Politik

Kanzlerkandidat? Bringt doch nichts! Die Merkel-Fans von der SPD

Die Kanzlerin macht ihren Job "ganz ausgezeichnet", findet Torsten Albig.

Die Kanzlerin macht ihren Job "ganz ausgezeichnet", findet Torsten Albig.

(Foto: picture alliance / dpa)

Die Aussagen des schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Torsten Albig treffen die Genossen an einem wunden Punkt. Wozu braucht Deutschland die SPD? Die Partei kann das zurzeit selbst nicht so richtig beantworten.

Am Mittwoch gewann Torsten Albig den "Rotspon Cup", eine große Regatta in Travemünde. Bei der Siegerehrung streckte der schleswig-holsteinische Ministerpräsident stolz eine Sechs-Liter-Flasche Rotwein in die Höhe. Doch Albig ist nicht nur ein guter Sieger, er ist auch ein guter Verlierer, vielleicht ein zu guter. Das zeigte sich am Tag darauf. Die Kanzlerin mache ihren Job "ganz ausgezeichnet", sagte er in einem NDR-Interview. Und im Hinblick auf die Perspektiven seiner SPD bei der Wahl 2017: "Ob die Bezeichnung Kanzlerkandidat noch richtig ist oder nicht, das werden wir sehen". Die Partei müsse sich damit abfinden, dass eine bloße Regierungsbeteiligung das Wahlziel sei.

Man muss kein Realist sein: Angesichts der mageren Umfragen wäre es für die SPD tatsächlich naiv, davon zu träumen, nach der Bundestagswahl 2017 den Kanzler zu stellen. Der 52-jährige Albig sprach nichts Überraschendes aus - nur wie er es tat, dürfte vielen in seiner Partei überhaupt nicht gefallen.

"Für solch skurrile Ideen bin ich nicht dankbar. Vielleicht ist das eine besondere Art von Taktik oder Humor, beides erschließt sich mir nicht", sagt SPD-Fraktionsvize Axel Schäfer n-tv.de. Die Partei habe seit 1960 immer einen Kanzlerkandidaten aufgestellt. "Vielleicht kann Albig sich daran nicht mehr erinnern, weil er noch nicht so alt ist". Der SPD-Abgeordnete Sönke Rix twittert: "Merkel macht ihren Job als Kanzlerin nicht ausgezeichnet. Und es gäbe mit Sicherheit auch bessere Kanzlerinnen oder Kanzler."

Es ist nicht das erste Mal, dass Albig öffentlich von der Kanzlerin schwärmt und nicht das erste Mal, dass er damit auf Unverständnis stößt. "Frau Merkel verkörpert geradezu idealtypisch, was die Deutschen sich in dieser Rolle erwarten", hatte er der "Welt" im März 2015 gesagt. "Wenn sich die Bürger einen Kanzler malen könnten, käme sicher so etwas wie Frau Merkel dabei raus. Es ist schwer, gegen diesen Idealtypus eine Wahl zu gewinnen." Darf ein Sozialdemokrat so von einer CDU-Kanzlerin schwärmen und sich als Fan outen?

Führung statt Juniorpartner

Albigs Äußerungen treffen einen wunden Punkt. Seit Ende 2013 reibt sich die Partei in der Großen Koalition auf und bringt ein Wahlversprechen nach dem anderen durch. Die Genossen tun das auch, um eine Frage zu beantworten, die auch viele Wähler sich bei den vergangenen Wahlen gestellt haben: Wer braucht die SPD? Die Partei, dessen Chef Sigmar Gabriel sich selbst als "Vorsitzenden des sozialdemokratischen Fanclubs von Angela Merkel" bezeichnete? Mit Albig hat nun ein prominenter Sozialdemokrat eine ehrliche und provokante Selbstdiagnose abgegeben. Die Wirkung ist nicht ungefährlich: Wofür noch SPD wählen, wenn selbst führende Sozialdemokraten die Kanzlerin toll finden? Wofür noch kämpfen, wenn es nichts bringt?

Kaum jemand in der stolzen Partei will die eigenen Ambitionen öffentlich herunterstufen. "Wir müssen auch immer den Anspruch haben, die Regierung zu führen", sagt Parteivize Ralf Stegner. "Es kann ja nicht unser Ziel sein, mit den Grünen darum zu wetteifern, wer der nächste Juniorpartner der Union wird." Axel Schäfer nennt Albigs Aussagen "nicht nachvollziehbar". Er wünsche sich, die SPD-Ministerpräsidenten würden sich stärker bundespolitisch einbringen, aber nicht so.

Es ist mal wieder eine Debatte, die die Partei gerade gar nicht brauchen kann. Denn der letzte Ärger liegt nicht lange zurück. Beim Thema Vorratsdatenspeicherung verknüpfte Gabriel die Zustimmung mit seiner Zukunft als Parteichef, woraufhin ihm die Partei etwas murrend folgte. Beim Thema Griechenland brachte er durch seinen harten Kurs Parteilinke gegen sich auf. Eigentlich ist Gabriel konkurrenzlos, wenn es darum geht, wer in zwei Jahren gegen Merkel antreten soll. Doch zuletzt büßte der Niedersachse, der die SPD schon seit fast sechs Jahren anführt, Sympathien ein. Vor diesem Hintergrund ließ sich Albigs Äußerung auch anders verstehen. Er sagte zwar, Gabriel würde "das exzellent machen". Aber zwischen den Zeilen klang es so, als wollte er sagen: Mit Gabriel hat das doch eh keinen Sinn.

Der Parteichef hat seiner Partei in der Debatte um einen Kanzlerkandidaten in den vergangenen Monaten mehrfach Ruhe verordnet. Zuletzt entgegnete Gabriel im ZDF-Sommerinterview, die Diskussion sei viel zu früh. Dabei ist sie in seiner Partei längst ausgebrochen.

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Soll die SPD 2017 auf einen eigenen Kanzlerkandidaten verzichten?

Quelle: ntv.de

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