Zweite Halbzeit GroKo Die Verzwergung der SPD geht voran
12.08.2015, 09:27 Uhr
Blumen für die Kanzlerin.
(Foto: picture alliance / dpa)
Die Regierung kommt aus der Sommerpause und startet in ihre zweite Halbzeit. Die SPD verzweifelt. Merkel muss sich nur darum kümmern, nicht zu stark zu werden.
Zum ersten Mal nach ihrem Urlaub leitet die Bundeskanzlerin wieder eine Kabinettssitzung. In zwei Jahren wird um diese Zeit schon der Wahlkampf begonnen haben, die Koalitionäre werden sich streiten müssen, weil das nun einmal so vorgesehen ist. CSU-Chef Horst Seehofer gab schon bekannt, wie er sich das vorstellt: CDU-Chefin Angela Merkel solle die absolute Mehrheit für die Union als Wahlziel 2017 ausgeben.
Ganz unrealistisch wäre das nicht. 43 Prozent der Deutschen würden laut Forsa derzeit die Unionsparteien wählen. SPD, Grüne und Linke kommen zusammen nur auf 42 Prozent. Sollten es weder AfD noch FDP in den Bundestag schaffen, müssten sich CDU und CSU nur untereinander auf ein Regierungsprogramm einigen.
Wenn Seehofer Merkel öffentlich einen Tipp gibt, ist das allerdings nicht immer nett gemeint. Merkel würde ein solches Ziel schon deswegen nie ausrufen, weil es sie machtgierig erscheinen ließe. Eine absolute Mehrheit würde außerdem vor allem die CSU stärken, die dann noch nachdrücklicher als jetzt versuchen könnte, die bayerischen Landesinteressen im Bund durchzusetzen. Eine knappe Unionsmehrheit wäre weniger stabil als eine Koalition mit einer komfortablen Mehrheit. Und Stabilität ist eines der wichtigsten Ziele in Merkels Politik. Außerdem wird Merkel nachgesagt, sie habe mit der CDU noch etwas vor, solange sie Vorsitzende ist: Sie reizt angeblich die Vorstellung, ihre Partei in eine Koalition mit den Grünen zu führen.
SPD muss Selbstbewusstsein simulieren
In der SPD wird man bei diesen Aussichten nervös: Torsten Albig, Landesvorsitzender in Schleswig-Holstein, hat bereits laut darüber nachgedacht, wie es wäre, keinen Kanzlerkandidaten mehr aufzustellen. Andere sind weniger radikal, sehen aber auch, dass es der Bundesvorsitzende Sigmar Gabriel kaum mit der Amtsinhaberin aufnehmen kann. Der aktuelle Stern-RTL-Wahltrend zeigt ein weiteres Abrutschen des Beliebtheitswerts des SPD-Chefs: Gerade einmal 12 Prozent der Befragten geben an, ihn direkt zum Kanzler wählen zu wollen, so sie die Wahl hätten. Nur wer sollte den Job sonst machen? Der letzte SPD-Kanzlerkandidat war ein beliebter ehemaliger Minister mit unbestrittener Kompetenz. Trotzdem konnte er nichts dagegen unternehmen, im Wahlkampf "an der Wand entlang geschleift" zu werden, wie er es selbst vorhergesagt hatte.
In der Koalition passiert, wovor viele Basis-Mitglieder der SPD gewarnt hatten: Die Erfolge der Regierung werden der Union gedankt, die SPD wird gescholten. Der Mindestlohn ist zu niedrig, die Kitaplätze zu rar, die Vorratsdatenspeicherung greift zu sehr in die Privatsphäre ein. Für all das könnte man auch CDU und CSU angreifen, doch an die SPD haben links denkende Bürger einen anderen Anspruch.
Die SPD hat keine Aussichten auf das Kanzleramt. Zu stark ist die Union, zu gespalten die Linkspartei. Trotzdem können sich die Sozialdemokraten nicht einfach mit ihrer Rolle als Juniorpartner zufriedengeben. Sie sind dazu verdammt, Selbstbewusstsein zu simulieren. Gabriel will für 2017 ein "Zukunftsprogramm" schreiben, kündigt einen Kampf um die Kanzlerschaft an und behauptet, in einer Demokratie sei jeder schlagbar. Bislang hat er allerdings wenig vorgelegt, um diese Aussage zu untermauern.
Quelle: ntv.de