Politik

Wieduwilts Woche Die FDP, der Dieter Bohlen des Liberalismus

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Lindner und seine FDP haben den Wahlkampfauftakt vergurkt.

Lindner und seine FDP haben den Wahlkampfauftakt vergurkt.

(Foto: picture alliance / dts-Agentur)

Den Liberalen fehlt der nötige Ernst, das zeigt ihr nun aufgetauchtes, albernes Strategiepapier. Die Freiheit als politische Idee verliert mit so einem Quatsch ihren wichtigsten Fürsprecher.

Vielleicht hilft nur noch Dieter Bohlen. Der Pop-Titan hat kürzlich Friedrich Merz angeboten, in dessen Beraterkreis einzusteigen. Wörtlich sagte Bohlen: "Für Merz würde ich gern sein, was Musk für Trump ist." Freilich hat Bohlen nicht viel gemein mit Musk: Letzterer schießt Raketen auf den Mars, Bohlen wiederum macht Musik, die man sich dorthin wünscht.

Doch wer glaubte, mit Bohlens Politikeinstieg wäre der Tiefpunkt der Woche schon erreicht, hat die Rechnung ohne die FDP gemacht. Der Streit darum, wer denn nun die Ampel wann und aus welchen Motiven gesprengt hat, ist noch immer nicht zu Ende. Das liegt daran, dass die FDP ihren Ausstieg etwas zu streberhaft geplant hat - und die bizarren Planungsdokumente nun von "Table Media" verbreitet wurden.

Dabei schien das alberne Feuerchen schon ausgetreten: Von "D-Day" habe man im engen Zirkel von 12 Leuten gesprochen, Szenarien durchgespielt, sich also nur vorbereitet, wie es später erklärend hieß. "D-Day" bezeichne ja nicht nur die Landung in der Normandie, das sei halt so Strategen-Sprech. Schon vorher hatten immerhin Liberale auch dem Kanzler ein Übermaß an Vorbereitung vorgeworfen, weil dieser sich Reden für den möglichen FDP-Rauswurf schreiben ließ und später ablas. Na gut, soso, ist ja auch egal.

Offene Feldschlacht und D-Day

Nun jedoch redet schon wieder alle Welt über die FDP: Denn das nun in ganzer Pracht zirkulierende Strategiepapier klingt, als hätten ein paar Teenager die nächste Runde Call of Duty skizziert. Zu sehen ist eine Pyramide im Querschnitt, also ein Dreieck. Der Startpunkt, "Impuls", weitet sich darin aus auf mehrere Stufen, bis er in, ja wirklich, die "offene Feldschlacht" mündet. Peinlich. Und oben drüber steht der Begriff, den man aus der FDP verleugnete: D-Day.

Solche Dummheiten kommen vor, besonders in Strategie-Meetings. Aufgeplusterte Berater haben ihre fragile Maskulinität nicht im Griff und wollen sich einmal im Leben fühlen, als würden sie nicht berufshalber PowerPoints malen, sondern wären Maximus Decimus Meridius. Normalerweise ist dann aber ein Erwachsener im Raum und sagt etwas wie: "Hey Leute, ganz kurz: Lasst uns vielleicht nicht 'Feldschlacht' schreiben, ich meine, da drüben in der Ostukraine robben sie grad durch schlammige Schützengräben, holen sich Fußbrand und wir spielen hier Krieg. Solche Sachen kommen doch immer irgendwie an die Medien! Nennen wir es bitte anders, ja?"

Bei der FDP war aber kein Erwachsener im Raum. Und genau das ist das Problem - nicht, dass die Partei das Ende der Ampel wollte. Das wollten viele - und auf diese Mehrheit stürzt sich nun auch die FDP. Wolfgang Kubicki hat sich gerade auf X wie folgt in die, nun, Feldschlacht geworfen: "Ich bekenne mich schuldig", schreibt er, "Ich wollte das Ende dieser Koalition, deren Gewürge unserer Wirtschaft und unserem Ansehen massiv geschadet hat" und so weiter, und er endet mit "Je plaide coupable". Mon dieu!

Die FDP zeigt politischen Unernst

Kaum einer hatte noch Lust auf Ampel. Doch ich glaube nicht, dass jemand der FDP vorwirft, eine stagnierende Ampel verlassen zu wollen. Es dürfte ihr auch niemand vorwerfen, sich auf Szenarien und Eventualitäten vorzubereiten. Das machen alle - und es würde mich nicht wundern, wenn auch in anderen Meetings Kriegsvokabular auftauchte.

Schon eher scheint schwierig, dass die FDP den direkten Schritt scheute, um nicht als destruktiv wahrgenommen zu werden. Man hätte ja zurücktreten können, stattdessen wollte man die Drecksarbeit dem Kanzler überlassen.

Das Hauptproblem: Die FDP zeigt in der Art ihres Taktierens einen politischen Unernst, den die Menschen nicht so leicht vergessen. Es ist ein wenig wie die gelbe 18 auf der Schuhsohle im Spaßwahlkampf: Man gewinnt den Eindruck, das politische Ringen sei für FDPler im Grunde nur ein Spiel. Auf Spielernaturen haben Menschen in Rezession und Kriegsangst allerdings verständlicherweise wenig Lust. Darin steckt eine große Gefahr für eine so kleine Partei.

Der wählbare Trotz

Dass man einer Regierung aus guten Gründen den Rücken kehren kann, müsste die FDP im Grunde sehr gut erinnern. Die frühere Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hat vor vielen Jahren unter Tränen ihren Rücktritt erklärt, weil sie das Abhören von Wohnungen nicht mittragen wollte. Das hat viele Liberale verärgert, Konservative verstehen es bis heute nicht. Aber niemand bezweifelte, dass es der Juristin mit ihrem Anliegen ernst war. (Transparenz: Vor über 10 Jahren war sie meine Chefin.)

Ist die Pyramiden-FDP noch eine ernsthafte Partei? Während der Pandemie wandelten sich die Liberalen: Sie wurden zum wählbaren Trotz. Trotz ist an sich gut, gerade dann, wenn sich alle einig sind im seligen Staatsvertrauen. Gerade wird bekannt, dass der Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach seine Behörde, das Robert-Koch-Institut, davon abgehalten hat, eine wissenschaftlich indizierte Entspannung der Lage mitzuteilen.

Dem Staat ist eben nicht zu trauen, niemand verkörpert diese Grundhaltung wie die FDP. Bürgerrechte, ordoliberale Zurückhaltung, ein sauberer Haushalt und gezügelte Staatsausgaben, das alles verdient durchaus organisierte Politik. Man kann diese Richtung falsch finden und sich dem Staatsglauben in den anderen Parteien hingeben - aber jetzt lässt die Partei nicht aus politischen Gründen Federn, sondern aus charakterlichen.

Aber Scholz hat doch "Bazooka" gesagt!

Am Freitag forderte die Vorsitzende der Julis, Franziska Brandmann, sogar den FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai zum Rücktritt auf, was dann wenig später auch geschah. Djir-Sarai hatte im Interview mit ntv zuvor behauptet, der Begriff "D-Day" sei nicht benutzt worden. Er steht aber dick und fett auf dem Strategiepapier. Djir-Sarai sagte, er habe davon nichts gewusst und ziehe nun Konsequenzen.

Der Trotz bleibt, aber er ist unernst: Wolfgang Kubicki postet auf X etwas verzweifelt Video-Schnipsel, auf denen auch andere Politiker martialisch sprechen. Olaf Scholz habe etwa von der "Bazooka" gesprochen.

Es wirkt wie Pfeifen im Walde. Womöglich kommt Kubicki selbst auf den Gedanken, welches politische Großereignis in der Zwischenzeit den Gebrauch von Kriegsvokabular in gemütlichen Parteizentralen etwas unmusikalischer scheinen lässt als damals.

Kurz: Eine solche FDP ist für den Liberalismus nicht einmal das, was Dieter Bohlen für Friedrich Merz ist. Dieser Wahlkampfauftakt ist von vorn bis hinten vergurkt.

Quelle: ntv.de

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