Politik

CDU und CSU Die Union der Hochzufriedenen

CSU-Chef Seehofer und CDU-Vorsitzende vertrauen einander derzeit völlig.

CSU-Chef Seehofer und CDU-Vorsitzende vertrauen einander derzeit völlig.

(Foto: dpa)

Wie in der Zeit des Wirtschaftswunders verspricht die Union "Wohlstand für alle". Der Streit zwischen CDU und CSU, der fast zum Bruch geführt hätte, spielt keine Rolle mehr. "Wir wollen eine Wahl gewinnen", sagt Horst Seehofer. "Dann schauen wir weiter."

Vor vier Jahren zog die CDU mit zwei Forderungen in den Bundestagswahlkampf, die eigentlich keine waren: keine Steuererhöhungen, keine Neuverschuldung. Während die SPD in den Koalitionsverhandlungen nach der Wahl den Mindestlohn und die CSU die Pkw-Maut durchsetzte, begnügte sich die CDU mit der Rolle der Kanzlerin-Partei. 2013 sollte alles bleiben, wie es war. Jetzt soll es noch besser werden.

Steuererhöhungen und neue Schulden schließt die Union auch weiterhin aus, doch für den aktuellen Wahlkampf sind zahlreiche Ankündigungen dazugekommen. "Unser Zukunftsprojekt heißt Wohlstand und Sicherheit für alle", sagt CDU-Chefin Angela Merkel bei der Vorstellung des "Regierungsprogramms" von CDU und CSU für die kommenden vier Jahre. Das klingt altbacken, erinnert an Ludwig Erhard und die seligen Zeiten, in denen es stets aufwärtsging.

Seehofer: Nicht zufrieden - hochzufrieden

Während Merkel nüchtern referiert, kommt dem CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer die Rolle zu, das Programm, vor allem aber sein Verhältnis zur Kanzlerin zu loben. Er spricht über die "sehr, sehr angenehme Zusammenarbeit" mit Merkel. Er sei "nicht nur zufrieden, sondern hochzufrieden". Das Programm sei eine "sehr, sehr gute Grundlage" nicht nur für den Wahlkampf, sondern auch für die Regierungsarbeit danach. Zweifel, wer die Wahl im September gewinnt, hat Seehofer offenbar nicht.

Die Frage, ob es eine Obergrenze für Flüchtlinge geben soll, spricht Seehofer von sich aus nicht an. "Das ist ja ein spezifisches Thema", sagt er, als eine Journalistin danach fragt. Derzeit sei er mit der Zahl der Zuwanderer "außerordentlich zufrieden".

"Meine Meinung zur Obergrenze ist bekannt"

Zufrieden ist Seehofer auch, weil das Wahlprogramm folgende Formulierung enthält: "Eine Situation wie im Jahre 2015 soll und darf sich nicht wiederholen, da alle Beteiligten aus dieser Situation gelernt haben. Wir wollen, dass die Zahl der Flüchtlinge, die zu uns kommen, dauerhaft niedrig bleibt." Seehofer lobt dann noch die von der Bundeskanzlerin angestoßene Kooperation mit Afrika. Insgesamt gebe die Union eine "sehr kräftige Antwort auf das, was uns in der Vergangenheit begleitet hat".

Spätestens jetzt wundert man sich schon ein wenig. Über einen Zeitraum von fast anderthalb Jahren hatte die Flüchtlingspolitik zu einem schweren Zerwürfnis zwischen CDU und CSU geführt. Seehofer warf Merkel vor, sie wolle "ein anderes Land", er diagnostizierte sogar eine "Herrschaft des Unrechts" in Deutschland.

Gelöst ist der Konflikt nicht. "Meine Meinung zur Obergrenze ist bekannt", sagt Merkel und fügt dann nur hinzu, sie glaube, dass erst einmal die Bundestagswahl gewonnen werden sollte. Das ist offenbar die Sprachregelung, auf die man sich verständigt hat.

Seehofer führt aus, dass die CSU noch in dieser Woche anfangen werde, ihren "Bayernplan" auszuarbeiten. Dort wird die Obergrenze auf jeden Fall auftauchen. "Dann wollen wir zunächst einmal eine Wahl gewinnen, und dann schauen wir weiter."

Obergrenze? CSU will dranbleiben

Noch im Dezember, als man sich offiziell längst in der Versöhnungsphase befand, hatte Seehofer angekündigt, die CSU werde sich nur an einer Koalition beteiligen, die eine Obergrenze von 200.000 Flüchtlingen jährlich festschreibe. Ein Journalist fragt nun, ob er an diesem Junktim festhalte. "Wir werden da hartnäckig dranbleiben", antwortet Seehofer, "aber Schritt für Schritt". Konkreter wird er nicht.

Dabei lächelt Seehofer sein typisches Seehofer-Lächeln. "Ihr glaubt mir vielleicht nicht", scheint es zu sagen, "aber ihr werdet schon sehen". Ein Vergleich mit der Pkw-Maut liegt nahe, die Merkel vor der Bundestagswahl 2013 ebenfalls ausgeschlossen hatte und die dann doch kam. Aber der Vergleich hinkt: Die Pkw-Maut war zwar das zentrale Projekt der CSU für die vergangene Legislaturperiode, aber ihr Konfliktpotential war winzig im Vergleich zur Obergrenze. Diese steht für einen historischen Streit, der die Union fast zerrissen hätte. Sollten CDU und CSU nach der Wahl im September wieder eine Bundesregierung bilden, dürfte es spannend werden, wie und ob dieses Problem gelöst wird.

"Gravierende Unterschiede" zur SPD? Nicht wirklich.

Für den Moment betont Seehofer, dass er der Bundeskanzlerin "blind" vertraue. Merkel spricht von "völligem Vertrauen". Inhaltlich nennt sie bei der Vorstellung des Programms zunächst das Ziel der Vollbeschäftigung bis 2025. "Wir glauben, dass wir das können." Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, will die Union ein "Fachkräftezuwanderungsgesetz" erarbeiten. Es wird also nicht das von CDU-Generalsekretär Peter Tauber angestrebte Einwanderungsgesetz geben. Aber etwas Ähnliches. Wer einen Arbeitsplatz hat und nachweisen kann, dass er damit seinen Lebensunterhalt bestreiten kann, darf nach Deutschland kommen.

Merkel kündigt zudem an, dass es künftig einen Staatsminister für Digitalisierung gibt sowie einen "nationalen Digitalrat". Alle Schulen und Hochschulen sollen an Breitband angeschlossen werden. Zudem will jetzt auch die Union Kinderrechte im Grundgesetz verankern – alle anderen Parteien fordern dies seit Jahren. Außerdem soll es einen Rechtsanspruch auf Hort-Betreuung im Grundschulalter geben.

Auf den Vorwurf der SPD, die Union habe kein eigenes Rentenkonzept, sagt Merkel: "Unser Rentenkonzept ist das Konzept, das die Große Koalition 2007 verabschiedet hat." Bis 2030 sei dies "ein tragfähiges, generationengerechtes Konzept". Für die Zeit danach sieht das Wahlprogramm der Union einen "partei- und fraktionsübergreifenden gesellschaftlichen Konsens unter Einbeziehung der Tarifpartner" vor. "Zu diesem Zweck setzen wir eine Rentenkommission ein, die bis Ende 2019 Vorschläge erarbeiten soll." So vermeiden CDU und CSU, sich angreifbar zu machen.

Seehofer sagt dann noch, es gebe "gravierende Unterschiede zwischen den Parteien". Als Beispiel nennt er die Steuerpolitik der SPD. Der Unterschied hier ist, dass die Union Mehrbelastungen auch für Spitzenverdiener ausschließt, die SPD diese dagegen stärker belasten will, um kleine und mittlere Einkommen stärker zu entlasten. Aber sonst? Beide wollen den Spitzensteuersatz künftig erst ab 60.000 Euro gelten lassen, ein Baukindergeld beziehungsweise Familienbaugeld einführen, 15.000 neue Polizisten einstellen und für mehr Ganztagsschulden sorgen.

Den Vorwurf von FDP-Chef Christian Lindner, das Wahlprogramm atme den Geist der Großen Koalition, lässt man in der Union dennoch nicht gelten. "Was soll der Christian Lindner denn auch sagen?", heißt es verständnisvoll in der CDU. Merkel sagt, man habe ein Regierungsprogramm entworfen, "das das Land zusammenführt und nicht spaltet". Harmonisch soll es sein, wie zwischen Seehofer und ihr. Die Union richtet sich an Wähler, die zufrieden sind. Oder sogar hochzufrieden.

Quelle: ntv.de

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