handhabung der Regeln für Westreisen. Der Konservative aus München und der Kommunist aus Ost-Berlin verstehen sich gut, sie treffen sich auch schon mal im privaten Rahmen.

Der Kredit sorgt für Aufsehen. Vor allem die Rolle des bis dahin als Kommunistenhasser auftretenden CSU-Vorsitzenden und bayerischen Ministerpräsidenten wird beleuchtet. Schalck-Golodkowski bleibt dagegen im Hintergrund und pflegt seine Beziehungen zu wichtigen westdeutschen Politikern. Dieses Netzwerk wird ihm Anfang Dezember 1989 bei seiner Flucht aus der DDR behilflich sein. Schalck-Golodkowski ist Realist genug, zu erkennen, dass es mit der DDR zu Ende geht, zumal Moskaus starker Mann Michail Gorbatschow andeutet, dass die Bruderparteien für ihre Länder zuständig seien und er sowjetische Panzer in den Kasernen lassen würde.

Schalck-Golodkowski weiß, wie es um die Finanzen der DDR bestellt ist. Er ist über den hohen Grad der Verschuldung der DDR im Bilde und arbeitet gemeinsam mit dem Chef der Staatlichen Plankommission, Gerhard Schürer, an Reformvorschlägen. Honecker lässt Schürer allerdings wegtreten und bleibt bei der "Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik". Das Soziale wird durch den bundesdeutschen Kredit abgedeckt. Die DDR ist dazu ökonomisch nicht mehr in der Lage.

Flucht nach West-Berlin

Richtig bekannt wird Schalck-Golodkowski einige Wochen nach oben genanntem TV-Auftritt. Seine KoKo gerät ins Fadenkreuz der DDR-Staatsanwaltschaft und der Presse. Ihr werden kriminelle Machenschaften zur Last gelegt. Schalck-Golodkowski fliegt - wie viele andere Funktionäre auch - am 3. Dezember 1989 aus der SED. Weil er seine Verhaftung befürchten muss, flieht er am 4. Dezember mit seiner Frau nach West-Berlin. Kurz darauf stellt er sich den Behörden der Bundesrepublik. Sein Wirken wird beleuchtet, seine parallel verlaufende Karriere im Ministerium für Staatssicherheit gerät ins Blickfeld. Schalck-Golodkowski brachte es dabei bis zum Rang eines Oberst. Für seine KoKo war er sogar als Offizier im besonderen Einsatz (OibE) tätig.

Ohne Zweifel wirkte Schalck-Golodkowski in der rechtlichen Grauzone und überschritt mitunter rote Linien. Nach seiner Flucht ist er auch redselig: gegenüber dem Bundesnachrichtendienst. Der Lohn: Schalck-Golodkowski bleibt unbehelligt und darf seinen Lebensabend am Tegernsee verbringen. Er profitiert von den Verbindungen zu wichtigen Leuten in Bonn. Weitere Ermittlungsverfahren zur KoKo-Tätigkeit tangieren den ehemaligen DDR-Devisenbeschaffer nicht mehr. Es wird ruhig um ihn.

Einmal tritt er noch auf: Bei RTL sitzt er in den 90er-Jahren auf dem sogenannten heißen Stuhl. "Ick habe nach bestem Wissen und Jewissen jehandelt", sagt Schalck-Golodkowski. Fakt ist aber auch, dass er viele Geheimnisse mit ins Grab genommen hat.

Quelle: ntv.de

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