Politik

Verhandlungen mit dem Iran Der nukleare Knoten

Die Außenminister Russlands und der USA, Lawrow und Kerry, bei den Verhandlungen in Wien.

Die Außenminister Russlands und der USA, Lawrow und Kerry, bei den Verhandlungen in Wien.

(Foto: AP)

Das Atomprogramm schadet den Iranern und dem Rest der Welt - so sehr, dass bei diesem Thema sogar die USA und Russland an einem Strang ziehen. Warum ist es dennoch so schwer, die Sache zu stoppen?

Als die Iraner vor knapp anderthalb Jahren Hassan Ruhani zu ihrem Präsidenten wählten, schaute man sich rund um die Welt zunächst verwundert um und schöpfte dann völlig unerwartet Hoffnung. Der Name Ruhani war Politikern kaum bekannt, beim näheren Hinsehen entpuppte sich der Mann als moderat, ein Gegenentwurf zu seinem lauten Vorgänger Mahmud Ahmadinedschad. Ruhani, so glaubten viele, könnte man davon überzeugen, das iranische Atomprogramm unter internationale Kontrolle zu stellen. An diesem Montag soll sich entscheiden, ob das tatsächlich so ist.

Es steht viel auf dem Spiel. Der Iran hat die Fähigkeit, Uran so weit anzureichern, dass man daraus Atomwaffen bauen könnte. Die Führer des Landes drohen, Israel auszulöschen. Andere Staaten versuchen darum, die iranischen Atomreaktoren und Uran-Anreicherungszentrifugen unter internationale Beobachtung zu stellen. Am Verhandlungstisch in Wien sitzen sechs Staaten: die Mitglieder des UN-Sicherheitsrats USA, Russland, China, Großbritannien und Frankreich sowie Deutschland, das dem Gremium nicht angehört. Diese 5+1-Gruppe will, dass der Iran Atomkraft friedlich nutzen kann, ohne zu einer nuklearen Gefahr zu werden. Eine Einigung im Atomstreit könnte auch dazu führen, dass die Zusammenarbeit zwischen dem Iran und dem Westen einfacher würde, was im Kampf gegen den Islamischen Staat, den beide Seiten bekämpfen, hilfreich wäre. An diesem Ziel arbeiten sogar Russland und die USA gemeinsam, die ansonsten derzeit ein eher gespanntes Verhältnis haben.

Auf iranischer Seite geht es darum, die Wirtschaft des Landes zu retten. Die Inflation und die Arbeitslosigkeit lassen die Menschen immer ärmer werden, obwohl der Iran eigentlich eine gut gebildete Bevölkerung und Bodenschätze hat. Der Grund dafür sind die Sanktionen, die von den USA, von der EU und von den UN ausgesprochen wurden. Diese Sanktionen dienen jetzt als Verhandlungsmasse. So vielseitig die Sanktionen auf der einen Seite sind, so unterschiedlich sind auch die Dinge, die der Iran zusagen oder verwehren könnte: Es geht um die Zahl der Zentrifugen, den Grad der Urananreicherung, den Betrieb des Schwerwasserreaktors Arak und die Frage, wie frei sich die Inspekteure der Atomenergiebehörde IAEO bewegen dürfen.

Weitere Streitpunkte sind die Frage, auf welche Zeit ein Abkommen über die Kontrolle des Atomprogramms angelegt sein sollte – die Iraner wollen einen unbefristeten Vertrag, die Amerikaner bieten zehn Jahre an – und wann die Sanktionen genau ausgesetzt werden. Der Iran möchte, die Handelsbeschränkungen möglichst schnell loswerden, die anderen Staaten wollen erst einmal abwarten, ob sich die Behörden wirklich an die Abmachungen halten.

Außerdem will US-Präsident Barack Obama keine Sanktionen abschaffen, sondern diese höchstens eine Zeitlang aussetzen – sodass er sie jederzeit wieder in Kraft setzen könnte. Das hätte für ihn nämlich den Vorteil, dass er keine Zustimmung des Kongresses braucht. Dieser wird von Republikanern dominiert, die dem Iran noch weniger Vertrauen entgegenbringen als die Demokraten. Außerdem könnte es sein, dass sie Obama den Erfolg schlicht nicht gönnen. Sollte es ein Abkommen geben, würde Obama alles tun, um es nicht dem Kongress vorlegen zu müssen, schreibt die "New York Times". Sonst würde er aufs Spiel setzen, was man im Weißen Haus die "wichtigste außenpolitische Abmachung der Präsidentschaft" nennt.

Die letzten Äußerungen in Wien lassen darauf schließen, dass viele Verhandlungsführer selbst nicht mehr an einen Erfolg im Rahmen der bis Mitternacht laufenden Frist glauben. Doch mittlerweile sind auch die Außenminister angereist. Das erhöht die Menge dessen, was man einander politisch versprechen kann. Möglich ist auch, dass die pessimistischen Töne den Iran weiter unter Druck setzen sollen. Es gibt zu viele Unbekannte in dieser Rechnung, um eine seriöse Vorhersage über den Ausgang der Verhandlungen zu machen.

Dazu zählt das iranische Regime. Der vergleichsweise liberale Präsident Ruhani hat wohl ein starkes Interesse daran, die Sanktionen loszuwerden. Allerdings ist er mitnichten die entscheidende Person. Er kann sich nur in den Grenzen bewegen, die ihm der Revolutionsführer Ajatollah Ali Chamenei vorgibt. Und dessen Interessen sind von außen noch schwerer einzuschätzen.

Begleitet werden die Verhandlungen von Warnungen aus Israel. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu fürchtet eine Einigung mit zu laschen Kontrollen, die den Iran sein Programm heimlich fortsetzen lassen.

Dass die Verhandlungen ergebnislos abgebrochen werden, ist wohl nicht zu erwarten. Davon hätte keine Seite etwas: Der Iran könnte seine Wirtschaft nicht ans Laufen bringen und die USA müssten sich auf einen weiteren Krieg gefasst machen. Denn eine iranische Bombe könnten sie niemals akzeptieren. Eine abermalige Verlängerung der Verhandlungen über die Deadline hinaus wäre für den Iran eine Niederlage, für die USA aber akzeptabel: Mitarbeiter von Obama weisen laut "Politico" darauf hin, dass die Verhandlungen das Atomprogramm bereits verlangsamt hätten. Und aus der persönlichen Sicht des Präsidenten geht es vor allem darum, bis zum Ende seiner Amtszeit das schlimmste zu verhindern. Ein Iran-Experte sagte der "New York Times": "Es ist Obamas Ziel, bis 2017 sowohl eine iranische Bombe wie auch eine Bombardierung des Iran zu verhindern."

Quelle: ntv.de

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